Chelsea gewinnt Champions LeagueTuchel triumphiert dank Havertz
Der deutsche Trainer führt Chelsea zum wichtigsten Titel im Clubfussball – sein Landsmann erzielt das entscheidende Tor zum 1:0.

Und die Frage ist, kann Pep Guardiola die Champions League nur mit Lionel Messi gewinnen?
Zweimal gewann er diesen Wettbewerb mit Barcelona und mit Messi, 2009 und 2011. Seither ist er dem dritten Triumph nachgerannt, mit Barcelona, dann drei Jahre lang mit Bayern München und seit 2016 mit Manchester City. Immer wieder war er gescheitert, spätestens im Halbfinal.
Diesmal scheint die Erlösung zum Greifen nahe. Bis in den Final hat er es seither noch nie geschafft. Und dann ist es 22.57 Uhr, und Guardiola ist das, was er so selten ist: Er ist der Verlierer. City hat in Porto den Final gegen Chelsea 0:1 verloren. Kai Havertz hat das Spiel vor 16’500 Zuschauern mit seinem Tor entschieden. Am Ende ist es ein Triumph für Thomas Tuchel – nach nur vier Monaten im Amt beim Club aus dem mondänen Stadtteil im Südwesten Londons.
Dabei ist City Favorit gewesen, weil es mehr Substanz im Kader hat, mehr Tiefe. Die Premier League hat es souverän gewonnen, zwölf Punkte vor dem Stadtrivalen United. Es gibt nur einen Makel: Die letzten beiden Spiele gegen Chelsea hat es in diesem Frühjahr verloren, einmal im Halbfinal des Cups, einmal in der Meisterschaft, als es allerdings belanglos war.
Es ist England gegen England, wie schon 2008 bei Manchester United gegen Chelsea und 2019 bei Liverpool gegen Tottenham. Zumindest stehen an diesem wunderbaren Abend in Porto zwei Clubs von der Insel auf dem Platz. Aber nur 7 der 22 Spieler in den Startaufstellungen haben einen englischen Pass, die übrigen kommen aus zehn verschiedenen Nationen. Vier sind es allein aus Deutschland, sie sollen am Ende entscheidenden Einfluss haben.
Als Mount den perfekten Pass spielt und Havertz kühl bleibt
Ein Duell findet an der Seitenlinie statt, wo die Trainer stehen. Das ist eben Guardiola gegen Tuchel, Spanier gegen Deutschen, Asket gegen Asket, Taktiker gegen Taktiker, der eine bewundert den anderen. Als Guardiola noch bei Bayern München war, schlug er Tuchel als seinen Nachfolger vor. So gross war seine Achtung vor dem Herausforderer.

Im Drachenstadion coachen beide intensiv, Guardiola noch einiges intensiver als der Kontrahent. Guardiola ist noch mehr unterwegs, noch gestenreicher. Nur einmal macht er vor der Pause den Eindruck, als wäre gleich alle Luft aus ihm entwichen. Da ist er auf seinem Stuhl zusammengesunken und hält sich an einer Wasserflasche fest. Das ist in der 42. Minute, Mason Mount spielt von der Mittellinie aus den Ball in die Tiefe. Er erwischt die City-Defensive, die völlig offen steht.
Kai Havertz entwischt ihr in diesem Moment, er legt den Ball am herausstürmenden Goalie Ederson vorbei, und dann hat er das leere Tor vor sich. Ein Kinderspiel nicht nur für einen Spieler mit seinem Talent, die Aktion erfolgreich abzuschliessen. 80 Millionen Euro hat Chelsea vor dieser Saison für den 21-jährigen Deutschen bezahlt, das 1:0 ist sein erstes Tor im 12. Einsatz für Chelsea in der Champions League.
Eine Halbzeit bleibt City noch, den Schaden zu reparieren. Nach einer Stunde wechselt Guardiola zum ersten Mal, er ist dazu gezwungen, weil Kevin De Bruyne nach einem perfiden Check von Antonio Rüdiger, auch er einer der Deutschen, nicht mehr weitermachen kann, sondern unter Tränen den Platz verlassen muss. De Bruyne hat bis dahin einen «falschen» Mittelstürmer gespielt, wie so oft in letzter Zeit und auch mit Erfolg. Aber diesmal ist dieser Spieler, der sonst von Weltklasse ist, absolut wirkungslos, Guardiolas Massnahme verpufft im luftleeren Raum. Er bringt Gabriel Jesus, einen richtigen Mittelstürmer.
Guardiola greift aufs letzte Mittel zurück – es bringt nichts
Besser wird dadurch das Offensivspiel der Engländer auch nicht. Chelseas Goalie Mendy muss nicht einen einzigen schwierigen Ball halten. Als es einmal nach Gefahr aussieht, schreitet Azpilicueta rettend ein. Er schlägt den Ball vor Gündogan über die Latte ins Toraus.
Mehr hat City bei allen Bemühungen nicht zu bieten – trotz aller feldmässigen Überlegenheit. Chelsea zeigt gar kein grosses Interesse mehr, aktiver zu werden. Es verlegt sich aufs Verteidigen und aufs Kontern. Viele Konter fallen zwar nicht ab, aber einmal brennt es vor dem Tor von Ederson. Pulisic vergibt nach einem Pass von Havertz eine grosse Chance. Es wäre nach 73 Minuten schon die Entscheidung gewesen.
Guardiola greift aufs allerletzte Mittel zurück, das ihm noch bleibt. Er bringt Sergio Agüero, den alten Krieger, der den Club in diesem Sommer verlassen wird, weil Guardiola mit ihm nicht mehr planen mag. Auch er ist ein Mittelstürmer, wie Jesus. Aber auch er verfängt sich im dichten Netz der Chelsea-Defensive.

Die Spieler mit den grossen Namen bei City haben im entscheidenden Moment nicht annähernd die Leistung geliefert, die von ihnen erwartet worden war. Kein De Bruyne, kein Mahrez, Gündogan, Sterling, Silva, der junge Foden ist nirgends. Und der grosse Verlierer steht abseits, Guardiola.
Bei Chelsea spielt keine Rolle, dass Timo Werner im Abschluss wieder einmal versagt. Chelsea hat eine stählerne Defensive, es hat Kanté, der als Abräumer vor der Abwehr alle überragt. Es hat Havertz. Und es hat Tuchel, der an Weihnachten in Paris gehen musste, weil er den Chefs da nicht mehr genügte.
Den Liveticker der Partie können Sie hier nachlesen.
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