Über 400'000 Franken liegen brach
Die Basler Orchesterförderung kommt nicht immer bei den Bedürftigen an.

Der Betrag ist nicht besonders hoch, doch er hat Signalwirkung: 2015 entscheidet der Basler Grosse Rat, die jährlichen Orchestersubventionen ans Sinfonieorchester Basel (SOB) von bislang rund acht Millionen Franken um rund 500'000 Franken zu kürzen. Die eingesparten Mittel sollen in einen Programmfördertopf für andere Klangkörper fliessen. Damit gibt man dem SOB zu verstehen, dass es sich vom Schoss des Staats ein Stück weit lösen soll, und will stattdessen weniger stark subventionierte Ensembles stärken, namentlich das Kammerorchester Basel, die Basel Sinfonietta, das Barockorchester La Cetra und das Ensemble Phoenix.
Bei diesen hält sich die Freude gleichwohl in Grenzen. Denn die Vergrösserung ihres jährlichen Topfs von einer auf neu 1,5 Millionen reicht nicht aus, um ein Versprechen des Kantons einzulösen: nämlich dass die Orchester dank der staatlichen Beiträge all ihren Musikerinnen und Musikern fortan den Mindestlohn, das heisst die vom Schweizerischen Musikverband (SMV) empfohlenen Tarife, zahlen können. Das Lohngefälle zwischen SOB-Mitgliedern und Musikern anderer professioneller Klangkörper bleibt nach wie vor gross – und dürfte bei den anstehenden Parlamentsdebatten über die Erneuerung der Orchesterförderung für Diskussionsstoff sorgen.
Zugunsten der gesamten Szene
Doch was geschieht mit den 1,5 Millionen pro Jahr überhaupt? Erstaunlicherweise wurden in der aktuellen Förderperiode (2016 bis 2020) nicht sämtliche Gelder bezogen, rund 440'000 Franken liegen brach. Es handelt sich um jene Mittel, die nicht diesem oder jenem Ensemble zugesprochen, sondern «zugunsten der gesamten Szene» eingesetzt werden sollen, wie es im einschlägigen Ratschlag von 2015 heisst. Damit wolle man «übergreifende Strukturen» unterstützen, «beispielsweise eine Kommunikationsplattform oder einen Orchesterproberaum». Und weiter: «Der Kanton trägt durch Beratung, Koordination, Vernetzung und Finanzierung zum Aufbau notwendiger allgemeiner Strukturen bei.» Die operative Durchführung und der Betrieb etwaiger Massnahmen oblägen den geförderten Orchestern oder anderen Partnern.
Das Thema Proberaum brennt hiesigen Musikern tatsächlich seit vielen Jahren unter den Nägeln, denn es gibt nicht genug davon. Der Kanton ist ihnen bislang allerdings keine grosse Hilfe gewesen. 2010 bietet sich die Möglichkeit, das Basler Volkshaus stärker für Orchester zu öffnen. Der im Auftrag von Radio SRF (damals DRS) umgebaute Grosse Saal wäre prädestiniert dafür: Er diente früher als Aufnahmestudio für das Radio-Sinfonieorchester und wird bis heute für seine gute Akustik geschätzt. Ein vom Musiker David Klein, Immobilienunternehmer Adrian Zoller und Thomas Dürr (Act Entertainment) erarbeitetes Konzept sieht eine prioritäre Nutzung durch das Kammerorchester und die Sinfonietta vor. Aber die Regierung gibt 2010 einem anderen Bewerber, der Zürcher Jugendstil AG, den Zuschlag für den Betrieb des Hauses inklusive dem Grossen Saal, wo heute unter anderem Bankette stattfinden. Das Problem Proberaum bleibt ungelöst.
2016 der nächste Anlauf: Der Kanton kauft für 5,86 Millionen Franken die ehemalige Erste-Kirche-Christi am Picassoplatz, um diese als Orchesterhaus umzunutzen. Der Umbau erweist sich aber als komplizierter als gedacht. Nach insgesamt drei Expertisen und mit drei Jahren Verzögerung hat man sich nun für eine Minimalversion entschieden: Von den ursprünglich zwei geplanten Proberäumen wird nur einer realisiert, und dieser ist wiederum mit Vorsicht zu geniessen – für die ganz grossen Sinfoniewerke eines Mahler oder Richard Strauss ist der Saal nicht geeignet (BaZ vom 27. Februar). Als Hauptnutzer steht das SOB bereit, daneben gibt es Platz für andere Ensembles, allerdings nicht sehr viel. Das Kammerorchester und die Sinfonietta sind in der Zwischenzeit aber ohnehin anderweitig fündig geworden: Sie ziehen in die ehemalige Don-Bosco-Kirche ein, die derzeit für 8,8 Millionen Franken (zum Grossteil private Spenden) zu einem Musikzentrum umgebaut wird.
Wie viel der Umbau der Erste-Kirche-Christi am Picassoplatz kostet, wissen die Basler Steuerzahler bis heute nicht, der Kanton hält sich bezüglich Baukosten bedeckt. Eine Interpellation von Grossrätin Sasha Mazzotti (SP) hat aber jüngst ein interessantes Detail ans Licht gebracht. Mazzotti wollte von der Regierung erfahren, wozu die oben erwähnten, knapp 450'000 Franken Strukturmittel bisher verwendet wurden.
Vor allem für das SOB
Der Regierungsrat hält in seiner Antwort zunächst fest, dass das Fördergefäss geschaffen worden sei, weil im Vorfeld «Basler Orchester eine Notwendigkeit für übergreifende Lösungen» dringlich gemacht hätten. Mangels Anträgen sei in den letzten Jahren jedoch kaum Geld aus dem Fördergefäss geflossen. Der grösste Posten betreffe die Erste-Kirche-Christi: «Für dieses Proberaumprojekt wurden im Jahr 2018 Mittel für bau- und raumakustische Untersuchungen in Höhe von 5385 Franken aus der Strukturförderung gesprochen.» Dass diese Investition hauptsächlich dem SOB nützt, der «gesamten Szene» hingegen nur sehr begrenzt, scheint auch der Regierung bewusst zu sein. Sie schreibt: «Weitere Mittel aus der Strukturförderung werden für das Vorhaben nicht benötigt.»
Die auf den ersten Blick markante Erhöhung der jährlichen Orchesterförderung von einer auf 1,5 Millionen relativiert sich somit: Ein Teil der Gelder, rund acht Prozent, liegt in der Strukturförderung brach. Zudem wurde vor vier Jahren zusammen mit den Fördergeldern die Zahl der Nutzniesser erhöht: La Cetra konnte durch Aufnahme ins Programm aus finanziellen Turbulenzen gerettet werden, es erhält nunmehr 290'000 Franken jährlich. Hinzu kommt eine Impulsförderung von 25'000 Franken pro Jahr an die Camerata Variabile.
Da bleibt für die anderen Ensembles nicht viel übrig, sie haben die Erhöhung nur marginal zu spüren bekommen: Beim Kammerorchester sind die jährlichen Beiträge von einst 505'000 Franken auf heute 520'000 gestiegen, bei der Sinfonietta von 334'000 auf 360'000 und beim Ensemble Phoenix von 130'000 auf 150'000. Die staatlich geförderten «übergreifenden Strukturen» haben bisher nicht viel, und wenn, dann am ehesten dem SOB etwas gebracht.
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