«Von Anfang an eine Schnapsidee»
Wie lange wird die Untergrenze beim Euro-Franken-Kurs noch bestehen? Mehrere Finanz-Schwergewichte stellen die Massnahme erneut infrage – und fordern die Nationalbank zum Handeln auf.
Nach der Einführung von Negativzinsen durch die Nationalbank (SNB) stellen jetzt namhafte Finanzplatzvertreter den Euro-Mindestkurs von Fr. 1.20 infrage. Financier Martin Ebner kritisiert in der Zeitung «Schweiz am Sonntag», die Bindung des Frankens an den Euro habe vor drei Jahren vielleicht Sinn gemacht, «aber sie dauert nun schon viel zu lange». Seine Forderung: «Die Aufhebung ist unausweichlich.» Der Entscheid der Nationalbank vom Donnerstag, Negativzinsen einzuführen, sei «hilflos»: «Er zeigt, dass sich die SNB in etwas hineingeritten hat, aus dem sie nun fast nicht mehr rauskommt», sagt Ebner.
Auch Kurt Schiltknecht, Ex-Chefökonom der SNB, ist überzeugt, dass Negativzinsen nicht die gewünschte Wirkung entfalten: Sie könnten den Kapitalfluss in die Schweiz nicht stoppen, sondern würden höchstens die Immobilienpreise in die Höhe treiben. Schiltknecht ist für ein Ende des 1.20-Mindestkurses. Für den Ex-UBS-Chef und «Schweiz am Sonntag»-Kolumnisten Oswald Grübel zeigt sich jetzt, dass die Kursuntergrenze «von Anfang an eine Schnapsidee» war. Die Anbindung sei heute umso fragwürdiger, als die Europäische Zentralbank gerade versuche, «den Euro weiter zu schwächen, um die Wirtschaft anzukurbeln». Die Konsequenz sei, dass die Schweiz den Franken ebenso schwach machen müsse. Sie könne dann genauso gut der Euro-Zone beitreten.
Auch der emeritierte Zürcher Wirtschaftsprofessor Martin Janssen plädiert für einen Ausstieg aus der Kursfixierung, wenn auch nicht für einen plötzlichen: «Die Nationalbank muss einen Ausstiegspfad definieren und den Mindestkurs jeden Tag ein kleines Schrittchen absenken.» Nur so komme man wieder aus dieser Situation heraus. Die anhaltende Kursstützung bei Fr. 1.20 habe immer neue Interventionen zur Folge: «Das ist, wie wenn sie hinter Chur den Rhein stauen», sagt Janssen. «Irgendwann kommt das Wasser.» Lieber früher als später müsse sich der Franken aufwerten. «Er ist schlicht die stärkere Währung als der Euro.»
Negativzinsen setzen Postfinance unter Druck
Laut der «SonntagsZeitung» erleiden derweil ausgerechnet konservative, auf Sicherheit bedachte Institute mit starkem Liquiditätspolsterunter dem jüngsten Entscheid der SNB einen Wettbewerbsnachteil. Besonders betroffen ist die Postfinance. Das Unternehmen hat zwar mittlerweile eine Banklizenz, Kredite darf es aber weiterhin nicht vergeben. Laut Maurice Pedergnana, Bankenprofessor an der Hochschule Luzern, wird das für die Post-Tochter zu einem immer grösseren Problem. «Die Negativzinsen treffen die Postfinance gleich doppelt. Ihr fehlt die Möglichkeit, ihre hohen Liquiditätsbestände durch Kreditvergaben zu verringern. Zudem hat sie sich eine konservative Anlagepolitik auferlegt. Das wird sich negativ auf den Gewinn auswirken.»
Über möglichen Auswirkung der Negativzinsen auf das Geschäftsergebnis könne man keine Aussagen machen, sagte ein Postfinance-Sprecher. Das werde davon abhängen, in welchem Umfang allfällige höhere Zinsaufwände kompensiert werden könnten. Eine klare Meinung hat Bankenprofessor Pedergnana: «Die Postfinance ist die Hauptleidtragende der SNB-Zinspolitik. Die goldenen Zeiten werden in den nächsten fünf Jahren nicht mehr zurückkehren. Das Geschäftsmodell ist stark unter Druck.»
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch