Wohnen in BaselViel Getöse um die Wohnraumförderung
Am Mittwoch wird im Grossen Rat im Congresszentrum wohl stundenlang um einen Kompromiss in Sachen Mieterschutz gerungen. Links wie Rechts hofft auf möglichst viele anwesende Grossräte.

Es ist beinahe zwei Jahre her, dass das Stimmvolk die Wohnschutzinitiative mit einem Ja-Stimmenanteil von über 61 Prozent angenommen hat. Damit sollen Mieterinnen und Mieter im Kanton Basel-Stadt noch besser geschützt werden. Umgesetzt ist allerdings noch nichts.
Denn die Installierung eines neuen Gesetzesartikels gemäss einer neuen Verfassungsbestimmung ist nicht einfach. Die Initiative fordert grundsätzlich, dass der Staat den Erhalt von bezahlbarem Wohnraum in allen Quartieren fördert. Bei einem Leerwohnungsbestand von 1,5 Prozent oder weniger hat er neu dafür zu sorgen, dass insbesondere ältere und langjährige Mieter vor Kündigungen und Mietzinserhöhungen geschützt werden. Sanierungen etwa dürfen nicht zur Vertreibung führen. Dies soll eine Bewilligungspflicht bei Renovationen, Umbau und Abbruch von bezahlbaren Mietwohnungen, verbunden mit einer Mietzinskontrolle, verhindern.
Links-Rechts-Graben
So weit so gut. Doch wie das umgesetzt wird, ist unter den Parteien hoch umstritten. So gab es innerhalb der zuständigen Kommissionen, Wirtschaft und Abgaben (WAK) sowie Bau- und Raumplanung (BRK), einen grossen Knatsch. Die Folge: Im Grossen Rat werden am Mittwoch fünf Vorschläge zur Debatte gestellt. Dabei tritt der Graben zwischen Links und Bürgerlichen so deutlich zutage wie kaum je zuvor.
Die Linken und natürlich auch der Mieterverband wollen das Maximum herausholen und haben den regierungsrätlichen Vorschlag dementsprechend verschärft. So sollen beim Abbruchschutz anstatt Miethäuser ab sechs Wohnungen schon solche ab vier Wohnungen von den neuen Bestimmungen betroffen sein. René Brigger, SP-Grossrat und Vizepräsident der BRK, sagt dazu, es gebe ganze Strassenzüge mit alten Baslerhäusern, die nur vier oder fünf Wohnungen aufwiesen. «Da wäre es fahrlässig, diese Mieter nicht zu schützen», sagt Brigger.
Die bürgerliche WAK-Minderheit jedoch will nur Mietshäuser ab neun Wohnungen schützen. Ganz allgemein will die linke Mehrheit der BRK, dass rund zwei Drittel aller Wohnungen unter das neue Gesetz fallen. Der Regierungsrat liegt mit seinem Vorschlag deutlich unter 50 Prozent und die Kommissionsminderheiten bei unter 20 Prozent.
Auch die Umwandlung eines Mietshauses in Wohnungen im Stockwerkeigentum will die Mehrheit der BRK erschweren. «Sonst ist es ein Einfallstor für Kleinspekulanten», sagt Brigger. Viele würden sich ein älteres Mehrfamilienhaus kaufen, die Wohnungen zu Stockwerkeigentum umbauen, diese verkaufen und viel Geld verdienen. «Darunter sind dann Wohnungen, die unter anderem schalltechnisch gar nicht dafür geeignet sind.» Gemäss BRK-Mehrheit sollen solche Umbauten bewilligungspflichtig werden, und dem Staat soll ein Vorkaufsrecht zum Ertragswert eingeräumt werden.
Kettensäge im Frühlingswald
Solche Ideen sind für die Bürgerlichen nicht akzeptabel. Diese beschnitten die Eigentumsrechte zu sehr, «eine zu enge Kiste», wie sich Jeremy Stephenson, Präsident der BRK, ausdrückt. Die Bewilligungspflicht und die Mietzinskontrolle seien auf alle Fälle zu beschränken. Besonders dort, wo die Umbaupläne in unbewohntem Zustand realisiert werden sollen. «Das war ja auch ursprünglich die Idee der Wohnschutzinitiative», sagt der LDP-Grossrat.
Die linke Kommissionsmehrheit nehme jetzt die Gelegenheit wahr, das bis heute gut funktionierende Wohnrecht über den Haufen zu werfen, und gehe viel weiter, als die Initiative je wollte. «Sie setzt sozusagen die Kettensäge im jungen Frühlingswald an», sagt Stephenson.
Falls die Fassung der Linken durchkomme, so werde vonseiten Hauseigentümerverband und SVIT (Schweizerischer Verband für Immobilienwirtschaft) sicher das Referendum ergriffen. Stephenson sagt für den Mittwoch eine schwierige Debatte voraus.
Zünglein an der Waage
Auf eine mehrstündige Debatte deutet tatsächlich alles hin. Das Zünglein an der Waage, auf welche Seite das Resultat kippt, werden einmal mehr die drei Grünliberalen spielen. Wie stehen sie zum Ganzen? «Was die Linke will, ist viel zu extrem», sagt David Wüest-Rudin (GLP). Es sei auch zu restriktiv: «Der bestehende Wohnraum bleibt dann zwar billig, doch er wird zusehends verlottern.» Das sehe man am Beispiel Genf, wo ein extremes Gesetz in Kraft sei. Niemand könne mehr aus einer dieser günstigen Wohnungen ausziehen, Sanierungen würden nicht mehr gemacht und die neuen Wohnungen seien viel zu teuer.
Die Grünliberalen würden sich voraussichtlich entweder hinter den Regierungsratsvorschlag oder den bürgerlichen WAK-Minderheitsvorschlag stellen. Derjenige der Mehrheit, also der Linken, sei überrissen. «Man sollte nicht eine Extremvariante wählen. Falls der pragmatische Weg Optimierungen braucht, kann man später immer noch nachjustieren.»
Doch wie die Entscheidung ausfällt: Es dürfte so oder so ein Referendum geben. Denn auch die Linken würden sich eine «weichgespülte Variante» der Initiative nicht gefallen lassen, wie Brigger sagt.
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