«Velofahren? Absolut freaking no»
Ausgerechnet in der Velostadt Basel sind die Jugendlichen besonders grosse Velomuffel. Sie fahren lieber Tram, wo sie ihr Smartphone im Blick haben. Eine SP-Grossrätin will jetzt noch mehr Veloförderung.

Morgens im 8er-Tram. Offenbar steht an einer Sek-Schule eine Französischprüfung an. Überall sitzen und stehen Schüler, die sich gegenseitig nervös ein letztes Mal Vokabeln abfragen. Andere Jugendliche starren auf ihr Handy, wischen hektisch mit dem Daumen von Bild zu Bild. Es ist eine typische Szene in Basel. Viele Schüler fahren in der Stadt nicht mit dem Velo in die Schule, sondern in öffentlichen Verkehrsmitteln.
Wie stark die Nutzung des Velos zurückgegangen ist, hat das Amt für Mobilität vor fünf Jahren in einer Studie untersuchen lassen. Damals zeigte sich, dass nur noch halb so viele Kinder und Jugendliche mit dem Velo unterwegs sind als noch zwanzig Jahre zuvor. Als Gründe nannten die Autoren unter anderem die Gefahren des Velofahrens, die gute Anbindung durch den öffentlichen Verkehr in der Stadt sowie soziale Aspekte. Dazu gehört nicht nur das Gespräch mit Kollegen in Bus und Tram. Auch das Smartphone ist ein Hemmnis. Wer selber fährt, kann nicht gleichzeitig auf Sozialen Medien aktiv sein. Unter anderem deswegen gilt Velofahren unter den Jugendlichen als uncool. Besonders Schüler aus anderen Kulturen kennen das Velo als Verkehrsmittel nicht so gut wie Schweizer. Einige haben Eltern, die selber gar nie Velo fahren gelernt haben.
Der Verzicht auf die Bewegung im Alltag blieb nicht ohne Konsequenzen. In Basel-Stadt waren letztes Jahr rund 25 Prozent aller Neuntklässler übergewichtig. Dies ist zu einem grossen Teil auf eine falsche Ernährung, aber eben auch auf die mangelnde Bewegung zurückzuführen.
Motivation durch Wettbewerb
Viele Kantone haben seit Erscheinen der national beachteten Studie aus Basel Projekte lanciert, um Kinder und Jugendliche wieder vermehrt auf den Sattel zu bringen. Dazu gehören unter anderem Kurse für Migranten, wie sie auch in Basel-Stadt angeboten werden. Wenn bereits die Eltern Velo fahren, können sie die Freude daran auch den Kindern vermitteln, so der Gedanke dahinter. Die Aktion Bike2School soll ausserdem Schüler von zehn bis 16 Jahren motivieren und bei Älteren wirbt das Projekt Defi Velo aus der Westschweiz für das altbekannte Verkehrsmittel. Die Teilnehmenden Schulteams treten gegeneinander in verschiedenen Wettkampfdisziplinen an. So muss etwa eine Orientierungsfahrt durch die Stadt gemeistert werden. Dazu kommen eine Velo-Choreografie, das Wechseln eines defekten Veloschlauchs und eine Kurierlieferung.
In Basel-Stadt ist Defi Velo aber nicht so richtig in die Gänge gekommen. Das bemängelt SP-Grossrätin Lisa Mathys. Zwar haben letztes Jahr 104 Schüler teilgenommen, was angesichts der Einwohnerzahl von rund 200'000 etwa dem deutschschweizerischen Durchschnitt entspricht. In Bern beispielsweise waren 543 Jugendliche dabei, der Kanton hat über eine Million Einwohner.
«Velofahren? Freaking no»
Mathys verweist jedoch auf die Liste der Finalisten. Und tatsächlich hat es keine einzige Klasse aus dem Stadtkanton unter die besten 30 geschafft. Für Mathys ein schlechtes Signal: «Basel als Velostadt müsste präsent sein bei den Teams, die den Final erreichen», findet sie. Auch beim Projekt Bike2school, das sich an Schüler ab der 4. Klasse richtet, die mit dem Velo zur Schule fahren und so Punkte sammeln, ist in der Region die Begeisterung nicht riesig. Hier haben 2018 aus Basel-Stadt 91 Schüler teilgenommen. Im Kanton Bern waren es im selben Jahr fast zehnmal mehr.
Mathys hat deshalb einen Vorstoss eingereicht. Sie will wissen, ob und wie der Regierungsrat vorhat, Defi Velo zu fördern. Eine rechtzeitige Intervention sei wichtig. «Es ist davon auszugehen, dass Erwachsene, die nicht als Jugendliche schon Velo gefahren sind, nicht auf dieses Verkehrsmittel umsteigen werden. Die Hemmschwelle ist dann zu hoch.» Für die Schüler im 8er-Tram kommt das zu spät. «Velofahren? Absolut freaking no», antwortet eine junge Frau. Ihre Freundin kichert noch immer, als die beiden beim Schützenhaus aussteigen.
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