
Bei den gegenwärtigen wirtschaftlichen, persönlichen und politischen Einschränkungen ernsthaft zu behaupten, das Coronavirus habe auch seine guten Seiten, wäre vielleicht zynisch. Unbestritten ist aber, dass die Natur vom Lockdown profitiert. Voll auf ihre Rechnung kommen zurzeit auch die Liebhaber von richtig gutem Schweizer Sound auf den verschiedenen Kanälen von Radio SRF – SRF 1, Radio Swiss Pop und vor allem Radio Swiss Jazz. Und dies nicht zufällig.
Wenn die Schweizer Musikerinnen und Musiker schon nicht mehr auftreten dürfen, dann sollen sie immerhin vermehrt auf den gebührenfinanzierten Radiokanälen gespielt werden, damit wenigsten die Urheberrechtsabgaben ein bisschen Geld in die leeren Kassen spülen, so die Überlegungen der Programmmacher. Recht so, kann man da nur sagen; denn die Rolling Stones, Eric Clapton oder Abba brauchen den Zustupf wirklich nicht mehr.
Die Rolling Stones, Eric Clapton und Abba brauchen den Zustupf längst nicht mehr.
Dabei erweist sich das Corona-bedingt geänderte Musikprogramm gerade den ergrauten und etwas tinitusgeplagten Jazz- und Bluesliebhabern als wahre Fundgrube. Dass es für beide Sparten in der Schweiz eine richtige Szene gibt, wird möglicherweise erst jetzt einem breiteren Publikum bekannt. Zwar braucht man Philipp Fankhauser mittlerweile nicht mehr vorzustellen. Auch Jazz-Musiker wie Isla Eckinger, der kürzlich verstorbene Saxofonist Andy Scherrer, Thomas Möckel, Irène Schweizer oder der Schlagzeuger Charly Antolini sind bekannte Grössen, die derzeit auf Radio Swiss Jazz gerne gespielt werden. Aber eben nicht nur sie.
Es werden auch Leckerbissen – aktuelle und solche von anno dazumal – von weniger bekannten Interpreten berücksichtigt, die umso mehr der Erwähnung verdienen. Und es stellt sich die Frage, ob es Zufall ist oder nicht, dass so einige aus der Region stammen, wie etwa die Jazz-Sängerin Lisette Spinnler oder «Chicago Dave» Rutschmann. Letzterer war kürzlich zusammen mit dem amerikanischen Bluessänger Jimmy Johnson zu hören. Die beiden waren 2002 zusammen auf Tournee und spielten 2006 eine CD ein. Und dann lief kürzlich zu nachtschlafener Zeit auch die Tympanic Jazzband mit dem Journalistenkollegen Peter Knechtli an der Trompete. Corona macht auch das möglich.
An meinem Tinitus sind übrigens all die Genannten nicht schuld. Den «verdanke» ich einem der ganz Grossen – dem 1995 im Alter von erst 47 Jahren verstorbenen irischen Blues-Rock-Gitarristen Rory Gallager. Er spielte damals in den Achtzigerjahren im Zürcher Volkshaus wirklich sehr laut. Dass ich meine Nase (und eben auch die Ohren) ganz zuvorderst bei den Boxen haben musste, dafür konnte er allerdings nichts.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Da war mal was – Viel Schweizer Sound dank Covid-19
Noch nie waren auf den Kanälen von Radio SRF so viele Leckerbissen aus der Schweizer Musikküche zu hören.