Vertraulicher Bericht zeigt Missstände auf
Wirtschaftskammer-Direktor will mit Schwarzarbeits-Affäre nichts zu tun haben – Unterlagen belegen das Gegenteil.

Nicht nachvollziehbare Zahlungen, fehlende Belege, verzweigtes Firmengeflecht – Recherchen der BaZ legen die fragwürdige Arbeitsweise der Wirtschaftskammer Baselland und ihres Direktors am Beispiel der Schwarzarbeitkontrolle offen. Eine Liste der Verfehlungen findet sich am Schluss des Artikels.
Als Wirtschaftskammer-Direktor Christoph Buser 2015 für den Ständerat und für den Nationalrat kandidierte, wurden in diversen Medien Betrugsvorwürfe gegen die von den Gewerkschaften und der Wirtschaftskammer gegründete Schwarzarbeitskontrolle (ZAK) erhoben. Buser wies die Verantwortung von sich, und das Staatssekretariat für Wirtschaft wusch 2016 die ZAK nach einer vertraulichen Untersuchung durch die Revisionsfirma KPMG rein: «Der Verdacht, es könnten in der Vergangenheit Bundes- und Kantonsgelder in unlauterer Weise verwendet worden sein, hat sich nicht bestätigt.»
Schwarzarbeitskontrolle (ZAK) führte zu wenig Kontrollen durch
BaZ-Recherchen zeigen hingegen dreierlei: 1. Der Untersuchungsbericht beschreibt unzählige Missstände und liefert ferner viele Hinweise auf weitere allfällige Verfehlungen (siehe Box). 2. Christoph Buser ist entgegen seiner Darstellung für die Verfehlungen mitverantwortlich. 3. Der KPMG-Bericht untersuchte nur den Zeitraum von 2010 bis 2014, derweil Recherchen der BaZ auch für die Jahre 2014–2016 weitere offensichtliche Hinweise auf problematische Abrechnungen aufzeigen. Kurzum: Die Aufarbeitung der ZAK-Affäre ist mit dem KPMG-Bericht wohl nicht abgeschlossen, weil zu viele heikle Punkte ungeklärt sind.
Der Kanton Baselland delegiert die Schwarzarbeitbekämpfung der ZAK. Bund und Kanton bezahlen die Kontrolltätigkeit mit Steuergeldern von jährlich rund 700 000 Franken. 2015 berichteten Medien, dass die ausgewiesenen Lohnkosten bei der ZAK nicht den real ausbezahlten Löhnen der Mitarbeiter entsprachen, und dass die ZAK zu wenig Kontrollen durchgeführt hat. Bis heute läuft diesbezüglich ein Strafverfahren und die Behörden fordern für das Jahr 2014 Geld zurück.
Keine Belege vorhanden
Christoph Buser, der 2015 deswegen medial unter Beschuss kam, entgegnete stets, dass er für die ZAK nicht verantwortlich sei. Als er 2012 Direktor der Wirtschaftskammer wurde, sei die ZAK ausgelagert worden und sein Vorgänger Hans Rudolf Gysin sei als Chef der ZAK verantwortlich, hiess es damals. Buser opferte schliesslich seinen Ziehvater und Architekt dieses Wirtschaftskammer-Netzwerkes und legte ihm im Februar 2016 den Rücktritt nahe: «Die Situation ist verkachelt. Es braucht neue Köpfe», zitierte ihn die Basellandschaftliche Zeitung.
BaZ-Informationen belegen hingegen das Gegenteil. Unterlagen und Äusserungen aus der Verwaltung zeigen: Buser war entgegen seiner Darstellung sehr wohl auch für die ZAK verantwortlich. Aus Verwaltungskreisen heisst es, dass Buser als Vertreter der ZAK bei den Behörden vorsprach. Auch schriftlich liegen der BaZ Belege vor, die Christoph Busers zentrale Rolle belegen. Buchhalter der ZAK ist Daniel Joos, der zugleich auch Finanzchef und Geschäftsleitungsmitglied der Wirtschaftskammer ist. Zudem: Die angeblichen Mitarbeiter der ZAK sind gar nicht bei dieser Firma angestellt, sondern bei der AMS Arbeitsmarkt-Services AG. Die AMS wiederum gehört zur Wirtschaftskammer. Damit sind die ZAK-Mitarbeiter zwar nicht streng juristisch, aber de facto der Wirtschaftskammer und ihrem Direktor Buser unterstellt.
