Viola Amherd warnt vor «aggressiven» Spionen Putins
Laut dem jährlichen Lagebericht des NDB ist die Schweiz «einer der wichtigsten Standorte der russischen Nachrichtendienste in Europa».

Nicht einer, nicht zwei, sondern gleich drei russische Geheimdienste unterhalten in der Schweiz eine «Präsenz». Und rund ein Drittel der hier akkreditierten russischen Diplomaten sind «identifizierte Angehörige der Nachrichtendienste oder werden verdächtigt, solche zu sein». Dies sind zwei der Erkenntnisse aus dem jährlichen Lagebericht des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB), den zwei Neulinge am Freitagmorgen den Medien vorstellen: Bundesrätin Viola Amherd, seit Anfang Jahr Verteidigungsministerin, und Jean-Philippe Gaudin, seit Juli 2018 NDB-Direktor.

Für Gaudin war es ein relativ turbulenter Amtsantritt gewesen. Das vergangene Jahr war laut dem neuen Bericht geprägt durch «anhaltend aggressive russische Spionageaktivitäten in der Schweiz», wobei vor allem der Militärgeheimdienst GRU auffiel – und gleich mehrfach aufflog. Nachträglich enttarnt werden konnten jene GRU-Agenten, welche zum Giftangriff im März 2018 auf den russischen Doppelagenten Sergei Skripal ins englische Salisbury gereist waren. Bis kurz vor dem Attentat hatten sich die beiden Hauptverdächtigen wiederholt länger in Genf aufgehalten.
Ruhiger oder zumindest geschickter verhielten sich jene Spione unter diplomatischer Tarnung, welche für den russischen Auslandnachrichtendienst SWR und den eigentlich fürs Inland zuständigen FSB in der Schweiz präsent sind.
Angriffe aufs Labor Spiez
Aufgefallen und aufgeflogen sind hingegen auch Operationen einer weiteren GRU-Einheit, die ebenfalls international in der Nähe der anvisierten Ziele aktiv war. Das Cyberteam war spezialisiert auf das Eindringen in drahtlose Computernetzwerke. Im vergangenen Herbst machte das Tamedia-Recherchedesk Attacken auf Ziele in der Schweiz und in den Niederlanden publik.
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Russische Geheimdienst-Aktion enthüllt
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Erfolgreich ins Visier genommen hatten Putins Militärspione internationale Dopingjäger, welche in Lausanne tagten. Da kam es zu Datenabflüssen. Ein weiterer Angriff durch die zum Teil identischen Agenten auf Chemiewaffen-Spezialisten in Den Haag und im Labor Spiez im Berner Oberland scheiterte. Die niederländische Behörde konnte das GRU-Team dank Erkenntnissen des NDB bereits in Den Haag stoppen.
Die russische Botschaft in Bern hatte die damaligen Berichte in der «SonntagsZeitung» und in dieser Zeitung, deren Inhalt nun durch den NDB-Lagebericht offiziell bestätigt wird, als «Erfindung» bezeichnet. Via einen Artikel in der «Weltwoche» zweifelten die Russen auch die damals ebenfalls publizierte hohe Zahl russischer Agenten der Schweiz an, obschon damals erst von einem Viertel aller akkreditierten Diplomaten Russlands die Rede war. Nun schreibt der NDB, dass es gar ein Drittel sei. Der Unterschied dürfte damit zusammenhängen, dass einmal ebenfalls angemeldete Partnerinnen der offiziellen Vertreter aus Putins Herrschaftsgebiet mitgezählt wurden und einmal nicht.
Russland hat derzeit für die Botschaft in Bern und sein Genfer Konsulat 73 Diplomaten mit insgesamt 32 Partnerinnen sowie 2 Diplomatinnen akkreditiert. Zusätzlich entsendet es eine grosse Anzahl Vertreter direkt an die UNO in Genf. «Die Schweiz dürfte heute in Europa einer der wichtigsten Standorte der russischen Nachrichtendienste sein», folgert der NDB.
China als «zweitgrösste Bedrohung»
Im neuen Bericht tauchen Spionage gegen sicherheitspolitische Interessen der Schweiz und gegen die Wirtschaft und Russland als wichtigste «Hauptthemen» des NDB auf. «Brennpunkte» auf dem Lageradar des schweizerischen Nachrichtendienstes sind die Cyberspionage und der Terrorismus, vor allem durch den IS. In diesen Bereichen wendet der NDB jene Ausforschungsmethoden an, welche genehmigt werden müssen. 2018 hiessen das Bundesverwaltungsgericht und die zuständigen Bundesrätinnen und Bundesräte 23 solche Massnahmen zur Terrorbekämpfung und 170 in der Spionageabwehr gut.
Beim Nachrichtendienst sieht der NDB in China – hinter Russland – als «die zweitgrösste Bedrohung». Die chinesischen Agenten in der Schweiz beschäftigen sich vor allem mit Wirtschaftsspionage und der Überwachung der tibetischen und uigurischen Diaspora.
Der NDB warnt aber auch vor anderen Ländern: «Pakistan ist bestrebt, sein Nuklearprogramm auszubauen, und benötigt dafür weiterhin Know-how aus dem Ausland, darunter auch aus der Schweiz.» Die Atommacht versuchte gemäss Lagebericht, in der Schweiz Kalibrierinstrumente, also Hightechmessgeräte, zu beschaffen: «Diese dienen im Endeffekt der Bestückung von Marschflugkörpern mit Kernwaffen.» Bei den pakistanischen Bemühungen stünden neben der eigentlichen Produktion von Spaltmaterial auch Beschaffungen im Vordergrund, die dem Erhalt der Einsatzbereitschaft von Kernwaffen oder deren Lagerung dienten. «Dies wird sich fortsetzen», prognostiziert der NDB.
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