Tsipras will kein Geld aus Russland
Die neue griechische Regierung erhält gewichtige Unterstützung für den Anti-Sparkurs – auch aus Übersee. Hilfe aus Moskau lehnt der Ministerpräsident derweil ab.

Hinter den Kulissen läuft ein Tauziehen um das griechische Rettungsprogramm: Europäische Politiker und Finanzkreise sorgen sich wegen des Konfrontationskurses der neuen Regierung. Athen hat am Wochenende um Verständnis für sein Abweichen vom strengen Sparkurs geworben. Ministerpräsident Alexis Tsipras schlug versöhnliche Töne an: Niemand wolle Streit, Griechenland brauche aber mehr Zeit für sein Reformprogramm, erklärte er.
Es sei niemals die Absicht seiner Regierung gewesen, «einseitig auf Griechenlands Schulden zu reagieren», versicherte Tsipras in einer Erklärung, die an Medien verbreitet wurde. Wenn Griechenland die Spar- durch eine Wachstumspolitik ersetze, bedeute dies nicht, dass es seinen Verpflichtungen gegenüber der Europäischen Zentralbank oder dem Internationalen Währungsfonds nicht nachkommen werde.
Tsipras strebt nach eigenen Angaben ein eigenes Programm an, das radikale Massnahmen gegen Steuerflucht, Korruption, Klientelpolitik sowie für einen ausgeglichenen Haushalt umfasst.
Obama zeigt Verständnis
US-Präsident Barack Obama hat Verständnis für das Abweichen der neuen griechischen Regierung vom strengen Sparkurs gezeigt. «Sie können Länder, die sich inmitten einer Depression befinden, nicht immer weiter ausquetschen», sagte Obama am Sonntag im Interview mit dem Fernsehsender CNN. Bei einer Wirtschaft, die sich «im freien Fall» befinde, brauche es vor allem eine Wachstumsstrategie. Nur so könne ein Land seine Schuldenlast reduzieren.
Obama räumte ein, dass Strukturreformen in Griechenland bitter nötig seien. Angesichts des rapide sinkenden Lebensstandards der Menschen seien diese aber schwer umzusetzen. Er hoffe, dass Griechenland in der Eurozone bleiben könne, sagte der US-Präsident. Dafür seien aber «Kompromisse auf allen Seiten» nötig.
«Es braucht vor allem eine Wachstumsstrategie»: US-Präsident Barack Obama auf CNN. (Video: CNN)
Berlin will weiterhin Troika-Kontrollen
Die deutsche Regierung hält an der Überprüfung der Reformfortschritte in Griechenland durch die Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) fest. Eine Regierungssprecherin, Christiane Wirtz, sagte heute in Berlin, es gebe keinen Anlass, von diesem «bewährten Mechanismus abzuweichen». Wirtz sagte, Ministerpräsident Alexis Tsipras sei ein willkommener Gast in Deutschland. Das heisse aber nicht, dass man in der Sache nicht auch hart sprechen würde.
Die Bundesregierung habe auch «keinerlei Anhaltspunkte» dafür, dass die EU-Kommission von dem Verfahren Abstand nehmen wolle. Das «Handelsblatt» hatte berichtet, dass EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker plane, die Griechenland-Troika abzuschaffen. Der neue griechische Finanzminister Giannis Varoufakis hatte vergangene Woche die Zusammenarbeit mit den in seinem Land ungeliebten Kontrolleuren von Europäischer Zentralbank (EZB), des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EU-Kommission aufgekündigt.
Tsipras lehnt Hilfe aus Moskau ab
Griechenland spekuliert nach den Worten von Ministerpräsident Alexis Tsipras zurzeit nicht auf einen Hilfskredit aus Russland. Die Regierung befinde sich in substanziellen Verhandlungen mit den Partnern in Europa und den anderen Geldgebern, sagte Tsipras heute bei einem Besuch auf Zypern. «Gegenwärtig liegen keine anderen Überlegungen auf dem Tisch», fügte er bei einem Treffen mit Staatspräsident Nikos Anastasiadis in Nikosia hinzu.
Zugleich zeigte sich der radikallinke Politiker überrascht, von vielen «mächtigen Europäern» in seinem Ruf nach einer weniger harten Sparpolitik unterstützt zu werden. Die Griechen bräuchten «Raum zum Atmen», sagte er.
(Video: Reuters)
Tsipras sagte, wenn Griechenland oder Zypern sich vom Euro verabschieden würden, wäre das ein schwerer Schlag für Europa und würde die Stabilität im östlichen Mittelmeer gefährden. «Die Eurozone ohne Zypern und Griechenland würde eine Amputation des Südostens Europas bedeuten», sagte er weiter. Die beiden EU-Staaten seien ein Stabilitätsfaktor im östlichen Mittelmeer trotz der aktuellen Finanzprobleme. Europa brauche «heute mehr als je zuvor» Wachstum, sagte Tsipras.
Mehr Zeit – Keine Privatisierungen
Finanzminister Giannis Varoufakis bat am Sonntagabend bei einem Treffen mit seinem französischen Kollegen Michel Sapin um mehr Zeit. Die Rückzahlung bestehender Schulden seines Landes müsse auch an die Fähigkeit gekoppelt werden, wieder Wachstum zu erzielen. Zugleich kündigte er an, keine neue Schuldentranche anzunehmen.
