Volk will noch keinen grünen Bundesrat
Ist die Ökopartei reif für die Regierung? Die Nachwahl-Umfrage zeigt, wie das Volk diesbezüglich tickt – und wer überhaupt die Grünen wählte.

Sie war das Aushängeschild der Klimastreiks, die junge Aktivistin Greta Thunberg aus dem hohen Norden. Die Schwedin hat ganz schön eingeheizt, auch in der Schweiz: Einerseits hat Thunberg viele Leute genervt. So gaben in der Nachwahlumfrage von Tamedia über 50 Prozent an, dass sie sich über die häufige Berichterstattung über die Klimaikone und über sie selber genervt haben. Inbesondere Wählerinnen und Wähler der SVP und der FDP konnten mit der jungen Frau und ihren Aktionen nichts anfangen.
Die durch Thunberg und die vielen jungen Aktivisten ausgelösten Klimadiskussionen und -streiks beeinflussten trotzdem die Wahlen vom Wochenende ganz entscheidend. So zeigt die Analyse der Wählerwanderung laut den Politologen Lucas Leemann und Fabio Wasserfallen, welche die Umfrage durchgeführt haben, dass die Grünen sehr viele Wähler mobilisieren konnten, die 2015 an den eidgenössischen Wahlen nicht teilgenommen haben: «19 Prozent derjenigen, die vor vier Jahren nicht an den Wahlen teilgenommen haben, entschieden sich 2019 für die Grünen.» Die Partei konnte insgesamt bei den jüngeren Wählern und bei den Frauen besonders stark punkten.
Verschiebungen im linken Lager
Der Klimawandel war denn auch das Thema, welche die Grünen als Hauptproblem der Schweiz ausmachten: 94 Prozent sind laut der Umfrage dieser Ansicht. Auch bei den Grünliberalen ist die Sorge um die Umwelt Thema Nummer eins mit 89 Prozent. Interessanterweise schafft es diese Thematik bei den Sozialdemokraten nicht unter die ersten fünf.
Die Grünen konnten nicht nur viele Neuwähler von ihrem Programm überzeugen: Sie konnten auch stark bei den Anhängern der Sozialdemokraten punkten: 20 Prozent der SP-Wählerschaft von 2015 hat bei den eidgenössischen Wahlen vom Wochenende die Grünen gewählt. Das ist die grösste Verschiebung zwischen zwei Parteien bei der diesjährigen Neubesetzung des Parlaments. Die Grünen konnten aber auch bei der anderen Partei mit dem Label Grün in ihrem Namen abgrasen: 14 Prozent der GLP-Wählerschaft von 2015 hat dieses Mal die Grünen unterstützt.
Entgegen dem landläufigen Vorurteil, dass vor allem stark ideologisch geprägte Leute die Grünen wählen, trifft das viel stärker für sämtliche anderen Parteien zu. Nur gerade 42 Prozent der grünen Wähler gaben an, dass sich das Parteiprogramm am besten mit ihrer Weltanschauung deckt. Alle anderen erreichten Werte über 50 Prozent, am stärksten ist die ideologische Bindung bei der FDP, der SP und der GLP mit über 60 Prozent. Die Grünen hingegen überzeugen ihre Anhänger laut der Umfrage vor allem damit, dass sie Lösungen für drängende Probleme haben.
51 Prozent gegen grünen Bundesrat
Einen Dämpfer müssen die Grünen bei dem Anspruch auf einen Bundesratssitz hinnehmen. 51 Prozent der über 33'000 Teilnehmern der Umfrage sind der Überzeugung, dass die Zeit noch nicht reif ist für einen grünen Vertreter in der Landesregierung. 40 Prozent wären dafür, 9 Prozent haben keine Meinung zu dieser Frage. Während ein grüner Bundesrat bei den Grünen selbst, der SP und den Grünliberalen auf grosse Sympathie stösst, ist die Ablehnung bei den anderen Parteien umso grösser.
Besonders heftig auf die Bundesratsambitionen der Grünen reagieren die SVP (92 Prozent dagegen) und die FDP (76 Prozent dagegen). Bei den Freisinnigen ist die starke Ablehnung nachvollziehbar, steht doch ihr Bundesrat Ignazio Cassis schon länger in der Kritik und könnte zum Angriffsziel der Grünen und Linken werden. Auffällig ist zudem, dass ein grüner Bundesrat bei den Frauen auf deutlich mehr Sympathie stösst als bei den Männern.
Und wer soll dem Grünen Platz machen im Siebnergremium? Wer für einen grünen Bundesrat ist, möchte diesen am liebsten auf Kosten der SVP ins Amt hieven (59 Prozent). Immerhin 21 Prozent möchten der FDP einen der beiden Sitze streitig machen.
SVP hat schlecht mobilisiert
Im rechten Lager hat es insgesamt wenig Wählerbewegung zwischen den Parteien gegeben. Die Verluste der SVP sind inbesondere über eine vergleichsweise tiefe Mobilisierung bei der eigenen Basis zu erklären und einer unterdurchschnittlichen Unterstützung bei denjenigen, die 2015 nicht an der Wahl teilgenommen haben.
Die Umfrage
33'474 Personen aus der ganzen Schweiz haben vom 17. bis 20. Oktober online an der der Tamedia-Wahlumfrage zu den eidgenössischen Wahlen vom 20. Oktober 2019 teilgenommen. Die Tamedia-Wahlumfragen werden in Zusammenarbeit mit Leewas durchgeführt. Leewas modelliert die Umfragedaten nach demografischen, geografischen und politischen Variablen. Der Fehlerbereich liegt bei +/–1 Prozentpunkt. Weitere lnformationen zu den Tamedia-Umfragen hier.
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