Tsipras beendet Sparmassnahmen – Börse stürzt ab
In seiner ersten Regierungserklärung bekräftigte Griechenlands neuer Premier seine Wahlversprechen: Das Rettungspaket der EU sei gescheitert. Die Athener Börse verliert rund 5 Prozent.

Allem Widerstand von Athens Gläubigern zum Trotz hält der neue griechische Regierungschef Alexis Tsipras an seinen Plänen fest, aus dem bisherigen Hilfsprogramm auszusteigen und stattdessen mithilfe einer Überbrückungsfinanzierung eine neue langfristige Lösung der Schuldenkrise auszuhandeln.
Seine Regierung werde ihre Wahlversprechen einlösen, sagte Tsipras am Sonntagabend bei der Vorstellung seines Regierungsprogramms im Parlament. Das sei eine «Frage der Ehre». Sein Land wolle seine Schulden begleichen, sagte Tsipras weiter. Die Ära der Sparmassnahmen und «fünf Jahre währenden Notkredit-Barbarei» sei aber vorbei.
Nach der Grundsatzrede ist die Börse in Athen wieder auf Talfahrt gegangen. Der Leitindex Athex verlor am Vormittag 5,38 Prozent und fiel auf 760 Punkte. Seit dem Amtsantritt von Tsipras vor zwei Wochen geht es an der Börse in Athen auf und ab. Kurz nach der Wahl waren die Kurse zunächst abgestürzt.
«Solidarität» der Geldgeber gefordert
Seine Regierung werde die Regeln der Eurozone respektieren, die griechische Wirtschaft aber nicht zu einer «ewigen Rezession» zwingen. Die Bevölkerung habe seiner Regierung das Mandat erteilt, das bisherige strikte Sparprogramm aufzukündigen, betonte der Chef der linken Syriza-Partei. Er lud alle Partner aus den Euroländern ein, am Verhandlungstisch über neue Wege aus der Schuldenkrise zu beraten.
In seiner Rede nahm Tsipras die Geldgeber in die Pflicht. Es sei an der Europäischen Union, zu ihren «Gründungsprinzipien der Solidarität, sozialen Kohäsion, Wachstum und Demokratie zurückzukehren, sagte er.
Erste Regierungserklärung: Alexis Tsipras vor dem Parlament in Athen. (Video: Reuters)
Als Symbol für seine Abkehr von der bisherigen Sparpolitik kündigte Tsipras eine Wiedereröffnung des öffentlichen Fernsehsenders ERT an. Die Entscheidung der konservativen Vorgängerregierung, den Sender aus Spargründen zu schliessen, hatte damals eine Welle der Empörung ausgelöst. Mit der erneuten Inbetriebnahme von ERT werde «ein Verbrechen gegen das griechische Volk und die Demokratie» wiedergutgemacht, sagte der neue Regierungschef.
Gleichzeitig hielt er an seiner Ankündigung fest, den Mindestlohn von derzeit 580 Euro bis zum kommenden Jahr auf 750 Euro monatlich anzuheben. Dies sei ein Schritt gegen die «humanitäre Krise», die durch die bisherige Sparpolitik ausgelöst worden sei. Tsipras kündigte ausserdem «einen gnadenlosen Krieg gegen die Korruption» und gegen Steuerbetrug an.
Forderungen aus Nazi-Zeit
Als Antwort auf die Frage, wie die ganzen Sozialmassnahmen finanziert werden sollen, verwies Tsipras unter anderem auf nach seiner Ansicht noch offene Reparationsforderungen an Deutschland aus der Nazi-Zeit. Athen habe die «moralische Verantwortung unserem Volk gegenüber, gegenüber der Geschichte und allen Völkern Europas», die gegen die Nazis gekämpft hätten, das Geld einzufordern, sagte er. Der 40-jährige Politiker spielte dabei vor allem auf eine Zwangsanleihe der griechischen Nationalbank an das Dritte Reich in Höhe von 476 Millionen Reichsmark an, die nie zurückgezahlt wurde. Nach griechischer Rechnung entspräche dies heute elf Milliarden Euro.
Die Eckpunkte des Regierungsprogramms entsprechen weitgehend den Plänen, die Tsipras und sein Finanzminister Giannis Varoufakis vergangene Woche bei ihren Besuchen in Rom, Paris, Brüssel und Frankfurt vorgestellt hatten. Dort stiessen sie vorwiegend auf Ablehnung, und auch Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem schloss am Freitag einen Überbrückungskredit aus.
Tsipras trifft auf Merkel
Für den späten Dienstagabend ist im griechischen Parlament eine Debatte über Tsipras' Regierungserklärung anberaumt. Im Anschluss soll darüber abgestimmt werden.
Am Montag wird Tsipras nach Angaben aus Athen zu einem weiteren Gespräch mit dem österreichischen Kanzler Werner Faymann nach Wien reisen. Am Mittwoch, einen Tag vor dem EU-Gipfel, wollen die Finanzminister der 19 Euro-Staaten in einer Sondersitzung über Griechenland beraten. Bei dem Gipfel am Donnerstag wird Tsipras dann erstmals Bundeskanzlerin Angela Merkel treffen. Die Zeit drängt. Das aktuelle Hilfsprogramm in Höhe von 240 Milliarden Euro läuft Ende Februar aus; ohne eine Anschlussfinanzierung droht Griechenland bald die Pleite.
Greenspan: Athen dürfte austreten
Nach Auffassung des ehemaligen Chefs der US-Notenbank Fed, Alan Greenspan, läuft letzten Endes alles auf einen Austritt Athens aus der Eurozone hinaus. Es gebe keine «einfache Lösung» der Schuldenkrise, «genau genommen sehe ich nicht, wie sie gelöst werden kann, ohne dass Griechenland die Eurozone verlässt», sagte Greenspan am Sonntag der BBC.
Er könne einfach nicht erkennen, wie ein Verbleib Griechenland helfen könne – «und ich sehe ganz gewiss nicht, wie dies dem Rest der Eurozone hilft». Nach Greenspans Auffassung ist es nur «eine Frage der Zeit, bis alle erkennen, dass die Trennung die beste Strategie ist».
AFP/AP/rub
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