Armutsbetroffene singenVon der Gasse, für die Gasse
Menschen, die auf der Strasse leben, singen am Samstag mit Profimusikern ihre selbst komponierten Lieder. Es ist der Startschuss für ein Kulturlokal, das für sie und die gesamte Bevölkerung gebaut wird.

«Wer auf der Strasse lebt, schafft oft den Absprung nicht», sagt Stefanie Twerdy vom Verein für Gassenarbeit Schwarzer Peter. Ein Grund dafür sei, dass diese Menschen ausserhalb des Gassenumfeldes keine sozialen Beziehungen mehr hätten: «Es gibt für sie keine sinnvollen Beschäftigungsmöglichkeiten, keine Räume, um kreativ zu sein, und auch keinen Kontakt zur Bevölkerung.»
Auf dem Zwischennutzungsareal «Lysa Büchels Garten» beim Bahnhof St. Johann ist nun ein Projekt im Bau, das dieser Isolation entgegenwirken will. Bis Ende Jahr soll dort ein circa 75 Quadratmeter grosses Kulturlokal stehen, das von Armutsbetroffenen, Obdachlosen und Kulturschaffenden aus Basel ehrenamtlich betrieben wird. Die Besucher des Schwarzen Peters sind aber bereits jetzt voll involviert: «Es gibt enorm viele Handwerker auf der Gasse, die sehr engagiert mithelfen», so Twerdy. Die Angebote, wie Aufenthalts- und Proberaum, Urban Gardening, Kreativatelier und Werkstatt, sind für alle Interessierten kostenlos.
Zwei Schiffscontainer und eine überdachte Bühne stehen bereits. Hier werden Menschen, die auf der Gasse Leben, am Samstag ihre eigenen Songs performen. Unterstützung erhalten sie von den Profis Sasa, Pyro und Adrian Sieber von den Lovebugs. Die Band der Suchthilfe Region Basel wird unter der Leitung von Baschi Hausmann von Fucking Beautiful ebenfalls eigene Songs spielen. «Alle sind aufgeregt und freuen sich riesig», sagt Stefanie Twerdy.
Der Rap-Song mit Pyro heisst «Von der Gasse, für die Gasse». Darin kommen laut der Projektverantwortlichen diverse Themen aus der Lebenswelt der betroffenen Menschen vor – unter anderem auch der Wunsch nach einem Kulturlokal, in dem man Musik und Kunst machen kann.
Für Stefanie Twerdy ist das kein abgehobener Wunsch. Der Schwarze Peter entferne sich mit diesem Projekt nicht von seiner Kernaufgabe. «Den Kontakt zur Bevölkerung kann man nicht künstlich herstellen. Doch wenn man gemeinsam gärtnert, musiziert oder eine Treppe baut, entsteht ein natürlicher Kontakt auf Augenhöhe», so Twerdy. Die Menschen erhielten so etwas Abstand von der Gasse und neue Perspektiven: «Das ist auch einer der Gründe, weshalb sie diesem Kulturzentrum so entgegenfiebern.»
Das Projekt wird vollumfänglich durch Stiftungen finanziert. Mindestens bis Ende 2024 darf es auf dem Zwischennutzungsareal stehen bleiben. Danach möchte der Verein den Containerbau auf einem anderen Areal aufstellen.
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Dina Sambar ist Redaktorin und stellvertretende Leiterin des regionalen Ressorts Kultur und Gesellschaft.
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