Verwirrung um Mursi-Interview
Ägyptens neuer Präsident soll sich gegenüber der Agentur Fars für die Wiederbelebung der Beziehungen zum Iran ausgesprochen haben. Aus dem Präsidentenpalast heisst es nun, das Interview habe es nie gegeben.
Verwirrspiel um den neu gewählten ägyptischen Präsidenten: Mohammed Mursi will angeblich die Beziehungen zum Iran wiederbeleben und den Friedensvertrag mit Israel überprüfen. Dies berichtete die amtliche iranische Nachrichtenagentur Fars. Sie berief sich dabei auf ein Interview mit Mursi vom Sonntag. Damit solle ein strategisches Gleichgewicht in der Region geschaffen werden, wurde Mursi im am Montag veröffentlichten Fars-Interview zitiert.
Mursi soll sich auch für das Rückkehrrecht der Palästinenser ausgesprochen haben, die in den Nahostkriegen fliehen mussten oder von Israel vertrieben wurden. «Dieses Thema ist für uns enorm wichtig, und in der Hinsicht werden wir auch den (mit Israel geschlossenen) Friedensvertrag revidieren», wurde Mursi zitiert.
Am Sonntag hatte Mursi nach der Bekanntgabe seines Wahlsieges jedoch erklärt, die bestehenden Verträge - auch mit Israel - einzuhalten. Mursi hatte auch «sehr ausgewogene Beziehungen zu allen internationalen Faktoren» versprochen.
Ägypten: Mursi gab Fars kein Interview
Gegenüber Fars soll Mursi gesagt haben, die neuen aussenpolitischen Akzentsetzungen werde er «nicht alleine treffen». Er hätte damit darauf angespielt, dass sich der Oberste Militärrat, der seit dem Sturz von Langzeitpräsident Hosni Mubarak im Februar 2011 Ägypten regiert, sich in Aussenpolitik und Verteidigung das letzte Wort vorbehält.
Allerdings kam ein Dementi aus dem ägyptischen Präsidentenpalast: Mursi habe Fars nie ein Interview gegeben, wurde ein Sprecher des Präsidenten von der staatlichen ägyptischen Nachrichtenagentur Mena zitiert. Die von Fars publizierten Äusserungen Mursi entbehrten deshalb jeglicher Grundlage, schrieb Mena.
Israel gelassen
Fars hatte angegeben, das Interview mit Mursi kurz vor der Bekanntgabe seines Wahlsieges am Sonntag gemacht zu haben. Dieses löste am Montag vor allem in Israel einiges an Aufregung aus. Allerdings regierte Regierungschef Benjamin Netanyahu gelassen. Er erwarte eine Zusammenarbeit auf der Grundlage des Friedensvertrags, sagte er.
Das 1979 in den USA geschlossene Friedensabkommen ist Kernstück der politischen Ordnung im Nahen Osten. Die sunnitische Muslimbruderschaft, denen Mursi jahrzehntelang angehörte und deren radikaler Ableger Hamas im palästinensischen Gazastreifen herrscht, lehnt das Abkommen ab.
Das Abkommen und die Islamischen Revolution 1979 im Iran hatten zum Abbruch der Beziehungen zwischen Kairo und Teheran geführt. Teheran möchte seit Jahren wieder normale Beziehungen.
Mit Regierungsbildung begonnen
Am Tag nach der Verkündung seines Siegs bei der Präsidentschaftswahl in Ägypten hat der designierte Staatschef Mursi derweil mit der Bildung seiner Regierung begonnen. Ohne seine Vereidigung abzuwarten, habe der 60-Jährige im Präsidentenpalast erste Gespräche bezüglich seines Kabinetts geführt, sagte eine Sprecherin.
«Er hat damit begonnen, eine Liste von Namen abzuarbeiten, und wird seine Regierung bald vorstellen», führte die Sprecherin aus. Die amtliche ägyptische Nachrichtenagentur Mena bestätigte die Angaben.
Macht liegt beim Militär
Der 60-Jährige war am Sonntag zum Sieger der ersten freien Präsidentenwahl Ägyptens erklärt worden. Er soll am 1. Juli sein Amt übernehmen, dessen Kompetenzen der Militärrat beschnitten hatte. Dieser hat sich selbst bis zur Neuwahl des aufgelösten und von Islamisten dominierten Parlaments zur gesetzgebenden Kraft aufgeschwungen.
Am Montag kam Mursi im Verteidigungsministerium mit dem Chef des Militärrats, Feldmarschall Hussein Tantawi, zusammen, um über die Regierungsbildung zu beraten.
Zum Zeichen, dass er Präsident aller Ägypter sei, trat Mursi vorher offiziell aus der Partei für Freiheit und Gerechtigkeit der Muslimbruderschaft aus. Zudem will er gemäss seinen Beratern auch nicht islamistische Politiker in die Regierung berufen.
Gegenüber Christen und Frauen schlug er vor den Medien versöhnliche Töne an: «Muslime oder Christen, Männer oder Frauen, Alte oder Junge, (...), ihr seid alle meine Familie», sagte er.
SDA/kpn
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch