Unter falschen Propheten
Die Energiestrategie von Doris Leuthard schreibt vor, was auch Doris Leuthard nicht kennt: Die Zukunft.

Bei der Unternehmenssteuerreform III hat sich gezeigt, dass komplizierte Vorlagen, die niemand versteht, selten durchkommen: Weil der Bürger misstrauisch bleibt – zu Recht – sagt er lieber Nein als Ja. So gesehen müsste man sich keine Sorgen machen und könnte davon ausgehen, dass auch das neue Energiegesetz («Energiestrategie»), über das wir am 21. Mai abstimmen, scheitert: Tatsächlich gab es kaum je eine Vorlage, die so umfassend, so undurchsichtig und so unverständlich war wie die Energiestrategie der Doris Leuthard, einer Politikerin, die derzeit wohl das grösste politische Talent im Bundesrat ist, aber auch eine Politikerin ohne jeden weltanschaulichen Kompass. Gesinnung ist Glückssache.
Denn was diese bürgerliche Magistratin (CVP) vorschlägt, ist ein Angriff auf unsere liberale Wirtschaftsordnung, wie er in der Schweiz noch nie vorgekommen ist. Dass kaum jemand darüber spricht, verrät die unübertroffene Meisterschaft von Leuthard, wenn es darum geht, die Bürger zu trösten, zu bezirzen und zu täuschen.
Während sich die Sowjets mit Fünfjahresplänen zufriedengaben – und untergingen, traut sich Leuthard zu, uns einen 33-Jahres-Plan zu empfehlen: Sie und ihre vielen sozialdemokratischen Beamten im Bundesamt für Energie glauben zu wissen, wie sich der Energieverbrauch, die damit zusammenhängende Technologie, das Klima und die Vorlieben von uns Bürgerinnen und Bürgern bis ins Jahr 2050 entwickeln. Das ist unseriös, das ist tollkühn. Allein aus diesem Grund müsste man sehr misstrauisch werden. Ein Vergleich: Wer wusste vor 33 Jahren, also 1984, welche Technologien sich bis heute durchsetzen, wie sich die Welt dann darstellt? Niemand sprach vom Internet, keiner vom iPhone, niemand vom Elektroauto, kein Politiker vom Ende des Kalten Krieges. Gesetze haben es an sich, dass sie (meistens) für die Ewigkeit gelten: Deshalb gehörte es immer zu den Erfolgsrezepten dieses Landes, dass wir keine Gesetze machten, wo wir den Lauf der Wirtschaft und der technologischen Entwicklung vorwegnahmen. Wer es machte, ich habe die Sowjetunion erwähnt, man könnte andere planungsfreudige Länder wie früher etwa Indien oder nach wie vor Frankreich nennen, lag in der Regel falsch: Man subventionierte Branchen, die eigentlich dem Untergang geweiht waren, man förderte Technologien, die nichts taugten, man bestimmte nationale «Champions», also besonders schützenswerte Firmen, die gar keine Zukunft hatten, wie sich später herausstellte – man spielte Gott, ohne Gott zu sein.
Niemand weiss, ob wir in 33 Jahren neue Atomkraftwerke erfunden haben, die noch sicherer sind, niemand ahnt, ob sich Windkraftwerke auf dem Markt durchsetzen können, niemand kann sich vorstellen, ob Google das Selbstfahrzeug konstruiert hat, von dem das Unternehmen heute spricht: Wer würde jetzt schon ein Gesetz machen, damit 2050 spezielle Parkplätze für Google-Autos zur Verfügung stehen?