In einem Interview mit der Zeitung «Le Monde» verteidigte Varoufakis auch, die geplante Privatisierungen von Staatseigentum auf Eis zu legen. Es sei nicht sehr schlau, das Tafelsilber des Staats durch weitere Privatisierungen zu verscherbeln. In einer deflationären Phase sei es klüger, Staatseigentum weiter zu entwickeln und ihren Wert zu steigern.
Varoufakis machte aber auch deutlich, dass bereits abgeschlossene Privatisierungen nicht rückgängig gemacht würden. Investitionen wie die des chinesischen Konglomerats Cosco seien «sehr positiv für Griechenland», sagte er «Le Monde». Ausländische Investitionen, «vor allem chinesische», seien ein wichtiger Hoffnungsträger für Strukturreformen und die Erhöhung der griechischen Wettbewerbsfähigkeit.
Auch Paris stützt Athen
Bei ihrem Treffen sagte der französische Finanzminister Sapin der neuen griechischen Regierung zu, sie bei der Suche nach einer Einigung mit den internationalen Partnern zu unterstützen. Es sei legitim, dass sich Griechenland über die Schuldenlast sorge und um eine Erleichterung bemühe. Griechenlands Platz sei in der Eurozone. Jede neue Vereinbarung mit der Regierung in Athen müsse berücksichtigen, in welchem Umfang sie zu Strukturreformen bereit sei. Wichtig sei die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit und die Rückkehr zu Wachstum, sagte Sapin.
Der Finanzminister Giannis Varoufakis erklärte, sein Land sei geradezu süchtig nach Verschuldung geworden, es sei Zeit für einen Entzug. «Wir wurden gewählt, um diese Sucht zu stoppen, sagte er. Die griechische Regierung werde bis Ende Februar detaillierte Vorschläge auf den Tisch legen, dann könne hoffentlich bis Ende Mai eine neue internationale Übereinkunft zur Lösung der griechischen Schuldenkrise getroffen werden.
Athen «verärgert viele Leute»
Solche Aussagen beunruhigen Beobachter. «Mit ihrer Rhetorik und ihren Taten verärgert die neue Regierung viele Leute. Sie manövriert sich in eine unmögliche Situation», sagte ein nicht namentlich genannter EU-Vertreter gegenüber der «Financial Times». Mit den Verhandlungen zwischen Griechenland und der Eurozone vertraute Repräsentanten sagten, sie wüssten nicht, welche weiteren Hilfen den Griechen vorschweben oder worüber Athen genau verhandeln wollte.
Das Hilfsprogramm läuft am 28. Februar aus. Wird es nicht erneuert, stünde Athen erstmals seit fünf Jahren ohne finanzielle Rückendeckung der EU da. Laut der «Financial Times», die sich auf EU-Vertreter stützt, könnte Griechenland dem IMF wahrscheinlich im März noch eine 4,3-Milliarden-Dollar-Tranche zurückzahlen. Spätestens Anfang Juni würde das Land aber «gegen eine Wand laufen». Dann werde eine erste von zwei Anleihen fällig im Gesamtwert von mehr als 3 Milliarden Euro.
London: Schuldenstreit ein Risiko für Weltwirtschaft
Finanzminister Gianis Varoufakis hat am Montag seine Reise zu mehreren europäischen Regierungen mit einem Besuch bei seinem britischen Amtskollegen fortgesetzt. Finanzminister George Osborne sagte, ein dauerhafter Konflikt zwischen Griechenland und der restlichen Euro-Zone könnte schnell zum grössten Risiko für die Weltwirtschaft werden. Griechenland müsse im Kampf gegen die Schuldenkrise vernünftig handeln – gleichzeitig müsse die Euro-Zone aber mehr tun, um für Wachstum und Jobs zu sorgen.
Osborne sagte zudem am Montag in London, er habe konstruktive Gespräche mit seinem neuen griechischen Amtskollegen gehabt. Obwohl Grossbritannien nicht der Euro-Währungsgruppe angehört, will Varoufakis eine Verbindung zu dem Land aufbauen.
Der griechische Finanzminister will am Dienstag nach Italien weiterreisen. Nach eigenen Angaben wird er auch bald Berlin und Frankfurt am Main seine Aufwartung machen. Ein solcher Besuch sei «essentiell», schon wegen der Bedeutung Deutschlands in Europa, sagte er in Paris. Dem Finanzministerium in Berlin liegt nach Angaben eines Ministeriumssprechers noch keine Anfrage zu einer solchen Visite vor. Ministerpräsident Tsipras will ebenfalls noch nach Italien und Frankreich und zur EU-Kommission nach Brüssel reisen. Besuche in Berlin sind derzeit offiziell nicht geplant.
Absage an Schuldenschnitt
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte griechischen Forderungen nach einem Schuldenschnitt am Wochenende erneut eine Absage erteilt. Ähnlich äusserten sich auch andere europäische Regierungschefs. Griechenland erhält seit 2010 Kredite in Höhe von 240 Milliarden Euro, um es vor dem Staatsbankrott zu bewahren. Im Gegenzug musste es sich zu Reformen bereit erklären, deren Fortschritte von der Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission überwacht werden.
AFP/sda/rub
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