«Unter aller Würde und unmenschlich»
Swiss-Ski-Trainer Sepp Brunner muss fünf Wochen nach dem WM-Coup von Beat Feuz gehen. Der 58-Jährige ist masslos enttäuscht.
Es war der Höhepunkt. Für Beat Feuz. Für Speed-Trainer Sepp Brunner. Gold in der Abfahrt, der Königsdisziplin im Ski alpin. An der Heim-WM in St. Moritz. «Sehr emotional» war der Moment für den Österreicher, «weil ich weiss, was Beat all die Jahre durchgemacht hat. Jetzt hat er seinen Lohn dafür bekommen», sagte Brunner damals, im Moment des Triumphs, zu Redaktion Tamedia.
Video – die unglaubliche Goldfahrt von Beat Feuz:
Über 10 Jahre lang hat er mit dem Ausnahmeathleten gearbeitet, ihn 2012 als Privattrainer betreut nach dessen schweren Knieverletzung und der verheerenden Entzündung. 2001 hatte er schon Sonja Nef zur Weltmeisterin gecoacht.
Fünf Wochen sind seit dem Gold-Coup von Feuz vergangen, und die Gefühlslage beim Österreicher ist eine ganz andere. Am letzten Donnerstag, nach dem letzten Speed-Rennen der Saison, dem Super-G in Aspen, wo Mauro Caviezel als Dritter erstmals im Weltcup aufs Podest fuhr, wurde ihm mitgeteilt: Ihr Vertrag wird per Ende März gekündigt. Dann endet die 20-jährige Ära des Steirers bei Swiss-Ski – für ihn aus dem Nichts.
«Wiederholte Illoyalitäten»
Brunner und Markus Wolf, der Geschäftsführer des Schweizer Verbandes, bestätigen eine entsprechende Meldung von «Blick». Die Begründung von Wolf: «Es gab wiederholte Illoyalitäten gegenüber seinem Arbeitgeber Swiss-Ski. Er hat den Verband und dessen Handlungsträger öffentlich diskreditiert.»
Gemeint ist insbesondere eine Aussage des 58-Jährigen, die er im Januar vor der Heim-WM ebenfalls gegenüber dem Boulevardblatt tätigte: «Das Verhalten gegenüber den Amerikanern ist nicht in Ordnung. Im Gegenzug werden sie uns in Zukunft in Copper Mountain nicht mehr trainieren lassen. Ich habe deshalb unseren Chefs schon mitgeteilt, dass sie im nächsten November vor die Mannschaft stehen können, um ihnen zu erklären, warum wir keine guten Trainingsbedingungen mehr haben.»
Der Hintergrund: Ursprünglich hatte der Schweizer Verband den US-Amerikanern zugesagt, dass sie auf der Strecke in St. Moritz würden trainieren können – im Gegenzug würden sich die Schweizer weiterhin in Copper Mountain auf die Saison vorbereiten können. «Dort herrschen im Herbst die besten Bedingungen überhaupt», sagt Brunner.
Doch kurz vor der WM erteilte Swiss-Ski der USA eine Abfuhr. Erst enervierte sich darüber Carlo Janka öffentlich. Dann zog Brunner nach. Er wehrte sich vergebens. Und nun wird ihm also vor allem diese Aussage von damals zum Verhängnis – eine doch ziemlich sachliche Aussage. Dennoch findet Swiss-Ski-Geschäftsführer Wolf: «Ich kann die ganzen Emotionen zwar nachvollziehen. Aber man geht nicht an die Öffentlichkeit und spricht so über seinen Arbeitgeber.» Zudem sagt er: «Das ist nur ein Beispiel. Es gab in der Vergangenheit andere Beispiele. Wir wollten das nicht mehr länger tolerieren.»
