Verrat? Quatsch!
Der Wechsel von Denis Hollenstein zum ZSC erhitzt die Gemüter. Das liegt auch an der fehlenden Kommunikation der beiden Clubs.
Natürlich wissen sie in Kloten, dass der Abgang des Captains zum ZSC hochbrisant ist. Sonst hätte der Spieler selbst nicht vor Wochenfrist noch behauptet, er wolle seinen Vertrag bis 2020 unbedingt erfüllen. Sonst hätte es nicht acht Tage gedauert, bis sich die Beteiligten zur einzig vertretbaren Reaktion durchrangen: alle Karten auf den Tisch zu legen. Denis Hollenstein verlässt Kloten Ende Saison, er hat einen Fünfjahresvertrag beim ZSC unterschrieben.
Dass der Deal erst am Sonntag nach dem Derby über die Bühne ging, kann ausgeschlossen werden. Man wollte wohl einfach nicht zusätzliches Öl ins Feuer giessen vor dem Aufeinandertreffen der beiden Rivalen. Um Unruhe zu vermeiden. Vielleicht auch, um das Vorgehen am Montag zeitlich abzustimmen. Zuerst die Meldung von Kloten, dass Hollenstein den Club verlasse – schön versteckt am Ende der Medienmitteilung, die den Zuzug von Timo Helbling verkündete. Dann die Bestätigung des ZSC, in der Sportchef Sven Leuenberger über seinen Zuzug sagte: «Wir werden von ihm Leadership erhalten.»
Kloten wirbt für seinen Zuzug Helbling mit demselben Argument. «Timo ist ein Leader auf und neben dem Eis», versprechen sie beim EHC. So weit die PR-Arbeit auf beiden Seiten.
Sie kommt viel zu spät.
Eine ganze Woche lang rauschte der Schweizer Blätterwald, wurde auf Online-Portalen, in Fan-Foren und an Stammtischen darüber spekuliert, ob der Deal nun gemacht sei oder nicht, ob Hollenstein nun gelogen habe oder nicht, ob sein Abgang Verrat sei oder nicht, ob man einen wie ihn überhaupt wolle oder nicht. Im Hallenstadion hängten Fans Transparente auf gegen den Hollenstein-Transfer – und wurden vom Gros des Publikums ausgepfiffen. In Kloten schwiegen die Fans lieber – in der Hoffnung vielleicht, es bleibe alles beim Alten.
Ein Abgang auf allen Ebenen
Doch eben: Hollenstein geht, und das ist nur folgerichtig. Denn beim EHC kann einer, der zu den besten Stürmern des Landes gehört, keine sportlichen Ziele mehr haben. Der Club schaut in erster Priorität aufs Budget – und bei den Ertragsmöglichkeiten in Kloten ist das Erreichen des Playoffs die höchste Ambition. Einer wie Hollenstein passt da schon lohnmässig nicht mehr dazu.
Der Abgang des 28-Jährigen ergibt also sportlich wie wirtschaftlich Sinn. Dass er trotzdem so polarisiert, liegt daran, dass es eben ein Abschied auf allen Ebenen ist.
Für die Klotener Fans ist es der Abschied von der Hoffnung, dem ZSC noch gewachsen zu sein. Es ist der Abschied von einem, der seine Juniorenzeit beim EHC verbrachte, zum Nationalspieler wurde und aus zwei Gründen zur Symbolfigur wurde, für die er gar nichts kann. Weil er der Sohn von Felix Hollenstein ist, dem Leitwolf der Klotener Meisterjahre. Und weil er Captain ist – eine Aufgabe, die er kaum ablehnen konnte, als sie ihm Sean Simpson nach dem überraschenden Rücktritt von Victor Stancescu vor zwei Jahren übertrug.
Dabei ist Denis Hollenstein ganz anders als sein Vater: auch ein Vorkämpfer auf dem Eis, aber daneben eher leise, fast introvertiert. Dass Captain Hollenstein zum ZSC wechselt, bedeutet darum vor allem den Abschied von einer romantischen Eishockeywelt, in der zwischen Gut und Böse noch klar unterschieden werden konnte. Wie kann man aber einem böse sein, der für sich selbst die beruflich beste Perspektive und für seine junge Familie maximale Sicherheit sucht?
Der Abschied von der verklärten Vergangenheit ist auch beim ZSC-Anhang ein Thema, wie die Geschichte mit den Transparenten zeigt. Vor zwanzig Jahren, als Kloten die Stadtzürcher sportlich dominierte, war noch Vater Felix die grosse Reizfigur im Hallenstadion. Und hätte doch fast gewechselt, blieb nur dank einer Lohnerhöhung beim EHC. Auch im letzten Jahrtausend musste am Ende eben beides stimmen: das Geld wie die sportliche Perspektiven.
Zu glauben, Denis Hollenstein habe eine moralische Verpflichtung, seinem Stammclub treu zu bleiben, ist nicht nur unzeitgemäss, sondern Quatsch. Wer weiss, vielleicht enthielt sein Vertrag eine Ausstiegsklausel. Sicher hat er auch egoistisch gehandelt. Aber wer im Profisport tut das nicht? Hollenstein zeigt bloss ein Verhalten, wie es im Berufsleben überall erwartet wird: persönlichen Ehrgeiz und nach aussen Loyalität. Dass er behauptete, auf jeden Fall beim EHC bleiben zu wollen, war so unwahr wie logisch.
Und so mag es schlecht zu einem Captain passen, dass er vorzeitig geht. Doch Wörter wie Captain, Leader oder Loyalität sind im Sport-Business ohnehin schon lange ausgehöhlt. Für Kloten geht es jetzt nur darum, den Abgang Hollensteins mit positiven Meldungen zu versüssen. Denn eines kann man nicht mehr ändern: Der EHC verliert seinen wichtigsten Stürmer. Und das ist bitter genug.
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