Einsicht wurde nicht gewährt
Ein paar Monate nachdem Gysin für Buser den Kopf hinhielt, teilten das Staatssekretariat für Wirtschaft und die Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion am 1. November 2016 mit, dass bei der Buchführung der ZAK zwar «Mängel» vorhanden seien, die überwiesenen Beträge für die Jahre 2010–2013 jedoch «gerechtfertigt» waren. Und: «Die Vermutung, es seien gegenüber den Behörden falsche oder zu tiefe Löhne der Kontrolleure ausgewiesen worden, bestätigte sich nicht», hiess es in der Medienmitteilung.
Als ein Journalist des «Regionaljournals» von Radio SRF 1 um Einsicht in den Schlussbericht der KPMG bat, der angeblich die unproblematische Arbeitsweise der Wirtschaftskammer, der AMS und der ZAK belegen soll, blockten die Behörden in Bern ab. Nun muss das Bundesverwaltungsgericht entscheiden, ob das Staatssekretariat für Wirtschaft den vertraulichen KPMG-Bericht herausgeben muss oder nicht.
Fakt ist: Der Bund und die Wirtschaftskammer wehren sich mit Anwälten gegen die Veröffentlichung dieses angeblich entlastenden Untersuchungsberichtes. Dennoch sind in der TagesWoche bereits erste Details publiziert worden. Nun liegt der KPMG-Bericht der BaZ vor. Wir haben den 50 Seiten umfassenden Schlussbericht sowie den umfangreichen Anhang gesichtet. Dabei zieht sich etwas durch die ganze Untersuchung wie ein roter Faden: das Fehlen von Originalbelegen. Weite Teile des Berichts fussen also auf blossen Äusserungen des Buchhalters Joos oder auf für Dritte aufbereiteten Unterlagen. Ob diese Auskünfte korrekt waren oder nicht, hat die KPMG jedoch nicht geprüft.
Wurden Kontrollstunden teilweise schlichtweg erfunden?
Die Liste der Verfehlungen ist dennoch lang. Diesbezüglich tritt aber auch eine Schwäche des Schlussberichtes hervor: Dort, wo sich weitere Fragen stellen, bohrte die Abteilung Forensik der KPMG nicht weiter. Ein Beispiel: Ein Mitarbeiter weist 827 Arbeitsstunden aus, welche dem Steuerzahler mit 41 350 Franken in Rechnung gestellt werden. Seltsam: Im selben Zeitraum weilte der gleiche Mitarbeiter in der Rekrutenschule, konnte also keine Schwarzarbeitkontrollen durchführen.
Daraus stellt sich notgedrungen die Frage, ob diese und vielleicht auch weitere aufgeführte Kontrollstunden nicht bloss erfunden wurden. Ebenfalls bleibt unklar, ob Busers Firmennetz einerseits für die fiktiven Arbeitsstunden Steuergelder kassierte und gleichzeitig für denselben Mitarbeiter Erwerbsersatz. Diese Fragen lässt der KPMG-Bericht unbeantwortet.
In dieser Form geht es weiter. Auch Christoph Buser taucht im Zusammenhang mit einer ausserordentlichen Zahlung von 24 762 Franken im Bericht auf. Die Überweisung des Geldbetrags wurde, wie die KPMG festhält, kurz vor der Jahresrevision sistiert. Dazu heisst es: «Die detaillierten Beweggründe bei ursprünglicher Buchung erschliessen sich uns aus den vorliegenden Unterlagen nicht.» Buser spricht auf Anfrage von einer «fälschlicherweise» der ZAK verrechneten Buchung, die «umgehend storniert» worden sei.
Aber auch ganz grundsätzlich wirft die Firmenstruktur Fragen auf. Der 2015 aufgedeckte Unterschied zwischen den bei der ZAK verbuchten Löhnen und den tatsächlich ausbezahlten Löhnen der Kontrolleure rührt daher, dass diese Personen allesamt bei der AMS Arbeitsmarkt-Services AG angestellt sind.
Diese verleiht das Personal mit einer Marge für sich. So fliessen also Steuergelder erst zur ZAK und von dort zu Busers AMS. Nicht nur das: Eine Firma wie die AMS, welche Personal verleiht, benötigt eine Bewilligung des Staatssekretariats für Wirtschaft. Doch die AMS hat keine solche Bewilligung. Wie es aus Verwaltungskreisen heisst, kann Buser dieses Bewilligungsproblem offenbar umgehen, wenn die Firma nicht nur als Personalverleih auftritt. Konkret, und auch das zeigt der KPMG-Bericht auf, liefert die AMS nicht bloss das Personal, sondern einfach alles, also auch so banale Dinge wie Bleistifte oder eine Computermaus. Ob die AMS folglich wie beim Personal auch auf die Miete, auf die Firmenautos und auf das Büromaterial eine Marge erhob, bleibt unklar.