Für den Speed-Trainer kam die Entscheidung aber «aus heiterem Himmel», wie er sagt: «Ich habe auf eine Frage eine ganz normale Antwort gegeben. Das ist für mich doch keine Begründung für eine Kündigung. Da muss es noch anderes geben, von dem ich aber nichts weiss. Auch die Athleten verstehen die Welt nicht mehr.» Eine Vermutung hat Brunner: «Es ist möglich, dass ich nicht in die Philosophie von Thomas Stauffer (dem Cheftrainer der Männer) passe. Ich bin einer, der seine Meinung sagt und seine Ideen umsetzen will, dafür mache ich ja den Job. Ich könnte auch einfach machen, was mir einer vorgibt.» Vor zwei Jahren war mit Steve Locher bereits ein Trainer entlassen worden, der angeeckt war.
«Als hätte ich jemanden umgebracht»
Brunner beschäftigt weniger die Tatsache, dass ihm gekündigt wurde, «damit muss man in diesem Sport immer rechnen». Aber wie ihm diese Entscheidung mitgeteilt wurde, das enttäuschte ihn. Er nennt es «unmenschlich». Brunner schildert: «Ich war schon beinahe ins Auto gestiegen, um von Aspen Richtung Denver zu fahren und dann heimzureisen, als plötzlich Thomas Stauffer und Stéphane Cattin (Direktor Ski alpin) vor mir standen. Ich soll mitkommen, sagten sie. Dann wurde mir einfach so über den Tisch gesagt: ‹Wir machen es kurz: Du bist per Ende März gekündigt.› Sie hatten dabei einen Gesichtsausdruck, dass ich das Gefühl hatte, jemanden umgebracht zu haben. Mit einer Person, die 20 Jahre für diesen Verband gearbeitet hat, könnte man auch etwas anders reden. Aber ich wurde einfach vor die Tür gestossen, das war unter aller Würde und hatte mit Menschlichkeit nicht das Geringste zu tun. Ich brauche jetzt Zeit, um das alles zu verarbeiten.» Und einen neuen Arbeitgeber zu finden.
Das wird nicht einfach, weiss Brunner: «Offenbar stand die Entscheidung ja schon im Januar fest, sie hätten mir das durchaus früher mitteilen können, dann hätte ich auch die Chance gehabt, mich neu zu orientieren. Aber so wurde mir diese total genommen. Während des Weltcupfinals werden immer Kontakte geknüpft, wird immer über Trainerwechsel gesprochen. Bei mir haben sie es so schlau gemacht, dass ich schon fast auf dem Rückweg war und keine Möglichkeit mehr hatte, irgendetwas zu regeln.»
Nachfolger steht bereit
Wolf dagegen sagt: «Es ist absolut normal in diesem Geschäft, dass man sich bis zum letzten Rennen auf den Sport konzentriert und Zukunftsgedanken erst danach äussert. Wir haben versucht, es Brunner so schnell wie möglich mitzuteilen, damit er möglichst viel Zeit hat, um sich neu zu orientieren.»
Die Verantwortlichen von Swiss-Ski haben im Hintergrund bereits nach einem Ersatz gesucht. Wolf sagt: «Es ist noch nicht alles ganz fix, weshalb wir auch noch nichts kommuniziert haben. Aber das wird schon bald passieren.»
Neben den «wiederholten Illoyalitäten» von Brunner hätten sie ihn auch nicht als Mann der Zukunft gesehen. «In die Speed-Disziplinen werden bald über ein Dutzend Athleten drängen – entweder vom Europacup her oder von anderen Disziplinen. Das erfordert ein spezielles Trainerprofil. Wir waren nicht sicher, ob Sepp der Richtige dafür gewesen wäre», sagt Wolf.
Künftig werden Swiss-Ski und Brunner also getrennte Wege gehen. Der Gekündigte sieht auch keine Möglichkeit, dass sich das ändern könnte – zumindest derzeit nicht: «Sicher nicht unter diesen Personen. Mit solchen Leuten will ich nichts mehr zu tun haben.»
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch