Unser Parlament – ein Haufen Opportunisten
Weil alle bürgerlichen Parteien einen Anti-SVP-Reflex verinnerlicht haben, gelingt es der Linken immer wieder, ihre Minderheitspositionen durchzusetzen.

So schlecht war unser Parlament wohl noch nie. Das lässt sich leicht beweisen anhand einer Viererserie von wichtigen Gesetzen, die allesamt unbrauchbare Lösungen darstellen. Ich spreche von der Umsetzung der MEI voller Widersprüche, der ebenfalls von aussen diktierten, überhasteten und überlasteten Unternehmenssteuerreform III, der verpassten echten Reform der Alterssicherung sowie vom geradezu unsäglichen Energiegesetz.
In allen Fällen beobachten wir massivste Einflussnahmen seitens der Verwaltung, schludrige Abklärungen der Folgen und faule Kompromisse zwischen den verschiedenen Gewinnern sowie den lautstärksten Verlierern. Ein Grund dafür ist, dass bei uns die Lobbys nicht in den Lobbys arbeiten, sondern gleich im Ratssaal. Zum anderen – und das ist matchentscheidend – haben die Wahlen von 2016 die Mitte-links-Politik von Bundesrat und Parlament nicht abgelöst, obwohl die FDP und die SVP als die grossen Wahlsieger eine knappe Mehrheit im Parlament errungen haben.
Der Grund liegt darin, dass alle bürgerlichen Parteien einen Anti-SVP-Reflex verinnerlicht haben, der gemeinsame Interessen übertönt. Deshalb gelingt es der Linken und den Grünen immer wieder, ihre eigentlich klaren Minderheitspositionen durch bürgerlichen Stimmenfang mehrheitsfähig zu machen.
Dabei spielt die CVP die schlimmste Rolle wie zum Beispiel bei der Altersvorsorge und vor allem der Energie ersichtlich. Doch auch die FDP hat sowohl bei der MEI wie der ES 2050 den Links- Grünen zum Sieg verholfen und dabei im Arbeitsmarkt und Energiesektor fast alle ihre Prinzipien geopfert. Die links-grünen Parlamentarier wiederum honorieren das mit der Unterstützung von Didier Burkhalter (FDP, zumindest auf dem Papier freisinnig) und Doris Leuthard (CVP, und nicht nur auf dem Papier wendig und blendig).
Auf den optimalen Rücktritt ausgerichtet
Wie reagieren unsere Parlamentarierinnen und Parlamentarier darauf? Ich sehe drei Reaktionen: Die erste Gruppe sitzt die letzte Amtsdauer ab und richtet alles auf den optimalen Rücktritt aus, um das unsägliche Nachrutschen zu ermöglichen. (Erklären Sie dieses Thema einmal einem Engländer!)
Die zweite Gruppe reduziert das Parlamentarierdasein auf ein absolutes Minimum und maximiert mit (bezahlten) Ämtli, Verbandsmandaten, staatsnahen Kommissionen oder Aufsichtsgremien ihr Einkommen. Dabei sind die Linken nicht moralischer als die Rechten, wie diverse Beispiele in BS zeigen.
Eine dritte Gruppe schliesslich bereitet sich auf einen Karriereschritt in der Politik vor. Bei drei möglichen Rücktritten von Bundesräten ergibt das schnell ein Dutzend. Der Rest sucht den Aufstieg im föderalen Abstieg: nämlich mit Kandidaturen für den Regierungs- oder gar Stadtrat. Dort kann man noch befehlen und hat zudem quasi ab sofort eine fantastische Alterssicherung.
Silvio Borner ist emeritierter Professor der Ökonomie am WWZ der Universität Basel.
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