Wählen Sie uns, weil wir schon immer da waren
Nach den jüngsten Wahlschlappen wird bei den Mitteparteien FDP und CVP der Wunsch nach neuen Köpfen laut. Ein Politologe erklärt, weshalb derartige Massnahmen nichts bringen würden.

Wenige Monate vor den eidgenössischen Wahlen stecken die bürgerlichen Parteien CVP und FDP in einer dramatischen Lage. Um die Wählerschaft bei der Stange zu halten, wären neue Köpfe und neue Antworten gefragt. Doch dafür ist es wohl zu spät.
Die Parteipräsidenten Christophe Darbellay (CVP) und Fulvio Pelli (FDP) verkündeten nach der Wahlschlappe vom Sonntag in Luzern und im Tessin Durchhalteparolen. «Wir werden weiter unseren Weg gehen», verkündete FDP-Chef Pelli.
«Alles andere wäre auch sehr gefährlich. Für CVP und FDP empfiehlt es sich, jetzt Ruhe zu bewahren», erklärte Polit-Geograf Michael Hermann am Montag im Gespräch mit der Nachrichtenagentur SDA. Mit Schlenkern wie unlängst in der Atomdebatte machten sich die beiden Parteien nur unglaubwürdiger. Auch täten sie gut daran, bis zum Herbst nicht am Stuhl ihrer Präsidenten zu sägen.
Grundlegende Probleme
Die erdrutschartigen Verluste der traditionellen Mitte bei den kantonalen Wahlen in Basel-Land, Zürich, Luzern und Tessin haben gezeigt: Es spielte nicht allein der Fukushima-Effekt. Vielmehr bestätigte sich nach übereinstimmender Ansicht von Politologen ein langfristiger, nationaler Trend.
Während die Pole weitgehend stabil sind, liegt das Schlachtfeld heute in der politischen Mitte. Und dort wollen die Wähler offenbar neue Köpfe und neue politische Rezepte - auch im Spannungsverhältnis von Wirtschaft und Ökologie, sagte Iwan Rickenbacher.
Bei den neuen Anhängern der Mitteparteien handelt es sich nach Ansicht des Politikexperten und ehemaligen CVP-Generalsekretärs vielfach um «erfolgreiche, gut ausgebildete Mitdreissiger». «Ein erheblicher Teil dieser Wählerschaft will Veränderung. Es sind jüngere Wähler mit neuen Bedürfnissen, die BDP und Grünliberalen Aufschwung geben.»
Der Wunsch nach frischen Köpfen zeige sich deutlich bei den jüngsten Regierungsratswahlen, wo zumeist neue Kandidaten oder solche, die erst seit kurzem Exekutivverantwortung haben, die meisten Stimmen machten.
Rickenbacher empfiehlt FDP und CVP denn auch, neue, unverbrauchte Kandidaten auf die attraktiven Listenplätze für die Eidg. Wahlen zu setzen und damit die Erfolgschancen zu erhöhen.
«Wählen Sie uns, weil wir schon immer da waren»
Georg Lutz zweifelt am Erfolg einer personellen Auffrischungskur. Das grundlegende Problem von FDP und CVP sei «ein Parteiprogramm, das niemand kennt und niemand versteht».
«Einfach zu sagen, wählen Sie uns, weil wir schon immer da waren, reicht nicht», sagte der Politikwissenschafter. Für die beiden alten, staatstragenden Parteien sieht er im Herbst schwarz: «Die Skala ist gegen unten offen».
Bedenklich ist das schlechte Resultat der beiden Parteien laut Hermann auch angesichts der tiefen Wahlbeteiligung bei den jüngsten kantonalen Urnengängen.
Bei geringer Beteiligung sollte gerade die FDP dank treuer Stammwähler eigentlich punkten. Bei hoher Beteiligung profitiere dagegen oft die SVP. Zudem schneide diese bei den nationalen Wahlen meist stärker ab als auf Kantonsebene, sagte Hermann.
Gelingt es der SVP also, im Herbst auch Gelegenheitswähler mit ihren Themen zu mobilisieren, dürfte sie dem bürgerlichen Lager weitere Verluste bescheren. CVP und FDP würden dann von zwei Seiten in die Zange genommen.
Die Atomkatastrophe in Japan beherrscht derzeit noch die politische Grosswetterlage. Doch die zentralen Themen der SVP - Migration und Bevölkerungsentwicklung - seien auch im Herbst aktuell, meint Rickenbacher. Auch die SP dürfte dank der Debatte um den Finanzplatz und die Manager-Boni bei der Wählerschaft punkten.
Nach den Wahlen die Fusion?
Für CVP und FDP gehe es im Moment wohl nur noch um Schadensbegrenzung, sagte Lutz. Nach den Wahlen müssten sich alle Mitteparteien aber die Frage stellen, ob eine Fusion mit der Konkurrenz nicht sinnvoller wäre.
«In der Mitte kannibalisieren sich vier Parteien. Dieser Zustand ist auf die Länge unhaltbar», sagte Lutz. GLP und BDP zehrten im Moment noch davon, dass sie neu seien. «Ob sie sich aber halten können, wenn das Scheinwerferlicht einmal weg ist und der politische Alltag einkehrt, ist fraglich».
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