Ungereimtheiten auch bis 2016
Damit nicht genug: In denselben Räumlichkeiten, in der die ZAK untergebracht ist, sind weitere wirtschaftskammernahe Unternehmen wie etwa die ZPK, die gleich organisiert ist wie die ZAK, aber die Einhaltung von Gesamtarbeitsverträgen kontrolliert. Die Forensiker der KPMG kritisieren, dass für die Jahre 2010–2013 die ZAK mit drei Mitarbeitern 70 Prozent der Kosten unter anderem für die Miete bezahlte, während die ZPK mit acht Mitarbeitern lediglich 30 Prozent der Kosten übernahm. Aufgrund des fehlenden Verteilschlüssels kam die KPMG der nicht nachvollziehbaren Buchhaltung der ZAK, AMS und Wirtschaftskammer auf die Spur. Fälschlicherweise behauptet dann aber die KPMG in ihrem Schlussbericht, dass ab 2014 der Verteilschlüssel wieder stimme.
Uns liegen die Jahresberichte der ZAK und ZPK für die Jahre 2014–2016 vor. Wir haben die Zahlen verglichen und das Resultat ist eindeutig: Wiederum hat die ZAK mit nur drei Mitarbeitern 70 Prozent der Kosten, etwa bei der Miete, getragen. Während hingegen die ZPK mit ihren acht Angestellten lediglich 30 Prozent übernahm. Das bedeutet also, dass nicht nur die Buchhaltung des Wirtschaftskammer-Netzwerkes für die Jahre 2010 bis 2014 problematisch geführt wurde, sondern auch für die Jahre 2015 und 2016 nicht plausibel ist.
Auf Anfrage weist Wirtschaftskammer-Direktor Christoph Buser weiterhin seine Mitverantwortung für die Missstände bei der Schwarzarbeitkontrolle zurück. Er habe weder bei der ZAK noch bei der AMS eine «operative oder sogar eine Organposition» innegehabt. Und: «Wenn ich mit Vertretern der Verwaltung Kontakt hatte, dann war das ausschliesslich in meiner Funktion als Arbeitgebervertreter in den sozialpartnerschaftlichen Geschäften, die ich als Direktor der Wirtschaftskammer innehabe.»
Die Liste der Verfehlungen
Was belegt der KPMG-Bericht und welche Punkte blieben ungeklärt? Eine Auswahl:
– Verteilung Betriebskosten: 2010 bis 2013 kein «einheitlich angewandter Verteilschlüssel zur Kostenumlage» erkennbar. Gemäss «mündlichen Aussagen» erfolgte Kostenzuteilung «pauschal» und «aufgrund von Schätzungen» sowie «ohne weiterführende Dokumentationen».
– Gelder für Prävention: «Dieser Gelddurchfluss ist (…) für einen aussenstehenden Dritten nicht erkennbar.»
– Mietkosten: Von der AMS an ZAK verrechnete Mietkosten sanken von 33 600 Franken (2010) auf 15 652 Franken (2014), obwohl die ZAK am selben Ort blieb. Offen ist: Kam der Steuerzahler über Jahre für überrissene Mietkosten auf? Wie hoch war die Marge der AMS?
– Keine Belege für angegebene angebliche Weiterbildungskosten von 10 402 Franken.
– Betriebskosten: «In den uns zur Verfügung gestellten Unterlagen der ZAK waren in der Regel keine Original- oder Urbelege vorhanden, anhand welcher wir die originären in Rechnung gestellten Kosten erkennen konnten.»
– «Mehrfach wurden wir (…) darauf hingewiesen, dass gewisse Kosten pauschal von der AMS an die ZAK umgelagert wurden und dafür keine Originalrechnungen existieren würden.» «Entsprechende ‹Schnittstellendokumente› zur Verrechnung von Kosten der AMS an die ZAK wurden uns vorgelegt. Eine erneute Anfrage um Einsichtnahme in die Urbelege wurde mit Hinweis auf die Pauschalverrechnungen von der ZAK (…) abgelehnt.»
