«Tötet eure Demonstranten nicht»
Die Proteste nach dem Abschuss-Geständnis setzen Teheran unter Druck. Der US-Präsident bezieht dabei klar Stellung.
Nach dem irrtümlichen Abschuss eines Passagierflugzeugs im Iran haben Hunderte Menschen gegen die Führung der Islamischen Republik protestiert. Unterstützung bekamen die Demonstranten von US-Präsident Donald Trump, der ihren Mut lobte und den Beistand Amerikas zusicherte.
US-Präsident Trump schickte inhaltsgleiche Twitter-Nachrichten auf Englisch und auf Persisch an das «tapfere, leidgeprüfte» iranische Volk. «Ich stehe seit Beginn meiner Präsidentschaft an Ihrer Seite, und meine Regierung wird Ihnen auch weiterhin zur Seite stehen», schrieb er an die Demonstranten. «Wir verfolgen Ihre Proteste aufmerksam und lassen uns von Ihrem Mut inspirieren.»
In einem weiteren Tweet forderte Trump, die iranische Regierung müsse Menschenrechtsorganisationen erlauben, die anhaltenden Proteste zu beobachten und darüber zu berichten. «Es kann weder ein weiteres Massaker an friedlichen Demonstranten noch eine Abschaltung des Internets geben. Die Welt sieht zu.»
In einem weiteren Tweet richtete Trump folgende Worte an die iranische Führung: «An die Führer des Iran – töten Sie Ihre Demonstranten nicht. Tausende wurden bereits von Ihnen getötet oder inhaftiert, und die Welt schaut zu. Noch wichtiger ist, dass die USA zuschauen. Schalten Sie Ihr Internet wieder ein und lassen Sie Reporter sich frei bewegen! Stoppen Sie die Tötung Ihres grossen iranischen Volkes!»
Zuvor forderte Trump ebenfalls über Twitter, die iranische Regierung müsse Menschenrechtsorganisationen erlauben, die anhaltenden Proteste zu beobachten und darüber zu berichten. «Es kann weder ein weiteres Massaker an friedlichen Demonstranten noch eine Abschaltung des Internets geben. Die Welt sieht zu.»
Britischer Botschafter festgesetzt
Am Rand der regierungskritischen Proteste am Samstagabend in Teheran wurde der britische Botschafter kurzzeitig festgesetzt. Die Regierung in London rügte dies als «ungeheuerliche Verletzung internationalen Rechts». Auch die EU äusserte sich deswegen besorgt und rief zur Deeskalation auf. Botschafter geniessen im Gastland Immunität – damit sind sie vor straf- und zivilrechtlicher Verfolgung geschützt.
Die Demonstranten in Teheran empörten sich über das Eingeständnis der iranischen Staatsführung, doch für den Absturz des ukrainischen Passagierflugzeugs verantwortlich zu sein. Zuvor hatten die Behörden das tagelang abgestritten und von einem technischen Defekt als Ursache gesprochen. Bei dem Abschuss starben 176 Menschen, darunter nach Angaben Teherans 147, die auch die iranische Staatsbürgerschaft hatten.
Polizei setzt laut Augenzeugen Tränengas ein
«Sie lügen, wenn sie sagen, unser Feind ist Amerika. Unser Feind ist hier», skandierten Dutzende Protestierer vor einer Universität in Teheran, wie ein über Twitter verbreitetes Video zeigte. Auch aus anderen Städten kursierten Videos mit Demonstrationen gegen die Regierung. Deren Wahrheitsgehalt konnte zunächst nicht überprüft werden, wie die Nachrichtenagentur Reuters schreibt. «Entschuldigt euch und tretet zurück», titelte die als moderat geltende Zeitung «Etemad». Es sei der Wille des Volkes, dass die Verantwortlichen ihre Posten aufgeben müssten.
In einem Kommentar der ebenfalls moderaten Tageszeitung «Islamische Republik», hiess es: «Diejenigen, die die Veröffentlichung der Ursache für den Flugzeugabsturz verzögert und das Vertrauen der Bevölkerung in das Establishment beschädigt haben, sollten entlassen werden oder zurücktreten.» Kritik an den iranischen Behörden ist nichts Ungewöhnliches. Sie bewegt sich jedoch in der Regel in engen Grenzen.
