Trumps General will auspacken
Der Ex-Sicherheitsberater im Weissen Haus hat laut seinem Anwalt «eine Geschichte zu erzählen». Was weiss Michael Flynn über die Russland-Kontakte der Trump-Regierung?

Er stand im US-Wahlkampf 2016 an vorderster Front im Kampf gegen Hillary Clinton. Als einflussreichster aussenpolitischer Berater Donald Trumps führte Ex-General Michael Flynn beim republikanischen Parteitag in Cleveland im Juli donnernde Sprechchöre an: «Sperrt sie ein», verlangten diese und meinten die demokratische Präsidentschaftskandidatin.
Seit Freitag wird in Washington spekuliert, ob Flynn selbst im Gefängnis landen wird. Denn inmitten intensiver Ermittlungen über die Rolle Russlands im US-Wahlkampf und die offene Frage, ob Mitarbeiter Donald Trumps oder gar der damalige Kandidat Trump mit Moskau kollaborierten, schlug am Donnerstagabend in der US-Hauptstadt eine Nachricht wie eine Bombe ein: Michael Flynns Anwälte boten dem Kongress sowie den Ermittlern des FBI seine Aussage im Gegenzug für Immunität an.
«Geschichte erzählen, wenn die Umstände es zulassen»
Flynn habe «sicherlich eine Geschichte zu erzählen, und er möchte sie erzählen, wenn die Umstände es zulassen», schrieb Anwalt Robert Kelner. Allerdings, so Kelner weiter, könne von seinem Mandanten nicht erwartet werden, dass er «sich Fragen aussetzt in einem politisierten Umfeld, das einer Hexenjagd gleicht». Flynn werde nur reden, sofern er «eine Garantie gegen eine unfaire Anklage erhält».
Michael Flynn ist keine kleine Nummer: Er diente dem Präsidenten im Weissen Haus als Sicherheitsberater, bevor er nach lediglich 24 Amtstagen wegen seiner geheimen Gespräche mit Sergey Kislyak, dem russischen Botschafter in Washington, vom Amt zurücktreten musste. Noch vor dem Amtsantritt Trumps hatte Flynn mit dem Diplomaten über eine mögliche Aufhebung der Sanktionen gegen Russland geredet, und danach Trumps Vize Mike Pence über den Inhalt der Gespräche belogen.
Da der ehemalige General seit dem Sommer 2016 dem engsten Beraterkreis Trumps angehörte, wüsste er wahrscheinlich einiges – so es sich ereignet hätte. Der Präsident reagierte am Freitag wie erwartet auf die Bombe vom Vorabend: Es handle sich einmal mehr um eine «Hexenjagd» der Presse und der Demokraten, Flynn solle schon deshalb Immunität suchen, twitterte Trump.
Im Wahlkampf 2016 war Kandidat Trump weit weniger grosszügig gewesen: Als das Justizministerium im Zuge der Untersuchung über Hillary Clintons privaten E-Mail-Server fünf Mitarbeitern der demokratischen Kandidatin Immunität gewährte, wertete Trump dies als Schuldnachweis. «Der Grund, warum sie Immunität bekommen, ist, dass sie etwas falsch gemacht haben», so Trump. Flynn hieb damals in die gleiche Kerbe: «Wenn jemand Immunität bekommt, hat er wahrscheinlich ein Verbrechen begangen», erklärte der Ex-General.
Flynn ist nicht der einzige Insider, den das FBI sowie die mit der Untersuchung der russischen Einmischung in den US-Wahlkampf beauftragen Geheimdienstausschüsse im Senat und im Repräsentantenhaus einvernehmen wollen. Auch Trumps Schwiegersohn Jared Kushner sowie andere Vertraute und Mitarbeiter wollen aussagen. Flynn aber wäre von besonderem Interesse für die Ermittler. Hat der Ex-General indes wirklich «eine Geschichte zu erzählen», wie sein Anwalt schreibt?
Bislang ist nichts wirklich bewiesen worden, auch wenn es einige Verdachtsmomente gibt, die auf Kontakte zwischen Trumps Wahlkampfstab und Moskau hinweisen. Jermey Bash, Ex-Stabschef bei der CIA, glaubt, dass hier «kriminell» gehandelt worden sei und dies «bis in die Spitze», also bis zum Präsidenten, reiche. Andere sind sich weniger sicher, Trump sowie der Kreml dementierten wiederholt.
Kurze Amtszeit: Flynn tritt zurück. 14. Februar 2017 (Video: Tamedia)
Vor diesem Hintergrund bleibt zunächst unklar, was Flynn den Ermittlern anbieten könnte. Zumal es höchst ungewöhnlich ist, dass sich ein Zeuge öffentlich zu einer Aussage bereiterklärt. Normalerweise wird ein Immunitätsdeal in aller Stille zwischen den Kongressausschüssen sowie dem Justizministerium und den Anwälten des Aussagebereiten ausgehandelt.
Warum also ging Flynns Anwalt an die Öffentlichkeit? Sein Mandant hat derzeit zweierlei zu befürchten: Wahrscheinlich log Flynn das FBI an, als er über seine Kontakte zu Botschafter Kislyak befragt wurde. Und ausserdem versäumte er es, sich trotz seiner Lobbytätigkeit für die Türkei beim Justizministerium als Lobbyist zu registrieren. Beides sind eher Petitessen, doch will sich Flynn vielleicht gegen eine Strafverfolgung absichern.
Andererseits ist nicht auszuschliessen, dass der Ex-Sicherheitsberater wirklich etwas über Trumps vermeintliche Beziehungen zum Kreml weiss und auszupacken bereit ist. Wie auch immer: Sowohl der Geheimdienstausschuss des Senats als auch das Justizministerium deuteten gestern an, dass sie momentan nicht auf Flynns Angebot eingehen möchten: Die Untersuchungen liefen erst an, noch sei nicht absehbar, wohin sie führten.
Irgendwann aber werden Flynn und seine Anwälte wahrscheinlich zu einem sogenannten «Proffer» erscheinen, einem Termin, bei dem sie den Ermittlern in Grundzügen skizzieren, was Flynn anzubieten hat. Ist dieses Wissen interessant, könnte ein Immunitätsdeal abgeschlossen werden. Umfängliche Befreiung von einer Strafverfolgung kann nur das Justizministerium gewähren. Bis dahin dürfte einige Zeit vergehen, obschon das FBI in der Sache bereits seit Juli ermittelt.
Auch der Geheimdienstausschuss des Senats macht Fortschritte: In einer öffentlichen Anhörung beschrieben Zeugen am Donnerstag das Ausmass der russischen Einflussnahme auf den US-Wahlkampf im Vorjahr. Moskau habe Donald Trump während des republikanischen Vorwahlkampfs auf Kosten seiner Konkurrenten mit Propaganda und Fake-News systematisch «gefördert», sagte der Cyber-Sicherheitsexperte und frühere FBI-Agent Clint Watts vor dem Ausschuss.
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