Venezolanische Richter entmachten Parlament
Der Machtkampf in Venezuela spitzt sich zu: Der Oberste Gerichtshof hat dem Parlament die Kompetenzen entzogen und sich selbst übertragen.
In Venezuela kämpfen der sozialistische Staatschef Nicolás Maduro und das von der Opposition dominierte Parlament seit Monaten um die Macht. Nun hat der Oberste Gerichtshof dem Parlament seine Kompetenzen entzogen und bis auf weiteres sich selbst übertragen.
Solange die Nationalversammlung geltendes Recht missachte, würden ihre Kompetenzen vom Obersten Gerichtshof oder einem von ihm bestimmten Organ ausgeübt, hiess es in der am Mittwochabend verbreiteten Gerichtsentscheidung.
Der Präsident des Parlaments, Julio Borges, bezeichnete die Entmachtung als Staatsstreich: «Das heisst nichts anderes als Staatsstreich und Diktatur in Venezuela – heute zählt die Verfassung nichts mehr.» Maduro habe selbst die Anweisung zu diesem skandalösen Urteil gegeben, sagte Borges. «Jetzt hat Nicolás Maduro alle Macht.»
Maduro kann nun «durchregieren»
Mit dem Urteil kann Maduro auf der Grundlage eines Ausnahmezustandes im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichts quasi «durchregieren». Zuvor war von dem Gericht bereits die Immunität der Abgeordneten eingeschränkt und Maduro ermächtigt worden, die «demokratische Stabilität» wiederherzustellen. Schon seit über einem Jahr regiert er mit Notstandsdekreten.
Der Oberste Gerichtshof hatte bereits im August 2016 geurteilt, dass die oppositionelle Mehrheit im Parlament gegen geltendes Recht verstosse, weil sie drei Abgeordnete, deren Mandat wegen mutmasslichen Wahlbetrugs ausgesetzt worden war, vereidigt hatte. Die Opposition sah in dieser Entscheidung den Versuch des Regierungslagers, ihren Einfluss zu verringern.
Am Dienstag hatte der Oberste Gerichtshof zudem die Immunität der Abgeordneten aufgehoben. Damit können Parlamentarier auch wegen Hochverrats vor Militärgerichte gestellt werden.
Opposition will Präsident entmachten
Hintergrund der Gerichtsentscheidungen ist ein tiefer Konflikt zwischen der Regierung des sozialistischen Staatschefs Maduro und der Opposition. Letztere kämpft seit Monaten für eine Volksabstimmung über eine Amtsenthebung des Präsidenten. Sie macht ihn für die schwere Wirtschaftskrise verantwortlich, die durch den starken Ölpreisrückgang seit 2014 verschärft wurde.
Maduro konnte bisher jedoch alle Versuche der rechtsgerichteten Opposition, ihn aus dem Amt zu jagen, abwenden. Regulär endet sein Mandat im Dezember 2018. Die Gouverneurswahlen hätten eigentlich bereits im vergangenen Dezember stattfinden sollen. Sie wurden aber auf dieses Jahr verschoben, wobei ein Wahltermin bislang nicht feststeht.
OAS: «Putsch»
Der Ständige Rat der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), der in Washington über die Krise in Venezuela beriet, verurteilte die Entscheidungen des Obersten Gerichts. OAS-Generalsekretär Luis Almagro sprach von einem «Putsch», mit dem die Staatsführung die verfassungsmässige Ordnung und die Demokratie ausheble.
20 Mitgliedstaaten unterzeichneten eine Erklärung, in der die «schwierige politische, wirtschaftliche, soziale und humanitäre Lage» Venezuelas als «besorgniserregend» bezeichnet wird. Mitte März hatte Almagro gefordert, Venezuela aus der Staatengruppe auszuschliessen, sollten in dem Mitgliedsland nicht bald Wahlen stattfinden.
Vor einer Woche verlangten 14 OAS-Mitgliedsländer von der Regierung in Caracas, die «Demokratie wiederherzustellen». Darüber hinaus forderten die Staaten die Freilassung politischer Gefangener in Venezuela und die Anerkennung der vom Parlament getroffenen Entscheidungen durch die Regierung.
Versorgungskrise
Wegen Versorgungsengpässen gab es in dem südamerikanischen Land bereits mehrfach schwere Unruhen und Plünderungen. Bei Protesten wurden mehrere Menschen getötet. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet bis zum Jahresende mit einer Inflationsrate von 1660 Prozent. Als Folge der derzeit höchsten Inflation der Welt können Menschen Lebensmittel und Medikamente kaum noch bezahlen.
Das Land ist stark von Importen abhängig, kann aber kaum noch die Produkte in Dollar oder Euro bezahlen. Hintergrund ist, dass die heimische Währung, der Bolívar, immer mehr entwertet wird und sich damit der Wechselkurs zum Dollar oder Euro immer weiter verschlechtert.
In den Spitälern gibt es kaum noch die notwendige Medizin. Die Kindersterblichkeit ist stark gestiegen. Auch die Gewaltrate nimmt zu. Zehntausende Menschen sind bereits geflüchtet.
Zuletzt wurden auch die Daumenschrauben für die Medien angezogen. Ferner wurde die Abschaltung des US-Fernsehsenders CNN in Venezuela verfügt. Präsident Maduro hatte dem Sender vorgeworfen, gegen seine Regierung zu konspirieren.
SDA/chk
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