
Nach einem Monat Pause geht die Formel 1 am Wochenende mit dem Grossen Preis von Aserbaidschan in Baku weiter. Und wenn ich ganz ehrlich bin, dann waren die ersten Rennen der neuen Saison teilweise sehr spektakulär. Aber: Red Bull ist den anderen Teams bereits jetzt wieder deutlich überlegen.
Der Mercedes ist bislang ein Flop, das muss man einfach so klar sagen. Und Ferrari hat eigentlich ein schnelles Auto, wie man in einzelnen Runden immer wieder sieht. Aber sie schaffen es nicht, das Potenzial immer auf die Strecke zu bringen. Darum stehen Max Verstappen und Sergio Pérez in der WM-Wertung oben.
Es ist ein Duell, das Spannung verspricht. Denn zwischen dem Holländer und dem Mexikaner brodelt es schon seit längerer Zeit. Red Bull hat das Thema zwar medial sehr klein gehalten. Aber ich habe das Gefühl, dass die Situation zwischen den beiden jederzeit explodieren könnte. Das zeigen die Vorfälle der letzten Jahre.
«Zwischen dem Holländer Verstappen und dem Mexikaner Pérez brodelt es schon seit längerer Zeit.»
In der Vorsaison war Verstappen so sauer auf Pérez, dass er ihn beim Grossen Preis von Brasilien nicht überholen liess – trotz mehrmaliger Aufforderung von Teamchef Christian Horner. Und das alles, weil Pérez zuvor im Qualifying von Monaco einen Unfall gebaut hatte, wegen dem Verstappen die Pole verpasste.
Nach dem Rennen in Saudiarabien vor wenigen Wochen schnappte Verstappen seinem Teamkollegen kurz vor Schluss den Extrapunkt für die schnellste Rennrunde weg, obwohl von der Boxenmauer das Signal kam, das Auto nicht mehr zu belasten. Zudem würdigte Verstappens Vater Pérez nach dessen Sieg keines Blickes.
Wenn man diese Szenen sieht, dann ist für mich klar: Verstappen und Pérez sind keine Freunde. Dafür sind die beiden auch viel zu unterschiedlich: Verstappen ist – und war schon immer – extrem ehrgeizig. Pérez hingegen gilt als Familienmensch und ist darum auch an den Rennwochenenden nicht immer mit dem Team unterwegs.

Ich muss es an dieser Stelle aber ganz klar sagen: Sergio Pérez ist für mich eine klare Nummer 2! Er hat zwar gewisse Vorteile auf Stadtkursen wie in Baku oder Monaco. Und in der letzten Saison war er auf manchen Strecken schneller, als das neue Auto zu Beginn eher seinem Fahrstil entsprach als dem von Verstappen.
Aber grundsätzlich muss man einfach anerkennen, dass Verstappen der bessere Fahrer der beiden ist. Er findet auf jeder Strecke die Zehntelsekunden, die andere Fahrer nicht finden. Darum ist für mich auch klar, dass er an der Seite von nahezu jedem anderen die Nummer 1 ist.
Es ist nicht einfach, neben einem Fahrer wie Verstappen zu bestehen. Er frisst seine Teamkollegen regelrecht auf. Daniel Ricciardo hat damals bei RB gekündigt, weil das Team klar auf den noch jungen Verstappen setzte. Auch Pierre Gasly und Alex Albon sind an der Seite von Verstappen regelrecht zerbrochen.
Darum hat man 2021 mit Pérez einen gestandenen Fahrer verpflichtet, der diesem Druck standhalten kann. Der Mexikaner hat die Chance bekommen, zum ersten Mal im schnellsten Auto zu sitzen. Im Gegenzug muss er damit leben, die Nummer 2 zu sein – auch wenn er vielleicht das Gefühl hat, den Titel gewinnen zu können.
«Auch Pierre Gasly und Alex Albon sind an der Seite von Verstappen regelrecht zerbrochen»
Die Formel 1 hat immer davon profitiert, wenn sich zwei Fahrer im schnellsten Auto auf der Strecke bekämpften. Das war bei Mercedes mit Lewis Hamilton und Nico Rosberg der Fall. Und früher auch bei der Rivalität zwischen Ayrton Senna und Alain Prost im Honda McLaren, die 1989 im Unfall in Suzuka gipfelte.
Und ich finde es auch gut so. Wenn ein Team den anderen überlegen ist, dann sollten die beiden Fahrer aufeinander losgehen können, solange es dabei fair bleibt. Es steigert den Unterhaltungswert, wenn man sieht, dass auch die gleichen Autos auf der Strecke alles gegeneinander geben und es keine Stallorder gibt.
Nicht so wie 2002, als Michael Schumacher und Rubens Barrichello im Ferrari die besten Fahrer waren und sich ein Duell auf Augenhöhe lieferten. Damals kam beim Rennen in Österreich aber der Befehl des Rennstalls, dass der Brasilianer den Deutschen passieren lassen müsse. Das geht so nicht! Das schadet der Formel 1!
Ich weiss allerdings auch, wie sich das Leben als Nummer 2 anfühlt: Als ich 1985 zu Brabham kam, war ich plötzlich in einem Team mit Nelson Piquet. Der war zu dem Zeitpunkt schon zweifacher Weltmeister und es war klar, dass ich mich ihm unterzuordnen hatte.
Ich habe schnell gespürt, was das heisst: Wenn ich die bessere Reifenmischung hatte, wurde Nelson unruhig und übernahm meine Reifen. Wenn ich mal schneller war, fragte er direkt bei unserem Motorlieferanten nach: Wieso hat er mehr Leistung als ich? Er konnte nicht damit umgehen, dass ich schneller war.
Wir hatten keinen Streit, das nicht. Aber es war klar, dass wir Konkurrenten waren, obwohl wir für den gleichen Rennstall fuhren. Das hat er mir jederzeit zu verstehen gegeben, und mit dieser Situation muss man erst mal klarkommen. So wie auch Pérez an der Seite von Verstappen damit klarkommen muss.
«In die Formel 1 schafft man es überhaupt nur, wenn man zu grossen Teilen ein Egoist ist.»
Ich freue mich darauf, wie das interne Duell zwischen den beiden Red-Bull- Fahrern weitergeht. Ich hoffe, dass sie ihren Zweikampf offen austragen können und am Ende die Fans davon profitieren. Aber klar ist auch: Die Situation bleibt angespannt, denn Verstappen und Pérez werden zuerst auf ihren eigenen Erfolg schauen.
Denn in die Formel 1 schafft man es überhaupt nur, wenn man zu grossen Teilen ein Egoist ist.
Der Baselbieter Marc Surer (71) ist ehemaliger Formel-1-Pilot und verfolgt die Königsklasse des Motorsports heute intensiv als Experte und SRF-Kommentator. Er berichtet regelmässig für die BaZ.
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