Verschleppte Asylgesuche: Erste Ergebnisse entlasten Bundesräte
Die ersten Resultate der Untersuchung zu den verschleppten Asylgesuchen entlastet Blocher und Widmer-Schlumpf. Ob die Schweiz gegen geltendes Recht verstossen hat, ist noch zu klären.

Noch vor den Bundesratswahlen hat der Bundesrat gestern Mittwoch einen ersten Bericht zu den tausenden verschleppten Asylgesuchen von Irakern aus den Jahren 2006 bis 2008 veröffentlicht. Der Bericht arbeitet die Fakten auf, eine rechtliche Beurteilung folgt später.
Der Bundesrat habe an seiner gestrigen Sitzung entschieden, die ersten Resultate der Öffentlichkeit vorzustellen, heisst es in einer Mitteilung von heute. Ein Schlussbericht soll wie vorgesehen Ende Jahr vorliegen. Mit den Untersuchungen betraut ist der ehemalige Bundesrichter Michel Féraud, der in den letzten Wochen mehrere involvierte Personen befragt hat.
Keine Vereinbarung mit UNO
Den Personen, die in Syrien oder Ägypten ein Asylgesuch an die Schweizer Botschaften sandten, habe keine Rückschiebung gedroht, kommt der Zwischenbericht zum Schluss. Das Bundesamt für Migration (BFM) habe Ende 2006 davon ausgehen können, dass die Gesuchsteller in Syrien und Ägypten «effektiven Schutz finden können» und sie nicht unter Verletzung der Flüchtlingskonvention zurückgeschickt werden. Damit wäre das «Non-Refoulement-Prinzip» nicht verletzt.
Eine Vereinbarung mit der Flüchtlingsorganisation UNHCR, die auf eine Empfehlung zur Nichtbehandlung der Gesuche hinausgelaufen wäre, gab es indes nicht. Übereinstimmend wird lediglich von einer Anregung der UNO-Organisation gesprochen, die Flüchtlinge sollten zur Registrierung beim UNHCR ermuntert werden.
Blocher nur mündlich informiert
Nachdem bekannt wurde, dass Gesuche schubladisiert wurden, stand vor allem auch die Frage im Raum, welche Kenntnisse die betroffenen Justizminister Christoph Blocher (SVP, 2003-2007) und Eveline Widmer-Schlumpf (BDP, 2007-2010) von den Vorgängen hatten.
Die Befragung der ehemaligen Amtsdirektoren ergab laut Bericht, dass Blocher 2006 schriftlich informiert wurde, dass die Gesuche in der Schweiz behandelt werden sollten. Soweit kam es jedoch nie. Darüber wurde Blocher höchstens mündlich informiert. Der damalige Amtsdirektor Eduard Gnesa erinnert sich jedoch nicht mehr genau daran.
Widmer-Schlumpf wohl nicht im Bild
Widmer-Schlumpf wurde sehr wahrscheinlich auch nicht zu den Vorgängen orientiert. Im August 2008 sei Widmer-Schlumpf zwar «über die nicht prioritäre Behandlung der nicht dringlichen Botschaftsgesuche informiert worden», sagte der damalige BFM- Direktor Gnesa.
Ob dabei auch die Sonderregel für die Gesuche aus Damaskus und Kairo zu Sprache kam, konnte Gnesa nicht mehr sagen. Spätere Amtsdirektoren gaben an, sie hätten mit Widmer-Schlumpf nie über das Thema gesprochen. Auch Sommaruga war vom mittlerweile abgetretenen Amtsdirektor Alard du Bois-Reymond nicht direkt informiert worden.
Rund 8000 Betroffene
In Du Bois-Reymonds Amtszeit fällt auch der Entscheid, die anfänglich nicht behandelten Gesuche dennoch zu behandeln. Sie wurden laufend registriert, ein Grossteil wurde abgeschrieben, weil keine Adresse vorlag, und ein kleinerer Teil wurde behandelt.
Sommaruga stoppte diese Arbeiten im Sommer, um die Affäre aufzuarbeiten und das weitere Vorgehen sauber abzuklären. Insgesamt handelt es sich laut Bericht um rund 3410 Briefe, die zum Teil jahrelang unbearbeitet im Keller des BFM lagen. Sie könnten rund 8000 Personen betreffen. Zunächst war die Rede von bis zu 10'000 Gesuchen.
Rechtliche Fragen noch offen
Die Schweiz ist international in einer Sonderstellung, weil sie es zulässt, dass Flüchtlinge Gesuche auf Botschaften einreichen. In der Bundesverwaltung wurden deshalb mehrmals Bedenken laut, die Schweiz verstosse mit der Nicht-Behandlung der Botschaftsgesuche aus Syrien und Ägypten gegen geltendes Recht. Auf diese Frage wird der Schlussbericht eingehen.
Eveline Widmer-Schlumpf wich heute vor den Medien der Frage aus, ob sie als frühere Justizministerin über die Angelegenheit hätte informiert sein müssen. Ob die Abläufe hätten anders sein sollen, sei nun am ehemaligen Bundesrichter Féraud zu beurteilen, sagte sie. Für sie selber wichtig sei, dass die betroffenen Personen keinen Schaden genommen hätten.
SDA/ami
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