
S isch dr Plausch! Ich habe das Trottinett entdeckt. Beziehungsweise wiederentdeckt. Nach dem Dreirad war das Trotti das zweite Fahrzeug in meiner mobilen Karriere. Das ist natürlich ein paar Tage her. Heute muss man ja nicht mehr mit dem Fuss angeben, die Trottis haben Motörli. Und besitzen muss man es auch nicht mehr: Per Handy und App leiht man sich einfach eines aus und düst davon.
Ich muss zugeben: Meine Fahrkünste halten sich noch in Grenzen. Als Bus-Chauffeur bin ich es bekanntlich gewohnt, dauernd irgendjemandem zuzuwinken. Das klappt mit dem Trotti noch nicht. Denn mit der rechten Hand muss ich Gas geben und mit der linken mich im Gleichgewicht halten. Seid also nicht beleidigt, liebe Freundinnen und Freunde, wenn ich nicht winke, sondern nur nicke und etwas verkrampft lächle.
Tödliche Krankheiten
Nun gut, ich bin nicht der Einzige, dem es so ergeht. Wenn ich sehe, was auf unseren Strassen unterwegs ist, dann wird mir angst und bange. Und ich sehe viel. Schliesslich bin ich täglich sieben, acht Stunden in der Stadt unterwegs. Also nicht mit dem Trotti, sondern mit dem Bus. Da frage ich mich oft: Warum gibt es eigentlich keine Impfung gegen fahrlässiges, aggressives, desaströs schlechtes und lebensgefährliches Verhalten im Verkehr?
Mal ehrlich: Seit über einem Jahr werden wir vom Staat auf Gesundheit getrimmt. Beim Verabschieden mit Sicherheitsabstand, und beim Verfassen von Mails oder Kurznachrichten per Handy wünschen wir uns jeweils: bleib gesund! Ist ja auch nicht verkehrt. Wir meinen damit natürlich Corona. Dass es auch noch viele andere schwere und tödliche Krankheiten und nicht minder gravierende Unfälle und Verhaltensweisen gibt, blenden wir dabei manchmal aus. Also eigentlich ziemlich oft.
Testen, testen, testen
Wenn Gesundheit tatsächlich an erster Stelle der Gesellschaft stehen würde, müssten wir doch den kompletten Fahr- und Flugverkehr sofort einstellen. Plus alle anderen Aktivitäten, in denen wir uns übernatürlich schnell fortbewegen. Und die Regierung müsste uns längst gesunde, klimafreundliche Ernährung, Fitness und Psychohygiene verordnen und dies alles auch ständig kontrollieren und testen, testen, testen.
«Wenn ich sehe, was auf unseren Strassen unterwegs ist, dann wird mir angst und bange.»
Fürs Erste würde ich mir wieder einmal eine grosse Kampagne zur Unfallverhütung im Strassenverkehr wünschen. Gerade jetzt im Frühling, wenn alle ihre Stahlrösser aus dem Keller holen und schwankend lospedalen. Und sich auch jene Menschen wieder hinters Lenkrad setzen, die jetzt endlich sicher sein können, nicht von einem Schneesturm überrascht zu werden. Also raus in den Verkehr. Gefährlich? Echt? Nö, ist ja nicht Corona …
Kürzlich – ich war wieder mit dem Trotti unterwegs – versuchte ein Autofahrer, mich zu überholen. Er setzte dreimal an. Mir wurde das zu riskant. Deshalb hielt ich an. Nun rauschte der Typ vorbei. Obwohl er allein im Auto sass, trug er Maske. Okay, die Corona-Massnahmen scheint er ja ernst zu nehmen, dachte ich mir. Aber dann sah ich auch, dass er auf sein Handy starrte und darauf herumtippte … Jä goppeloni, wir brauchen wirklich eine Verkehrs-Impfung!
Philipp Probst, Autor und BVB-Chauffeur
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Fahrtenschreiber – Verkehrs-Impfung
Corona ist gefährlich. Andere Dinge aber auch. Zum Beispiel der tägliche Wahnsinn im Strassenverkehr. Schön, wenn wir davor auch mit einer Impfung geschützt werden könnten.