– Verbuchte Arbeitsstunden: Mitarbeiter W «hat für seine Abwesenheit während der Rekrutenschule pauschal 827 Stunden zulasten der ZAK gebucht.» Zudem wurden für Mitarbeiter H 712 Stunden mit dem Vermerk «Aufhebungsvereinbarung» eingetragen. «Diese Stunden wurden ohne eine für uns erkennbare Arbeitsleistung von der AMS an die ZAK (…) weiterverrechnet. Total der Kosten zulasten der ZAK, also des Steuerzahlers: 84 070 Franken. Zudem liegen der KPMG keine Informationen vor, ob für Mitarbeiter W zusätzlich der Erwerbsersatz vergütet wurde. Offen ist: Hat das Firmengeflecht doppelt verdient?
– Unter Abzug der eben genannten angegebenen Arbeitszeiten ohne Arbeitsleistungwurden die in der Leistungsvereinbarung mit dem Kanton vereinbarten «minimalen Stellenprozente» «knapp nicht erfüllt».
– Lohnaufwände: «Die AMS-internen Dokumente wurden gemäss Stellungnahme der ZAK nachträglich und zu Anschauungszwecken für Dritte erstellt. Die AMS habe jedoch zu keinem Zeitpunkt eine effektive Abrechnung der Stundenleistungen angewandt (…).» Offen bleibt damit die Frage, ob Stundenabrechnungen fingiert wurden.
– Unter dem Strich sind die von der AMS der ZAK verrechneten Lohnkosten96 630 Franken höher als die effektiven Lohnkosten.
– Verrechnung Betriebskosten: «Die Umlagerung von gewissen Kosten der AMS an die ZAK erfolgte seit 2014 grundsätzlich nach einem festgelegten Verteilschlüssel.» Fehler der KPMG: Die Betriebskosten etwa für Miete sind 2014 immer noch viel zu hoch. Dasselbe gilt für die Jahre 2015 und 2016, wie die Jahresberichte belegen.
– «Die AMS hatte der ZAK eine Weinbestellung in Rechnung gestellt (2778 Franken), wobei es sich dabei aussagegemäss um Weihnachtsgeschenke an die Vorstandsmitglieder des Vereins ZAK handeln soll.»
– Gründungskosten: Stundenaufwand von total zehn Personen in der Höhe von 78 991 Franken. «Welche konkreten Leistungen von diesen Personen dabei im Detail erbracht wurden, konnten wir anhand der uns vorgelegten Dokumentationen nicht erkennen.»
– Gründungskosten von 86 059 Franken wurden an den Steuerzahler überwälzt. «Dem Bundesgesetz gegen Schwarzarbeit (…) und auch den uns vorliegenden Leistungsvereinbarungen entnehmen wir keine Grundlage zur Übernahme der Gründungskosten einer Kontrollorganisation durch die öffentliche Hand.»
– Prävention: «Zusammenfassend bemerken wir, dass im Geschäftsjahr 2014 Betriebskosten von total 115 000 Franken (…) für Präventionsbemühungen anfielen, welche nach unserem Verständnis des Bundesgesetzes (…) nicht explizit unter die Kontrolltätigkeit zur Bekämpfung der Schwarzarbeit fallen.» Der Bericht beantwortet aber nicht, was diese offenbar nicht legitimierte Zahlung bedeutet.
– Organisations- und Repräsentationskosten(u. a. Entschädigung Vorstand) von total 75 373 Franken. «Auf Basis der uns vorliegenden Dokumente können wir nicht abschliessend beurteilen, ob diese Kosten von der öffentlichen Hand abzugelten sind.»
– Stornierte Buchungen: Kurz vor einer Finanzrevision wurden unter anderem Buchungen von 24 762 Franken für Sonderanwendungen storniert. Darunter Geld für Christoph Buser. «Die detaillierten Beweggründe bei ursprünglicher Buchung erschliessen sich uns aus den vorliegenden Unterlagen nicht.»
– Geschäftsauto: Keine Dokumentation der Kosten, «für aussenstehende Dritte (...) nicht nachvollziehbar», keine Belege für Nutzung des Autos für Kontrolltätigkeit. KPMG hat «auf Nachfrage vor Ort von der AMS keine Urbelege erhalten». Richtigkeit der Kosten kann KPMG «nicht abschliessend beurteilen».
– Fazit KPMG: «Wir stellen für sämtliche Buchungen der vorliegenden Stichproben fest, dass uns keine originalen Urbelege vorgelegt wurden, welche uns ermöglicht hätten, die Kosten auf Stufe AMS weiter zu validieren. (...) wir können nicht abschliessend beurteilen, ob die in der Buchhaltung der AMS aufgeführten Kosten entsprechend angefallen und ordnungsgemäss verbucht wurden.»
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