Vom Strich auf den Laufsteg
Prostituierte in Brasilien kämpfen erfolgreich für mehr Anerkennung – mit einer eigenen Modelinie. Die Kleider des Labels Daspu werden von ihnen entworfen und selbstbewusst präsentiert.

Fashion Week in Rio de Janeiro. An diversen Standorten staksen die üblichen Verdächtigen in ihren makellosen Körpern über die Catwalks. Das ist überhaupt nichts Aussergewöhnliches, wäre da nicht eine Präsentation der gewagten Art: eine Show in einem heruntergekommenen Bahnhof in der Altstadt von Rio, präsentiert von feurigen Mädchen, die zu lauter Funkmusik knappe T-Shirts, sexy Shorts und enge Blusen präsentieren. Es ist die Mode von Daspu, dem Label, das seit einiger Zeit weltweit für Furore sorgt: Nicht nur setzt sich das Wort Daspu aus dem Portugiesischen «das putas», «von Huren», zusammen. Es ist auch Mode von Huren. Und noch viel mehr als das: Es ist ein politisches Statement.
Plattform für Huren
1992 hat die einstige Soziologin und Prostituierte Gabriela Silva Leite die Prostituierten-Organisation «Davida» («vom Leben») gegründet, um in ihrem Land für mehr Anerkennung der Prostituierten als legalen Beruf, um für Sozialversicherung, Aidsprävention und Gesundheitsvorsorge zu kämpfen. 2006 dann stellte die Mittfünfzigerin in São Paulo mit ein paar Dutzend Mitstreiterinnen das Modelabel Daspu auf die Beine, um den Huren ein Gesicht, eine Plattform zu geben – ganz nach dem Motto «Raus aus dem Milieu, rein in die Öffentlichkeit». Die Prostituierten Brasiliens wollten wie alle anderen Arbeiterinnen behandelt werden, so Gabriela Silva Leite, mit allen Rechten und Pflichten. Seither sorgen Prostituierte als Models und Prostituierte als Designerinnen dafür, dass der Catwalk zum Ort ihrer politischen Anliegen wird.
Aushängeschild des Labels ist die dreifache Mutter Jane Eloy, die bereits die Hälfte ihrer 32 Lebensjahre auf dem Strich in Rio verbracht haben soll. «Wir Prostituierten wollten schon lange, dass uns die Gesellschaft akzeptiert», erzählt sie in einer TV-Reportage, «also haben wir dieses Label lanciert. Zwar auch, um eine weitere Einnahmequelle zu haben. Vor allem aber, um beachtet zu werden.» Was ihnen bestens gelang, zumal der Name des Labels, Daspu, nicht nur ein Wortspiel, sondern auch eine ironische Anspielung auf den exklusiven brasilianischen Modetempel Daslu in São Paolo ist. Nicht zuletzt dank dem Pressewirbel, den die erzürnten Daslu-Firmenanwälte lostraten, verkaufte Daspu innert einem Jahr 10'000 Shirts und Kleider, bedruckt mit Sprüchen von der Strasse. Das brachte den Prostituierten genug ein, um eine zweite Kollektion zu finanzieren.
Kopfschmuck aus Parisern
Seither sorgen die leichten Mädchen von Daspu mit ihrer sexy Mode «von und für Frauen ohne Vorurteile» nicht nur für viel Furore in der brasilianischen Modeindustrie, sondern auch international für reichlich Aufregung. Nicht nur wegen ihrer Geschichte. Nicht nur, weil der Erlös in soziale und politische Projekte fliesst. Vor einem Jahr beispielsweise, an der Eröffnung der Biennale in São Paulo, hat Jane Eloy ganz am Schluss ein Brautkleid präsentiert – wie es sich gehört für eine Modeschau. Dieses Brautkleid aber stammte ganz aus Bettlaken von Stundenhotels in Rio de Janeiro. Der Kopfschmuck wurde aus Kondomen gefertigt.
Der Versuch der Frauen, so Tabus zu brechen und Respekt und Achtung einzufordern, trägt Früchte: Der Respekt der Gesellschaft vor den Leistungen der Huren wächst, und damit auch das Selbstvertrauen der leichten Models. «Auf einmal sehen uns die Leute mit anderen Augen an», erzählt Jane Eloy, «und wir schämen uns nicht mehr». Im Gegenteil, jetzt seien sie sogar stolz auf sich: «Wir treten mit den Modellen auf, die wir selbst entworfen haben, und wir zeigen unser Gesicht».
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