Willkommen in der Planwirtschaft
Genau das tut aber das Energiegesetz: Die Förderung der sogenannten erneuerbaren Energien zum Beispiel macht nur Sinn, wenn man überzeugt ist, dass diese sich in Zukunft rechnen – ohne Subventionen. Das aber kann man gar nicht wissen, bevor der Markt das entschieden hat. Es ist ein Paradox: Wer sich über ihren künftigen Erfolg so sicher ist, müsste sie gar nicht fördern. Weil es aber so modisch klingt, so unwiderstehlich «erneuerbar», glauben manche Bürger, etwas Gutes zu tun. Tatsächlich spiegelt man ihnen vor, eine Welt zu kennen, die man noch nie betreten hat. Was wir aber wissen: Bis heute, auch nach jahrelanger finanzieller Unterstützung, haben sich Wind- und Solarkraftwerke keineswegs bewährt. Sie sind teuer, sie werden mit Steuergeldern und Abgaben finanziert, ohne jede Aussicht, je rentabel zu werden. McKinsey Deutschland, ein Beratungsunternehmen, führt einen sogenannten Energiewende-Index, wo deren Experten regelmässig überprüfen, inwiefern die Energiewende, die Deutschland schon vollzogen hat, erreicht, was die Politiker versprochen haben. Die Bilanz ist unerfreulich: «Viele bisherige Erfolge sind überwiegend durch Subventionen zustande gekommen», schreiben die Autoren, das gilt insbesondere für den Ausbau der Wind- und Solarenergie. Was indes am meisten beunruhigt: Vom eigentlichen Ziel der Energiewende, die CO2-Emissionen zu reduzieren, scheint Deutschland immer weiter entfernt, erneut stieg im Jahr 2016 der CO2, wenn auch nur leicht, von 908 Megatonnen (2015) auf 916 Megatonnen – was gering wirkt, verbirgt das Versagen der Politik: Denn gemäss Plan der Regierung hätte Deutschland 2016 bloss 812 Megatonnen ausstossen dürfen, mit anderen Worten, trotz präziser Planung und kostspieliger Förderung liegt man weit neben dem, was man sich vorgenommen hat.
Dass gleichzeitig die Stromkosten für jeden Haushalt abermals gestiegen sind – und weltweit kaum jemand so viel für seinen Strom zahlen muss wie die Deutschen: Es macht das Ganze vollends tragisch. Inzwischen zahlen die Deutschen fast 50 Prozent mehr für Elektrizität als ihre europäischen Nachbarn; und diese Entwicklung erscheint gottgegeben: Gemäss Berechnungen von McKinsey dürften die jährlichen Kosten für jeden Haushalt bis 2023 um weitere 335 Euro steigen. «Zu den zentralen Kostentreibern der Energiewende zählen nach der Analyse von McKinsey vor allem der weitere Ausbau und die Förderung der erneuerbaren Energien und deren Subventionierung.»
Kurz, die Politiker erreichen nicht, was sie zugesichert haben und was sie nicht erreichen, kostet Jahr für Jahr mehr Geld, das sie wiederum dem Bürger abnehmen, damit sie, die Politiker, nie einräumen müssen, dass sie zu viel versprochen haben. Oder besser: Sie haben versprochen, was man nicht versprechen kann, weil niemand weiss, wie die Zukunft in zehn, 20 oder 33 Jahren aussieht.
Nein!
In Deutschland konnte der Bürger nie darüber abstimmen, ob er im Energiesektor, einem der zentralen Bereiche jeder modernen Volkswirtschaft, neuerdings die Planwirtschaft einführen will oder nicht. Wäre es nach Doris Leuthard und ihren Planern im Bundesamt für Energie gegangen, hätten auch die Schweizerinnen und Schweizer besser geschwiegen – und gezahlt. Auch Leuthard dürfte ihr Gesicht wahren wollen. In der Hoffnung, für ihre Partei einen Wahlhit zu lancieren, war sie kurz nach dem Atomunfall von Fukushima zum Schluss gekommen, Atomkraftwerke seien des Teufels, nachdem sie selber diese jahrelang als frohe Botschaft verkündet hatte. Man nannte sie gar «Atom-Doris», was immer unfair war, weil es eine Gesinnung unterstellte, wo man besser von Opportunismus gesprochen hätte – wie wir heute wissen.
Insgesamt rechnet man mit Kosten von über 200 Milliarden Franken, die uns die Energiewende kosten wird – ohne dass wir die Ziele erreichen, die uns der Bundesrat verspricht. Ein zu hoher Preis für eine Planwirtschaft, die nichts taugt. Ein Nein ist angebracht.
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