Unterwegs zur dritten Intifada
Islamistische Scharfmacher schüren muslimische Ängste und provozieren Terror in Israel. Der Konflikt um den Tempelberg droht zu eskalieren.

Er klopft an die Tür und sieht, dass sie nur angelehnt sie. Denn die Familie Solomon erwartet viele Gäste, die mit ihr die Geburt des Enkels feiern wollen. Doch der 19-jährige Palästineser Omar al-Abed kommt nicht, um sich mit der Familie zu freuen. Er kommt, um sie und ihre Gäste zu töten.
Da er festlich gekleidet ist, mit einem weissen Hemd und blauen Hosen, wie das bei jüdischen Festen üblich ist, fällt er zunächst nicht auf. Erst als er in der Küche die Tochter des Hausherrn auf Arabisch fragt, «wie heisst du?», merken die Anwesenden, dass dieser Unbekannte ein Terrorist ist.
Auf dem Weg zum Haus der Familie hat er einen Koran bei sich sowie eine volle Wasserflasche. Da er damit rechnen muss, während seines Terroranschlags umzukommen, unterzieht er sich einem Reinigungsritual. Und er liest aus dem Koran. Kurz bevor er sich auf den Weg macht, notiert er auf Facebook, dass er wohl bald sterben werde. Als Held und Märtyrer, wie er meint.
Er wolle sich dagegen zur Wehr setzen, dass Juden die Al-Aksa-Moschee entweihen, ohne dass Palästinenser versuchen würden, das zu verhindern. Es sei eine Schande, dass die Palästinenser dem untätig zusehen würden, schreibt er auf Facebook. Mit seinem scharfen Messer wolle er dem Ruf von al-Aqsa folgen. «Wir alle sind die Söhne Palästinas und von al-Aqsa.»
Später wird sein Vater sagen, die Besatzung sei schuld, dass Abed Terrorist geworden ist. Die Besatzung und die jüngste Massnahme Israels, mit Metalldetektoren Muslime zu untersuchen, die in der Al-Aksa-Moschee beten wollen.
Aufgeschreckt duch Hilferufe, eilt ein Nachbar der Familie Solomon zu Hilfe. Er schaut durchs Fenster und sieht Leichen. Das Sofa ist voll von Blut. Schnell zückt er seine Waffe und zielt auf Omar, den Terroristen. Die Kugeln treffen Omar im Bauch. Damit verhindert der Schütze, dass Omar noch mehr Menschen umbringt. Omar wird etwas später von Sicherheitskräften überwältigt und im Spital behandelt. In einer ersten Befragung durch die israelischen Sicherheitskräfte stellt sich heraus, dass Omar ein Hamas-Sympathisant ist.
Streit um Tempelberg
Inzwischen spekuliert man in Jerusalem, ob das Blutbad der Auftakt zur dritten Intifada ist. Sicher ist derzeit bloss: Im Zentrum der Jerusalemer Altstadt eskaliert der alte Konflikt um den Tempelberg. Die Bilder von diesem Wochenende erinnern fatal an frühere Palästinenseraufstände: Bei einer Demonstration waren am Freitag drei Palästinenser erschossen worden.
Der Protest der Araber gilt den Metalldetektoren, die Israel aufgestellt hat, um auf dem Plateau, wo die Al-Aksa-Moschee steht, die Sicherheit zu erhöhen. Daran müssten eigentlich auch diejenigen Palästinenser ein Interesse haben, die in der drittwichtigsten Moschee des Islam beten wollen.
Doch wenn es um Al Aksa geht, hört bei Muslimen die Ratio auf. Dann dominieren bei ihnen Emotionen und Ängste. Denn Al Aksa ist für sie fast so wichtig wie Mekka, und sie befürchten, dass Israel Muslimen aus diesem heiligen Bezirk verdrängen wolle.
Es geht um die alte Streitfrage: Wer hat auf dem Tempelberg das Sagen? Die religiöse Stiftung Wakf, die die Moscheen verwaltet, sieht mit den Metalldetektoren die bisher geltenden Arrangements und ihre Souveränität auf dem Tempelberg bedroht. Muslime sind überzeugt, dass der jüdische Staat dort, wo Al Aksa steht, den Dritten Tempel bauen und die Muslime deshalb vertreiben wolle.
Radikale nutzen diese Verschwörungstheorien aus und rufen mit religiösen Argumenten zum Kampf gegen Israel auf. Indem sie Metalldetektoren vor dem Aufgang zum Tempelberg aufstelle, behaupten Agitatoren, wolle die israelische Regierung ihre Dominanz im Heiligen Bezirk zementieren und den Islam zurückdrängen.
Eigentlich hätte die israelische Regierung das alles wissen müssen. Denn die Armee und der interne Geheimdienst hatten sie aus guten Gründen gewarnt. Vor 17 Jahren benutzten die Palästinenser einen Besuch des damaligen Oppositionsführers Ariel Sharon auf dem Tempelberg als Ausrede, um die zweite Intifada auszurufen, die während fünf Jahren auf beiden Seiten mehrere Tausend Tote fordern sollte.
Geld für Familie des Attentäters
Gestern Abend wollte das Kabinett über Massnahmen debattieren, mit denen die Lage entspannt werden könnten. Entfernt Netanyahu die Metalldetektoren, wird man ihm das im Orient als Schwäche auslegen. Das will und muss er vermeiden. Ebenso vermeiden will er Zoff mit den Hardlinern in seiner Koalitionsregierung, die an den Metalldetektoren festhalten wollen, um Stärke zu zeigen. Zudem fehlt in der Region eine Kraft, die einen Kompromiss ermöglichen würde.
Netanyahu hat sich zwar eben noch gerühmt, mit sunnitischen Staaten wie Saudiarabien ein gutes Einvernehmen zu haben, auch ohne Friedensvertrag. Doch die jüngste Entwicklung in Jerusalem zeigt, wie brüchig die neue Allianz ist. Zumal die Türkei als Scharfmacherin auftritt.
Inzwischen weiss Omars Familie, dass sie ausgesorgt hat. Denn die Palästinensische Autonomiebehörde wird sie grosszügig entschädigen und sich dafür erkenntlich zeigen, dass einer ihrer Söhne Terrorist war. Je länger Omar im israelischen Gefängnis sein wird, desto grosszügiger wird die finanzielle Entschädigung ausfallen.
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