Vorteil David Cameron
Die britischen Wähler haben in einer historischen Wahlnacht einen Regierungswechsel eingeläutet. Vieles deutet darauf hin, dass der Konservative David Cameron neuer Premierminister wird.

Amtsinhaber Gordon Brown wurde von den Wählern abgestraft, pochte aber weiter auf seinen Machterhalt. Erstmals seit 1974 wird eine Partei nicht ohne fremde Unterstützung regieren können.
Ausgerechnet der Liberaldemokrat Nick Clegg - vor der Wahl hoch gewettet und bei der Abstimmung abgestürzt - wird zur Schlüsselfigur im Machtspiel um eine stabile Mehrheit. Erstmals in ihrer Geschichte könnte die kleinere Partei Minister stellen.
Die Konservativen um Parteichef Cameron ziehen laut dem offiziellen Endergbnis der 650 Wahlkreise mit 306 Parlamentariern in Westminster ein. Damit verfehlten sie die für eine alleinige Regierungsbildung notwendige absolute Mehrheit von 326 Sitzen deutlich.
Die Labour-Partei von Premierminister Brown wurde von den Wählern nach 13 Jahren an der Macht hart bestraft - die Regierungspartei erhielt auf dieser Basis nur noch 258 Sitze (-91) und machte damit den grössten Verlust bei einer Wahl seit 80 Jahren.
Die Liberaldemokraten kommen auf 57 Sitze. Ein Sitz bleibt allerdings noch frei: Weil in einem Wahlkreis ein Kandidat gestorben war, kann dort erst Ende Mai gewählt werden. Nach Stimmanteilen kamen die Konservativen demnach auf 36,1 Prozent, Labour auf 29 und die Liberaldemokraten auf 23,0 Prozent. Die Tories gewannen 97 Sitze hinzu.
Werben um Liberaldemokraten
Beide grossen Parteien machten den Liberaldemokraten Avancen. Vor allem die Diskussion um die Reform des Wahlrechts könnte nun eine entscheidende Rolle spielen.
Clegg hatte dies zur Voraussetzung für eine Zusammenarbeit gemacht. Die Liberaldemokraten werden vom britischen Mehrheitswahlrecht im Vergleich zu den grossen Parteien benachteiligt. Für 23 Prozent der Stimmen bekamen sie nur rund 60 Mandate, Labour entsendet mit 29 Prozent der Stimmen 258 Parlamentarier.
Brown darf nach britischem Recht im Amt bleiben, bis eine neue Regierung gebildet ist. Er stellte den Liberalen sogleich Gespräche in Aussicht. Auch Labour wolle eine Reform für ein «faireres Wahlsystem». Er akzeptiere aber, dass Clegg zunächst mit Tory-Chef David Cameron sprechen wolle. Rücktrittsforderungen seitens der Konservativen lehnte Brown ab.
«Viele Gemeinsamkeiten» mit den «Lib Dems»
Cameron schloss eine Regierungsbeteiligung der Liberaldemokraten nicht aus, wie der aussenpolitische Sprecher der Tories, William Hague, am Freitag dem Sender Sky sagte. Die beiden Parteichefs hatten den Angaben zufolge am späten Nachmittag miteinander gesprochen.
Die beiden Parteien stimmen in vielen Punkten nicht überein, darunter in ihrer EU- und Immigrations-Politik. Jedoch sah Cameron auch «viele Gemeinsamkeiten» mit den «Lib Dems». Auch würde er versuchen, eine Minderheitsregierung mit anderen Parteien zu bilden, sagte Cameron.
Eine politische Reform müsse auch eine Reform des Wahlsystems beinhalten, sagte Cameron mit Blick auf die Liberaldemokraten und schlug einen parteiübergreifenden Ausschuss dazu vor. Cameron ging bei seinem Angebot aber nicht so weit wie Brown, der den Liberaldemokraten ein Referendum über die Art der Wahlreform angeboten hatte.
Eher mit Konservativen
Clegg deutete derweil an, eher mit den Konservativen zu verhandeln. Er sagte, die Partei mit den meisten Stimmen und den meisten Sitzen habe das Recht, eine Regierung zu bilden. Das eigene Abschneiden bezeichnete er als enttäuschend.
Eine schnelle Lösung zeichnete sich nicht ab. Die «Lib Dems» wollen parteiintern erst an diesem Samstag darüber beraten, wie sie weiter vorgehen. Zum Zünglein an der Waage könnten diesmal auch die kleinen Regionalparteien aus Schottland, Wales oder Nordirland werden.
Verstärktes Augenmerk richtete sich auch auf die Rolle der Königin. Sie empfängt normalerweise am Tag nach der Wahl den neuen Premierminister. In der diesmal undurchsichtigen Lage hielt sich Elizabeth II. zunächst zurück.
Erstmals Grüne in Unterhaus
Erstmals überhaupt zieht mit der Europaparlamentarierin Caroline Lucas eine Abgeordnete der Grünen ins britische Unterhaus ein. Die Wahlbeteiligung lag bei 65 Prozent - bei der letzten Wahl 2005 waren 61,4 Prozent der Wahlberechtigten zur Urne gegangen.
ddp/bru
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