UNO warnt: Bald 200'000 Syrer auf der Flucht
Die Armee und die berüchtigten Shabiha-Miliz marschieren in eine Protesthochburg ein. Die UNO bereitet sich auf eine Massenflucht vor – die USA gewähren Syrern ein ausserordentliches Aufenthaltsrecht.
Unterstützt von Panzern haben syrische Regierungstruppen die Ortschaft Sarakeb im Norden des Landes gestürmt. Das Syrische Observatorium für Menschenrechte und die Örtlichen Koordinationskomitees erklärten, die Soldaten seien von Norden in den Ort eingerückt und stiessen weiter vor. Sarakeb sei unter Beschuss genommen worden. Dabei wurde nach Angaben des Observatoriums mindestens eine Zivilperson getötet.
Beide Gruppen erklärten, die Soldaten würden von regierungsnahen Milizionären, den sogenannten Shabiha, begleitet. Die Truppen durchsuchten Häuser und nahmen Menschen fest. Sarakeb in der Provinz Idlib steht seit Monaten unter Kontrolle von Deserteuren.
Granaten auf dicht besiedeltes Gebiet
Im ganzen Land bezifferte das Observatorium die Zahl der heutigen Todesopfer auf sechs. Die Örtlichen Koordinationskomitees meldeten sieben Tote. In den vergangenen zwei Monaten hatten die Regierungstruppen mehrere Städte und Ortschaften zurückerobert. Die jüngste Offensive richtete sich gegen die Provinzhauptstadt Idlib im Nordwesten des Landes, Hama und Homs sowie die Region Deir el-Zor im Osten.
Weiter beschossen syrische Truppen heute erneut die Rebellenhochburg Homs. Das Observatorium erklärte, seit dem frühem Morgen fielen Granaten auf den dicht besiedelten Stadtteil Khalidiya, der noch von Regierungsgegnern kontrolliert wird. Die Koordinationskomitees veröffentlichten ein Video auf ihrer Facebook-Seite, das Rauch über einem Wohngebiet zeigte. Die Bilder sollten aus Khalidiya stammen.
Generäle desertieren
Ein UN-Untersuchungsausschuss berichtete unterdessen von Fahnenflucht innerhalb der syrischen Generalität. Es lägen Berichte vor, nach denen hochrangige Militärs, darunter vier Brigadegeneräle, desertiert seien, teilte die Kommission mit. Zudem gebe es Informationen über Unruhen in bislang relativ ruhigen Gegenden wie der Stadt Aleppo.
Gestern Freitag hatten die EU-Aussenminister die Sanktionen gegen die Familie des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad ausgeweitet. Sie verhängten ein Einreiseverbot gegen Assads Ehefrau Asma und froren deren Vermögenswerte in der Europäischen Union ein. Insgesamt wurden zwölf Personen aus dem Umfeld von Assad mit einem Einreiseverbot in die EU belegt, ausserdem werden die Guthaben von zwei Ölgesellschaften in Europa eingefroren. Ein Einreiseverbot war bisher nur gegen den Präsidenten selbst in Kraft.
UNO warnt vor Massenflucht
Die Vereinten Nationen beschleunigen ihre Vorbereitungen für eine Massenflucht aus Syrien. Derzeit hätten sich rund 100'000 Menschen vor der Gewalt in ihrer Heimat in Nachbarstaaten in Sicherheit gebracht, sagte der neu ernannte UNO-Koordinator für die syrischen Flüchtlinge, Panos Moumtzis. «Wir registrieren aber täglich mehr Menschen und noch mehr Leute versuchen, über die Grenzen zu kommen - also wird sich ihre Zahl erhöhen», erklärte er.
Die Vereinten Nationen warnen inzwischen vor einer Massenflucht, die die Zahl der Bedürftigen auf mehr als 200'000 Menschen erhöhen könne. Deshalb sei es nun vorrangig, dass die finanzielle Unterstützung der Flüchtlingshilfe mit dem wachsenden Bedarf Schritt halte, sagte Moumtzis. «In Jordanien, wo ich vor zwei Tagen war, kommen täglich rund 150 Menschen über die Grenze», sagte der Koordinator, der einen Grossteil der ersten elf Tage in seinem neuen Amt in der Region verbracht hat.
Bleiberecht für Syrer in den USA
«Im Libanon sind es weniger, vielleicht zehn bis 15 Familien pro Tag. In die Türkei sind während der drei Tage, die ich dort war, 1500 Menschen geflüchtet.» In den Grenzgebieten spielen sich demnach erschütternde Szenen ab: «Einige Leute kommen an den offiziellen Stationen über die Grenze, andere suchen ihr Heil über das freie Feld. Jeder versucht sich in Sicherheit zu bringen, auf welchem Weg auch immer.»
Moumtzis warnte davor, die Gastfreundschaft der Nachbarstaaten über Gebühr zu strapazieren. «Nach einer Weile lässt die Bereitschaft zu helfen selbst bei bestem Willen nach.» In Jordanien und Libanon werden die Flüchtlinge häufig privat aufgenommen. Die Türkei hat acht Zeltstädte organisiert.
Angesichts der unsicheren Lage in ihrer Heimat räumten die USA Syrern einen vorläufigen Flüchtlingsstatus ein. Auch nach dem Ablauf ihrer Visa dürften sie vorübergehend im Land bleiben, teilte Heimatschutzministerin Janet Napolitano am Freitag mit. Wegen «der ernsthaften Bedrohung ihrer persönlichen Sicherheit» würden die USA derzeit keine Syrer in ihr Heimatland abschieben.
sda/dapd/AFP/ami/kle
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