3:0 gegen Union BerlinBayerns Lektion für den aufmüpfigen Aussenseiter
Der Favorit antwortet eindrücklich auf die jüngste Kritik – Union-Trainer Urs Fischer anerkennt einen Unterschied von zwei, drei Klassen.

Die Erinnerung, wie die Machtverhältnisse liegen, gibt es schon früh. Kaum liegen ihre Münchner Helden auf dem Rasen in Führung, tönt es von den Rängen: «Deutscher Meister wird nur der FCB! Nur der FCB!» Und ein paar Minuten später folgt die Ansage an die Gäste: «Ihr werdet nie deutscher Meister! Nie deutscher Meister!»
Natürlich, ein 0:3 tut weh, zumal ein 0:3, bei dem man schlicht chancenlos gewesen ist. Aber es ist nun nicht so, dass die Unioner aus Berlin jemals vom Titelgewinn geredet hätten, nur weil sie noch vor diesem Spiel punktgleich mit dem FC Bayern in der Bundesliga auf Platz 3 liegen. Und darum wird sie das Resultat nach dem Besuch in der Allianz-Arena auch nicht in ihren Grundfesten erschüttern. Trainer Urs Fischer ist dafür das beste Beispiel. Er lacht beim TV-Interview so oft, als hätte er nicht mit drei Toren verloren, sondern gewonnen.
Die aufmüpfigen Aussenseiter wissen, wer sie sind, und sie wissen vor allem auch, wer der Gegner ist. Und dieser Gegner ist gereizt. Er ist nicht gut aus der WM-Pause gekommen und hat von sechs Spielen nur zwei gewonnen und darum allein auf Dortmund neun Punkte verloren. Nach der jüngsten Niederlage in Mönchengladbach hat Trainer Julian Nagelsmann gar schon die Nerven verloren und die Schiedsrichter übelst attackiert («weichgespültes Pack»). Bei ihnen geht es schnell mit der Krise.
«Die Formel bei Bayern ist so einfach wie komplex», sagt Nagelsmann vor dem Spiel gegen Union, «wenn du gewinnst, ist Ruhe, wenn du nicht gewinnst, ist keine Ruhe. Also sollten wir gewinnen.» Fischer ahnt, dass sie genau deshalb gefährlich sind.
Unions schneller Untergang
Seine Spieler reisen mit extrem guter Laune an, am Donnerstag haben sie in der Europa League Ajax Amsterdam 3:1 besiegt und erstmals in der Geschichte des Vereins die Achtelfinals erreicht. Auch Fischer kriegt das Strahlen nicht aus dem Gesicht. «Logisch», sagt er, «es ist nichts Alltägliches, Ajax aus dem Wettbewerb zu werfen, hä!»
Die Bayern dagegen haben ausnahmsweise eine Woche ohne internationalen Einsatz hinter sich, sie können sich ganz auf den Sonntag konzentrieren. Was das an Unterschied ausmacht, das zeigt sich im Spiel schnell. Die Münchner sind von Anfang an bereit für die Aufgabe, die Berliner dagegen können nicht kaschieren, dass Beine und Kopf müde sind.
Bei ihnen geht sonst ganz viel über die Disziplin und das Körperliche, über die Arbeit und den Zusammenhalt, über die «totale Bereitschaft», wie das Fischer nennt. In München ist nichts von dieser Zähigkeit zu sehen, mit der sie ihre Gegner normalerweise so erfolgreich bearbeiten. Nach einer halben Stunde gelingt Eric Maxim Choupo-Moting mit einem Kopfball das 1:0, Kingsley Coman und Jamal Musiala legen noch vor dem Ende der ersten Halbzeit nach.
Dreimal verteidigen die Berliner nicht gut. Rani Khedira, bei Union vielleicht der beste Spieler der ganzen Saison, sagt später: «Wenn du in München etwas holen willst, musst du rotzfrech auftreten. Das haben wir nicht geschafft. Darum sind wir untergegangen.»
Frederik Rönnow steht in der zweiten Saison bei Union im Tor. Bei den Gegentreffern kann er nichts ausrichten, dafür ist er es, der 30-jährige Däne, der nach der Pause die Niederlage in erträglichem Rahmen hält. Dreimal rettet er hervorragend, gegen Davies, Müller und nochmals Davies.
Die Bayern treten so auf, wie sie das von sich erwarten und wie es ihr Anspruch ist, mit Tempo, Dominanz, Spielfreude, Aggressivität, so eben, wie sie das diese Saison nur unregelmässig tun und darum immer wieder schnell in die Kritik geraten. Nagelsmann redet nach dem Spiel denn auch von «einem Gradmesser», wenn es um die Art und Weise der Leistung geht.
Unter der Woche hätten sie ein paar Dinge diskutiert, erzählt er, und das in verschiedenen Zusammensetzungen. Dass davon immer wieder einmal etwas in der «Bild»-Zeitung gestanden hat, moniert er leicht säuerlich. Was deshalb lustig ist, weil seine Lebenspartnerin bei der Lokalredaktion dieser Zeitung arbeitet. Nagelsmann ist beim Fernsehinterview so konzentriert, dass für Lockerheit kein Platz bleibt. Als wollte er sich keinen nächsten Fehltritt leisten.
Fischer und die Kumpel
4000 Union-Fans haben ihre Mannschaft nach München begleitet. Nach der Niederlage lassen sie sich nicht davon abhalten, sie zu feiern. Und Fischer umarmt jene Bayern, die ihm auf dem Rasen über den Weg laufen: erst Nagelsmann, dann Kimmich, auch Müller, als wären sie alte Kumpel. Immer tut er das in völlig aufgeräumter Stimmung.
Offensichtlich will er sich die Laune am Ende einer grossen Woche für den Verein nicht verhageln lassen. Er mag auch nicht nach Ausreden suchen, nur weil sie am Donnerstag gegen Ajax gespielt haben. Lieber anerkennt er die Stärkeverhältnisse an diesem Sonntag: «Das sind zwei, drei Klassen Unterschied gewesen. Das muss man sich eingestehen. Das 3:0 geht mehr als in Ordnung.»
Ja, er ist Trainer genug, um sich besonders über die Entstehung des zweiten und des dritten Gegentores zu ärgern, «nicht zwingend, nicht notwendig», sagt er. Aber sonst schaut er immer noch mit Freude auf die Tabelle: Platz 3, drei Punkte nur hinter Bayern und Dortmund. Nach dem geschafften Klassenerhalt ist das Ziel nun, sich erneut für einen europäischen Wettbewerb zu qualifizieren. «Sehr ambitioniert» findet er das.
Die Bayern denken dagegen viel grösser. Der Meistertitel muss es sein, die Champions League soll es sein. Thomas Müller weiss, was das bedeutet: «Wir müssen alle drei Tage liefern.»
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