Trumps Geschenk an das brutale Regime in Damaskus
Experten und Senatoren halten den Rückzug der US-Truppen aus Syrien für «einen grossen Fehler». Es ist unklar, wie der US-Präsident plötzlich zu dieser Entscheidung kam.
Donald Trump kann machen, was er will – das war im Kern die Erklärung des Weissen Hauses zu dem überraschenden Rückzug der amerikanischen Bodentruppen aus Syrien. «Der Präsident ist befugt, diese Entscheidung zu treffen, und er hat sie getroffen», sagte ein ranghoher Regierungsmitarbeiter am Mittwoch in einer Telefonkonferenz mit Journalisten.
Das war freilich eine rein formelle Verteidigung. Dass Trump als Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte das Recht hat, über deren Einsätze zu befinden, stand am Mittwoch überhaupt nicht zur Debatte. Es ging um ganz andere Fragen: Wie ist Trump zu der Entscheidung gekommen? Warum traf er sie so plötzlich an diesem Dienstag? Und vor allem: Ist es die richtige Entscheidung?
«Ein grosser Fehler»
Die letzte Frage wird praktisch vom gesamten aussenpolitischen Establishment in Washington verneint. Trump zufolge war der einzige Zweck des US-Einsatzes in Syrien, das «Kalifat» der Terrorgruppe Islamischer Staat zu zerschlagen, dem IS also das von ihm besetzte Gebiet wieder zu entreissen. Das sei gelungen, der Islamische Staat sei besiegt, twitterte Trump am Mittwoch. Deswegen: Abzug.
Viele Experten sehen das anders. Sie halten den Rückzug der US-Truppen aus Syrien für ein Geschenk an das brutale Regime von Diktator Bashar al-Assad und dessen kaum weniger brutale Verbündete Russland und Iran. Vizepräsident Mike Pence wurde am Mittwoch von wütenden republikanischen Senatoren ins Capitol bestellt, um Trumps Entscheidung zu erklären. Der Abzug sei «ein grosser Fehler», erhöhe die Gefahr eines iranisch-israelischen Kriegs und gefährde Amerikas Ruf als verlässlicher Partner, kritisierte zum Beispiel Senator Marco Rubio. Ähnlich äusserten sich etliche seiner Kollegen. Was die Senatoren ebenfalls ausserordentlich erboste, war die Tatsache, dass Trump sie nicht informiert hatte. Sie erfuhren von dem Abzugsbefehl aus den Nachrichten. Das wiederum führt zur ersten Frage: Wie ist Trump überhaupt zu der Entscheidung gekommen?
Nach allem, was bisher bekannt ist, lautet die Antwort: jedenfalls nicht dadurch, dass er auf seine aussen- und sicherheitspolitischen Berater gehört hätte. Sowohl der US-Generalstabschef Joseph Dunford als auch die Minister Mike Pompeo (Aussen) und James Mattis (Verteidigung) sowie Trumps Sicherheitsberater John Bolton und diverse andere amerikanische Diplomaten, die sich mit Syrien befassen, sind gegen den Abzug. Sie wollen nicht Teheran und Moskau das Feld überlassen oder dem IS Gelegenheit geben, sich neu zu formieren. Ähnlicher Ansicht sind die europäischen und arabischen Länder, die bisher mit den USA in der Koalition gegen den IS gekämpft haben. Auch sie wurden über Trumps Entscheidung allenfalls informiert, aber nicht vorher konsultiert.
Keine Überraschung
Insofern sieht es so aus, als habe Donald Trump nur eine Person um Rat gefragt: Donald Trump. Und dass Trump den Militäreinsatz in Syrien so schnell wie möglich beenden wollte, war seit langem bekannt. Trump hat den Kampf gegen den IS durchaus unterstützt, zumindest solange dieser über ein «Kalifat» herrschte. Aber der US-Präsident hatte nie die Absicht, sich dadurch in den syrischen Bürgerkrieg verwickeln zu lassen oder dort auf Dauer amerikanische Truppen einzusetzen. In dieser Hinsicht hatte der Mitarbeiter im Weissen Haus, der am Mittwoch mit der Presse sprach, völlig recht: «Was der Präsident denkt, war bekannt. Ich halte die Entscheidung nicht für eine Überraschung.»
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