Anwohner berichteten laut Reuters, am Sonntag seien Polizeikräfte in Teheran zusammengezogen worden. Am Samstag war Bereitschaftspolizei mit Tränengas gegen Tausende Protestierer in der Hauptstadt vorgegangen. Viele von ihnen riefen «Tod dem Diktator» in Anspielung auf das geistliche Oberhaupt des Landes, Ayatollah Ali Khamenei.
«Unverzeihlicher Vorfall»
Die Revolutionsgarden erklärten, die Maschine sei versehentlich als feindlicher Marschflugkörper eingestuft und dann abgeschossen worden. Präsident Hassan Rohani versprach eine gründliche Untersuchung und sagte, der «unverzeihliche Vorfall» werde juristisch konsequent verfolgt. Zudem sollten die Familien der Opfer entschädigt werden.
Video: Abschuss von Flug PS 752 – ein Überblick über die Ereignisse
Ähnlich äusserte sich der oberste Führer, Ayatollah Ali Khamenei, der sein tiefstes Mitgefühl ausdrückte und eine lückenlose Aufklärung forderte. Der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj nahm eine offizielle Entschuldigung Ruhanis an und kündigte an, Entschädigungsforderungen zu übersenden.
Die Lage war eskaliert, nachdem die USA den iranischen Top-General Qassem Soleimani Anfang Januar in Bagdad gezielt getötet hatten. Nach dem Vergeltungsangriff des Irans auf von den USA genutzte Militärstützpunkte im Irak hatten Trump und Rohani angekündigt, den Konflikt auf die politische Ebene zurückführen zu wollen.
Teilnahme an «illegaler Kundgebung»
Der britische Botschafter Rob Macaire wurde am Samstagabend eine halbe Stunde lang festgesetzt, wie er auf Twitter schrieb. Zuvor habe er an einer Trauerkundgebung für die Absturzopfer teilgenommen, unter denen auch Briten waren. Die Veranstaltung verliess er aber nach eigenen Angaben nach fünf Minuten, als Parolen gerufen wurden. Er habe nicht an einer Demonstration teilgenommen, betonte er.
Die Nachrichtenagentur Tasnim berichtete dagegen, Macaire habe vor der Universität Amir Kabir Demonstranten animiert, «radikale Aktionen» durchzuführen. Er wurde deshalb am Sonntag ins Aussenministerium einbestellt.
Rob Macaire wurde dabei mitgeteilt, dass seine Teilnahme an einer «illegalen Kundgebung» gegen die diplomatischen Vorschriften verstossen habe. Die Teilnahme habe nichts mit seinen Verpflichtungen als Vertreter seines Landes zu tun gehabt, erklärte das Aussenministerium dem Diplomaten laut einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Irna.
Der britische Aussenminister Dominic Raab schrieb dagegen von einer grundlosen und unbegründeten Festnahme. Auch die deutsche Regierung rügte die Festsetzung des Botschafters als «völlig inakzeptablen Verstoss gegen internationales Recht». Frankreich sprach seine uneingeschränkte Solidarität aus.
Keine Atomwaffen
Im Atomkonflikt des Irans mit den USA wollen Deutschland und Russland trotz der jüngsten Rückschläge an dem Abkommen von 2015 festhalten. Beide Länder seien dafür, diese Vereinbarung weiter umzusetzen, sagte Kremlchef Wladimir Putin nach einem Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel in Moskau. Merkel betonte, alle diplomatischen Kanäle müssten genutzt werden. Ziel sei, dass der Iran keine Atomwaffen bekomme.
Putin erinnerte daran, dass es der Ausstieg der USA war, der dazu geführt habe, dass der Iran seine freiwilligen Verpflichtungen aus dem Abkommen ausgesetzt habe. Der Iran hatte vor wenigen Tagen angekündigt, keine Beschränkungen für die Anzahl und Modelle seiner Zentrifugen mehr zu beachten. Damit kann das Land sein Atomprogramm nun unbegrenzt weiterführen und auch Uran unlimitiert anreichern.
In dem Atomabkommen mit den fünf UNO-Vetomächten und Deutschland hatte sich der Iran verpflichtet, sein Nuklearprogramm so zu gestalten, dass das Land keine Atombomben bauen kann. Im Gegenzug sollten Sanktionen aufgehoben werden. Die USA verhängten nach ihrem Ausstieg aus dem Abkommen massive Sanktionen gegen Teheran.
Im USA-Podcast «Entscheidung 2020» diskutieren Christof Münger, Auslandchef von Tamedia, und Korrespondent Martin Kilian über die Iran-Krise, Donald Trump und das Impeachment.
reuters/sda/red
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