Ry Cooder und Taj MahalUnd wie das rumpelt: Zwei Giganten der Roots-Musik spannen zusammen
Auf «Get on Board» spielen die Altmeister Blues voller rauer Energie. Im Gespräch verteilt Mahal Komplimente – und Cooder poltert knapp am Gesprächsabbruch vorbei.
Die Plattenfirma warnt, dass es wenig bringe, den kalifornischen Gitarristen, Filmkomponisten und Plattenproduzenten Ry Cooder zu seiner Vergangenheit auszufragen. Die chaotische Zeit in der Band des Punk-Blues-Psychedelikers Captain Beefheart und die beinahe erfolgte Aufnahme in die Reihen der Rolling Stones interessierten den 75-jährigen Cooder nicht, darum würden sich Fragen zu diesen Themen erübrigen. Es sei darum ratsam, das neue Album «Get on Board» im Mittelpunkt des bevorstehenden Telefoninterviews zu halten.
Über «Get on Board» gibt es auch viel zu sagen. Das mit dem amerikanisch-karibischen Sänger und Weltmusiker Taj Mahal (bürgerlich: Henry St. Claire Fredericks) eingespielte Album ist eine liebevolle Hommage an die Folk-Blues-Musiker Sonny Terry und Brownie McGhee. Als Duo haben diese längst verstorbenen Virtuosen und Showmänner unzählige Musiker und Musikerinnen begeistert und beeinflusst. Ry Cooder und Taj Mahal sind da keine Ausnahmen.
Fast kommts zum Gesprächsabbruch
Ryland Peter Cooder war erst vierzehn Jahre alt, als er den blinden Harmonikaspieler Sonny Terry und den gehbehinderten Gitarristen Brownie McGhee zum ersten Mal live erlebte. Bei weiteren Begegnungen rang er seinen Vorbildern so manchen handwerklichen Kunstgriff ab. «Brownie McGhee hat mir ein paar seiner Riffs und Läufe persönlich beigebracht», sagt Cooder heute.
Als Teenager hatte Cooder nichts als Blues und Folk im Kopf. Mit dieser täuschend rudimentären Musik grenzte er sich mehr oder weniger unbewusst gegenüber seinem Vater ab. Der Klassikfan konnte den kratzigen Platten von Leadbelly, Woody Guthrie und Big Joe Williams nichts abgewinnen, die der schulisch wenig engagierte Sohn in obskuren Plattenläden im Grossraum Los Angeles zusammensuchte.
Beim Gespräch mit Cooder bietet sich die Frage an, ob «Get on Board» eine Spurensuche sei. Schliesslich waren viele von Cooders bisherigen Alben auch musikalische Entdeckungsreisen. Mit «Talking Timbuktu» (1994) legte Cooder die Wurzeln des Blues in Westafrika frei und erhob dabei den malischen Gitarristen Ali Farka Touré zum Weltstar.
Auf «Buena Vista Social Club» (1999) tauchte er tief in die Geschichte der kubanischen Musik ein und entzifferte diese für ein globales Publikum. «‹Get on Board› ist weder eine Spuren- noch eine Inspirationssuche», antwortet Cooder mit einer Schroffheit, die schon fast nach einem Gesprächsabbruch klingt.
Dann holt er zu einer längeren Antwort aus. Er und Taj Mahal hätten Mitte der 60er-Jahre bei der erfolglosen Band Rising Sons gespielt, sagt Cooder, erst 2014 seien sie wieder zusammen live aufgetreten. Auf Drängen seines Sohns Joachim Cooder hätten die alten Weggefährten nach Möglichkeiten gesucht, um weiter zusammenarbeiten zu können.
Bis sie die Idee umsetzen konnten, das Repertoire von Sonny Terry und Brownie McGhee aufzufrischen, vergingen mehrere Jahre. «Keiner von uns hatte mehr als ein paar Originalplatten von Sonny und Brownie bei sich zu Hause stehen», erklärt Taj Mahal bei einem separaten Telefongespräch. «Wenn man das Glück hat, Künstler von ihrem Kaliber regelmässig live zu erleben, denkt man gar nicht daran, dass man ihre Musik vielleicht für die Ewigkeit auf Vinyl festhalten müsste.»
«Taj und ich mussten einige von Sonny und Brownies Songs bei Youtube zusammenkratzen», sagt Cooder fast schon verlegen. Sein Bekenntnis zur Websuche kommt überraschend. Schliesslich gilt Cooder als Technikfeind, der die Digitalisierung der Musikproduktion verteufelt: «Die CD ist so ziemlich das Schlimmste, was dem Musikgeschäft je widerfahren ist. Bei mir zu Hause setze ich diese Dinger als Cocktailuntersetzer ein.»
«Die Stones kommen mir wie ein klapperiger Pferdewagen vor, der einen steilen Hügel hinunterrattert.»
Nicht umsonst distanziert sich Cooder vehement von seinem Erfolgsalbum «Bop Till You Drop», ein frühes digitales Experiment aus dem Jahre 1979. «Der Toningenieur hatte keine Ahnung von dieser damals völlig neuen Technologie», wettert Cooder. «So haben die Geräte die ganze Atmosphäre aus meinen Songs herausgesaugt. Für mich ist das Ambiente etwas vom Wichtigsten an einer Aufnahme. Darum haben Taj und ich ‹Get on Board› auch im Haus meines Sohns eingespielt.»
Tatsächlich ist «Get on Board» so etwas wie ein klingendes Familientreffen geworden, bei dem Leidenschaft mehr zählt als Perfektion. Dieser Ansatz hat auch bei Taj Mahal Tradition. Darum konnte er den Blues-Versuchen der Rolling Stones auch immer etwas abgewinnen. «Die Stones kommen mir wie ein klapperiger Pferdewagen vor, der einen steilen Hügel hinunterrattert», sagt Mahal abschliessend über seine Freunde Mick Jagger und Keith Richards. «An diesem Gefährt hängt so ziemlich alles schief, was schief hängen kann. Trotzdem kommen die Stones damit irgendwie immer gut ans Ziel.»
Taj Mahal & Ry Cooder: «Get on Board». Nonesuch.
Fehler gefunden?Jetzt melden.