Wochenduell: Schweizer NationalmannschaftVerpasst die Schweiz nach Xhakas Ausfall nun die WM?
Der zentrale Mittelfeldspieler fällt aufgrund einer Knieverletzung bis Ende Jahr aus. Trainer Murat Yakin, der Xhaka als «unersetzlich» bezeichnet, muss sich etwas einfallen lassen.

Ja: Xhaka ist für das Nationalteam nicht zu ersetzen – auf Mentalitäts- und Leistungsebene
Die Bilanz der Schweizer Nationalmannschaft bei den Qualifikationsspielen für die WM nächstes Jahr in Katar: vier Spiele, aus denen zwei Siege und zwei Unentschieden resultierten, dazu Platz zwei in der Tabelle hinter Europameister Italien. Die beiden Siege stammten aus dem März gegen Bulgarien und Litauen. Damals noch auf dem Platz: Granit Xhaka. Der 29-jährige Mittelfeldspieler von Arsenal fehlte zuletzt aber aufgrund eines positiven Corona-Tests bei den torlosen Begegnungen gegen Italien und Nordirland im September und wird es verletzungsbedingt erneut tun, wenn die Schweiz am Samstag und Dienstag die Rückspiele gegen Nordirland und Litauen bestreitet.
Wirkt sich die Absenz von Xhaka erheblich auf die Leistungen der Schweiz aus, und führt sie sogar dazu, dass das Team die Qualifikation für die WM verpasst? Fakt ist, auf Mentalitätsebene stellt Granit Xhaka einen unverzichtbaren Faktor für das Schweizer Team dar. Er ist der Leitwolf, er ist der Leader, er ist der Captain. Unvergessen sind die Bilder aus dem diesjährigen EM-Achtelfinal-Spiel gegen Frankreich, wie Xhaka in der Mitte des Spielerkreises stehend sein Team wild gestikulierend auf das kommende Elfmeterschiessen einstimmt.
Auf ihn wird gehört, seine Präsenz ist wesentlich für den Teamgeist der Nationalmannschaft. Er gibt dem Schweizer Mittelfeld die nötige Ruhe und Passsicherheit, leitet Angriffe ein, ist das essenzielle Bindeglied zwischen Defensive und Offensive und ist selbst immer wieder für einen gefährlichen Torabschluss gut. Auch wenn der Arsenal-Legionär manchmal etwas zu motiviert und überhastet agiert und auch seine Aktionen nicht immer souverän wirken, wodurch ihm von den Fans bereits die eine oder andere Welle des Unmuts entgegenschlug, hat er sich in seinen nun schon zehn Jahren beim Nationalteam als unverzichtbare Stammkraft etabliert. 98 Länderspiele sprechen dabei eine deutliche Sprache.
Er steht sinnbildlich für den Leistungsaufschwung der Schweiz, die seit 2014 keinen Grossanlass mehr verpasst hat und dieses Jahr bei der Europameisterschaft den amtierenden Weltmeister aus dem Turnier warf. Seine Abwesenheit wird dem Team bei den restlichen Qualifikationsspielen zweifellos wehtun. Daniel Schmidt
Nein: Granit Xhaka ist defensiv fehleranfällig und offensiv harmlos. Das Nationalteam wird diesen Ausfall gut verkraften können.
Aufgrund einer Verletzung fehlt Granit Xhaka der Schweizer Nationalmannschaft in den WM-Qualifikationsspielen gegen Nordirland, Litauen, Italien und Bulgarien – und das ist gut so.
Der Schweizer Mittelfeldspieler von Arsenal ist masslos überschätzt und polarisiert, auf und neben dem Platz. Die Fans nerven sich über seine gefärbten Haare, seine gewagten Aussagen und seine Einstellung zur Covid-Impfung. Die Zuschauer bewundern gleichzeitig seine Präsenz auf dem Platz, seine Erfahrung mit erst 29 Jahren. Und dennoch ist Granit Xhaka für Arsenal und das Nationalteam nicht die Verstärkung, für die ihn einige Medien und Experten halten.
Granit Xhaka ist fehleranfällig. In seiner ersten Saison bei Arsenal unterliefen ihm acht grobe Schnitzer, die zu direkten Gegentreffern führten. Das war negativer Bestwert in der Premier League. Granit Xhaka fehlt die Genauigkeit. In der Saison 2017 beispielsweise kamen bei keinem anderen Spieler in der höchsten englischen Liga so viele Pässe beim falschen Mann an. Und Granit Xhaka hat seine Nerven nicht im Griff. Seit er bei Arsenal unter Vertrag steht, wurde er viermal direkt vom Platz verwiesen, zuletzt nach einem rüden Foul in der Partie gegen Manchester City Ende August, woraufhin sein Team mit 0:5 unterging. «Hirnlos» wurde Xhaka von englischen TV-Kommentatoren schon genannt und als «tickende Zeitbombe» bezeichnet.
All diese Fehler und Schwächen kann Xhaka nicht mit Stärken ausgleichen. Er verschleppt immer wieder das Spiel, ihm fehlt das Gefühl fürs Tempo, und offensiv ist er total ungefährlich. Die ersten drei Meisterschaftspartien verlor Arsenal mit Xhaka auf dem Platz allesamt, in den darauffolgenden zwei Spielen ohne Xhaka siegten die Londoner. Und nachdem Xhaka am 24. August seinen Vertrag beim englischen Club vorzeitig bis 2024 verlängerte, mischte sich unter die Kommentare auf den sozialen Medien auch viel Kritik und Hass.
Und in der Nationalmannschaft? Trainer Murat Yakin sagte, nachdem die Verletzung von Xhaka bekannt wurde, dass sein Captain «unersetzlich» sei, da er «der Anführer, der lautstark dirigiert, der die Mannschaft zusammenhält» sei. Und mit Letzterem hat Yakin durchaus recht. Xhaka ist laut, Xhaka dirigiert, Xhaka kann eine Partie vom zentralen Mittelfeld aus lesen. Doch macht das einen zentralen Mittelfeldspieler zu jemandem Besonderen? Macht ihn das unersetzlich? Definitiv nicht.
Als Xhaka positiv auf Corona getestet wurde und zuletzt gegen Italien fehlte, rutschte FCB-Mittelfeldspieler Fabian Frei in dessen Rolle und machte seine Sache gut. Und als Xhaka im EM-Viertelfinal gegen Spanien gesperrt war (wegen Reklamierens), fehlten im Schweizer Spiel weder Ordnung noch Tempo. Auch in den kommenden WM-Qualifikationspartien wird man den lauten Mann im Zentrum nicht vermissen. Tobias Müller
* Das Wochenduell: Die «Basler Zeitung» stellt sich ab sofort in regelmässigem Abstand Themen, die die Sportwelt bewegen – und beleuchtet dabei in einem Pro und Kontra beide Seiten. Zuletzt erschienen: Soll der FCB den Vertrag mit Fabian Frei verlängern?Hat der Laver-Cup ohne den Spieler Roger Federer eine Zukunft?Braucht es eine Fussball-WM alle zwei Jahre?Hat SRF das Tennis zu früh abgeschrieben?War das der verrückteste Transfersommer in der Geschichte?
Fehler gefunden?Jetzt melden.