Verfolgt, getötet, spät geehrt
Basel gedenkt mit einer Tafel beim Käppelijoch der Opfer der Hexenverfolgung.

Heute Nachmittag wird Elisabeth Ackermann auf die Mittlere Brücke spazieren. Bis zum Käppelijoch, wo die Regierungsrätin feierlich eine Gedenktafel enthüllen wird. Der Standort ist nicht zufällig gewählt. Die Tafel soll an alle Frauen und Männer erinnern, die in Basel Opfer der Hexenverfolgung wurden. Hier, bei der Mittleren Brücke fanden viele von ihnen einen grausamen Tod. Der Henker fesselte den meist weiblichen Verurteilten Hände und Füsse, beschwerte sie mit Gewichten und stiess sie vor den Augen der Schaulustigen in den Rhein. Vereinzelt überlebte eine Frau laut Gerichtsakten die Tortur und wurde danach nicht weiter verfolgt. Alle anderen ertranken. Helfer zogen ihre Leichen auf der Höhe des St.-Johann-Tors mit langen Stangen ans Ufer.
Mindestens 29 Frauen wurden während des späten Mittelalters und der Neuzeit in Basel als Hexen hingerichtet. Hinweise auf ihre Schicksale finden sich teilweise in Gerichtsakten, manchmal auch nur als Posten im Ausgabenbüchlein der Stadt. Eine Hinrichtung kostete schliesslich immer etwas. Der Henker musste bezahlt werden, und im Falle einer Verbrennung auch das Brennholz. Der Scheiterhaufen war neben dem Ertränken die beliebteste Hinrichtungsart für angebliche Hexen. Der Holzstoss dafür wurde jeweils vor den Toren der Stadt auf dem heutigen Zolli-Parkplatz errichtet. Bevor man die Hexen darauf festband und das Holz in Brand setzte, mussten die Verurteilten im Hof des Rathauses ihre Geständnisse bestätigen. Danach zerrte man sie unter dem Gejohle der Menge an Seilen, manchmal auch auf einen Holzschlitten gebunden, durch die Stadt zum Scheiterhaufen.
Ein Geständnis war ironischerweise zwingend, um eine Frau als Hexe hinrichten zu können. Nur die wenigsten gaben jedoch freiwillig zu, mit dem Teufel geschlafen oder ein Kind durch böse Blicke getötet zu haben. Daher folterten die Verfolger die Frauen so lange und grausam, bis sie irgendwann sich selbst und andere belasteten, um den Schmerzen ein Ende zu setzen. Diese «Verhöre», bei denen den Angeklagten unter anderem Daumenschrauben angelegt wurden oder man sie mit gefesselten Händen und mit Gewichten an den Füssen an der Decke hängen liess, fanden oftmals im Eselsturm am Barfüsserplatz statt. Dort, wo heute der Braune Mutz steht.
Koitus mit dem Teufel
Zu den Opfern, die mit der neuen Tafel geehrt werden sollen, gehört auch die Basler Metzgersfrau Gret Fröhlicherin. Sie war die erste, die in der Region Basel nachweislich als Hexe verbrannt wurde. Ein umherziehender «Hexendoktor» hatte in Basel mehrere Frauen angeblich als Hexen identifiziert. Fröhlicherin konnte sich zwar vor Gericht erfolgreich gegen die Anschuldigungen wehren, indem sie den selbst ernannten Experten wegen Verleumdung verklagte. Die Geschichte holte sie jedoch acht Jahre später in Pratteln wieder ein, wohin sie zwischenzeitlich ohne ihren Mann gezogen war. Als Alleinstehende war Fröhlicherin sowieso suspekt. Dazu arbeitete sie vermutlich als Hebamme – ein Berufsstand, der aufgrund der hohen Sterblichkeit bei Wöchnerinnen und Neugeborenen häufig Zielscheibe von falschen Anschuldigungen wurde. Besonders, da man davon ausging, dass die Hexen für ihre Gelage mit dem Teufel Babys und kleine Kinder brauchten. Im Jahr 1458 wurde Fröhlicherin schliesslich erneut der Hexerei beschuldigt und öffentlich verbrannt.
Auch Barbel Schinbeinin, deren Geständnis im Basler Staatsarchiv nachgelesen werden kann, ist unter der Folter zusammengebrochen. Die gebürtige Neuenburgerin (D) gab zu, sich eines Nachts vor dem Riehentor dem Teufel im sogenannten Teufelskoitus hingegeben zu haben. Zum Dank habe Satan ihr Zauberkräfte verliehen, mit denen sie später im Kleinbasel ein Mädchen gelähmt habe. Die Richter verurteilten sie aufgrund dieses Geständnisses ebenfalls zum Tod.
Ein dritter gut dokumentierter Fall ist der von Margreth Vögtlin aus Riehen. Die Seniorin wurde unter anderem beschuldigt, ein Kind im Arm gehalten und dabei gelähmt zu haben. Auch dass eine Krähe einmal auffällig lang über ihrem Kopf gekreist sei, sprach gegen sie. 1602 kam es schliesslich zum Vorwurf, die «Gräfin», wie Vögtlin in Riehen genannt wurde, habe einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Um von ihr ein Geständnis zu erpressen, wurde die Frau über vier Wochen hinweg mehrere Male gefoltert. Jedoch ohne Erfolg. Schliesslich zogen die Verantwortlichen für ein Gutachten Theologen und Juristen der Universität Basel hinzu. Diese hielten fest, es sei besser, einmal eine Schuldige zu verschonen als eine Unschuldige zu ertränken. Sie retteten Vögtlin damit zwar das Leben, sie wurde aber für den Rest ihres Lebens in ein «Spital», eine Art Armenhaus, eingesperrt.
Keine Rehabilitierung möglich
Bereits im Jahr 2012 forderten die ehemalige Grossrätin Brigitta Gerber (GB) und weitere Parlamentarier einen rückwirkenden Freispruch für Fröhlicherin, Schinbeinin und Vögtlin – stellvertretend für alle Frauen und Männer, die ihr Schicksal teilten. Vor zwei Jahren antwortete die Regierung, dass eine Rehabilitierung nicht möglich sei, da die Datenlage dafür nicht ausreiche.
Sie stimmte aber zu, beim Käppelijoch eine Gedenktafel zu errichten. Für jene, die in Basel im Namen der Hexenverfolgung gefoltert, verbrannt oder eben hier, wo Elisabeth Ackermann die Tafel enthüllen wird, in den Rhein gestossen wurden.
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