Und wer vertritt die Städte?
Es ist bezeichnend für diese Bundesratswahl, dass lange darüber diskutiert wurde, ob die Tessiner Anspruch auf einen Bundesratssitz haben und ob zwei Hinwiler durchgehen. Kaum jemanden scheint aber zu stören, dass laut den aktuellen Prognosen ab 2012 kein Vertreter der Zentren mehr im neuen Bundesrat sitzen wird. So wird der Abgang der Genferin Micheline Calmy-Rey Ende Jahr voraussichtlich zu einem homogen zusammengesetzten halbstädtischen Bundesrat führen. Zuvor hatten Calmy-Rey und Moritz Leuenberger daran erinnert, dass zur Schweiz auch ein urbanes Lebensgefühl gehört. Sowohl die Genferin als auch der Zürcher hatten bei all den Macken, die sie auch hatten, frischen Wind in den Bundesrat gebracht. Sie waren schillernder als der Rest des Kollegiums und haben hin und wieder für eine überraschende Idee gesorgt. Sie machten den Vegetarismus und die modische Inszenierung in Bern salonfähig. Und sie öffneten der Schweiz so radikal den Blick Richtung Welt, wie das nur in grösseren Städten selbstverständlich ist. Zu bedauern, dass die Zentren nun demnächst voraussichtlich nicht mehr im Bundesrat vertreten sind, hat nichts mit städtischer Arroganz zu tun. Ähnlich würde etwas fehlen, wenn kein Vertreter einer richtig ländlichen Region im Bundesrat wäre. Halbe Städter aus Agglomerationen und Regionen, die im Kern weder Stadt noch Land sind, drohen aber blind zu sein gegenüber jener Entwicklung, die aktuell zwischen Genfersee und Bodensee im Gange ist: Einheitsmenü statt Differenzen. In den Zentren werden Differenzen gelebt, es entsteht ein anderes, offeneres Verhältnis gegenüber Ausländern, Abweichlern. Es gibt mehr Raum für Kreativität, oft auch in skurriler Form, wie sie in Städten täglich zu beobachten ist. Nachdem seit vier Jahrzehnten schon kein Stadtbasler mehr vertreten ist und auch die Stadt Zürich gegenwärtig wenig zwingende Kandidaturen hat, gibt es für Mittwoch nur einen parteiübergreifenden Kandidaten der Städte: Pierre-Yves Maillard. Sein Wohnsitz Remaufens mag nicht Weltstadt sein, aber sein Arbeitsort ist Lausanne. Die Wahl des Waadtländers würde die Städte stärken. Kommentar Res Strehle, Co-Chefredaktor, über die Herkunft der Parlamentarier und die Folgen für die Wahl.
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