«Trump benutzt eine Rhetorik, die ihn noch mehr unter Druck setzt»
Im Konflikt zwischen den USA und Nordkorea verschärft sich der Ton. Wie gross ist die Gefahr einer militärischen Eskalation? Einschätzungen von ETH-Sicherheitsexperte Oliver Thränert.

Donald Trump warnt Nordkorea vor «Feuer und Zorn». Und Nordkorea droht mit einem militärischen Schlag gegen die Pazfikinsel Guam, wo sich eine wichtige US-Militärbasis befindet. Wie viel Kriegsgefahr steckt in diesen Drohgebärden?
Beide Seiten haben kein Interesse an einem Krieg. Kim Jong-un weiss genau, dass er in einer militärischen Auseinandersetzung mit den USA nicht viel zu gewinnen hätte und dass er die Existenz seines Regimes gefährden würde. Auch Trump müsste hohe Verluste in Kauf nehmen, insbesondere im befreundeten Südkorea, eventuell sogar darüber hinaus. Das würde Trump als US-Präsident noch unbeliebter machen. Schliesslich hätte ein militärisches Vorgehen der USA negative Konsequenzen auf die Beziehungen mit ihren Alliierten in Asien sowie in Europa.
Was ist denn der Zweck der Drohungen? Ist das nur Propaganda für das eigene Publikum?
Beide wollen zeigen, dass sie starke Führer sind und dass sie nicht einknicken. Bei Trump kommt hinzu, dass er innenpolitisch stark unter Druck steht. Bisher hat er nicht viel erreicht, er musste viele Niederlagen einstecken (Stichwort Obamacare). Trumps Umfragewerte sind im Keller. Möglicherweise will er punkten, indem er als starker Führer auftritt.
US-Präsident Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un, beide werden oft als unberechenbar und irrational beschrieben. Teilen Sie diese Beurteilung?
Sie sind keineswegs irrational. Aber beide stehen unter einem gewissen Zwang. Das Problem bei Trump ist, dass er eine Rhetorik benutzt, die ihn noch mehr unter Druck setzt. Schlimmstenfalls kann dies dazu führen, dass eine Krise aus dem Ruder läuft. Und dass es dann tatsächlich zu einer militärischen Eskalation kommt.
Das US-Aussengebiet im Pazifik liegt rund 3400 Kilometer von der koreanischen Halbinsel entfernt. Besitzt Nordkorea Raketen, die Guam erreichen könnten?
Die Nordkoreaner haben im vergangenen Monat zwei Tests mit Raketen durchgeführt, die mehrere Tausend Kilometer fliegen können. Guam liegt also durchaus in Reichweite von nordkoreanischen Raketen.
Könnten diese Raketen mit einem Mini-Atomsprengkopf bestückt werden, die Nordkorea nach Erkenntnissen der US-Geheimdienste bereits entwickelt haben soll?
Das ist die grosse Frage, über die Experten seit einigen Jahren streiten. Grundsätzlich reicht es nicht, einen Atomsprengsatz zur Detonation zu bringen und Raketen zu besitzen. Man braucht ein Atomsprengkopfdesign, das auf eine Rakete passt. Zudem darf der Sprengkopf beim Wiedereintreten in die Atmosphäre nicht verglühen. Diese Technologien sind nicht trivial. Aufgrund der Fortschritte ihres Raketen- und Atomwaffenprogramms kann man davon ausgehen, dass die Nordkoreaner diese Probleme lösen werden oder bereits gelöst haben.
Nordkorea möchte Interkontinentalraketen besitzen, mit denen atomare Sprengköpfe bis zum amerikanischen Festland getragen werden könnten. Wie nahe ist es an diesem Ziel?
Nach Einschätzung der US-Geheimdienste kann zumindest die amerikanische Westküste bereits von nordkoreanischen Raketen erreicht werden. Nordkorea hat also die reale Fähigkeit, die USA anzugreifen. Nordkorea ist bereits ein richtiger Atomwaffenstaat. Damit will es erreichen, dass es von den USA nicht angreifbar ist.
Trotz verschärfter internationaler Sanktionen arbeitet das nordkoreanische Regime an seinem Raketen- und Atomwaffenprogramm. Wie kann das gestoppt werden?
Der Schlüssel dazu ist China. Nordkorea ist massiv abhängig von chinesischen Energie- und Lebensmittellieferungen. China steckt in einem Dilemma. Einerseits hat es kein Interesse an einem Zusammenbruch des nordkoreanischen Regimes, weil dies zu einer Wiedervereinigung Koreas mit amerikanischer Militärpräsenz an seiner Grenze führen könnte. Andererseits will China eine weitere nukleare Aufrüstung Nordkoreas verhindern, weil die US-Alliierten in Asien nach amerikanischem Schutz rufen, was wiederum zu einer stärkeren Militärpräsenz der Amerikaner führen würde.
Sehen Sie Chancen für eine Deeskalierung im Konflikt um Nordkorea?
China und die USA sollten versuchen, Nordkorea wieder in diplomatische Gespräche einzubinden. Diese Gespräche müssten von Emmissären im Geheimen geführt werden, ohne Medien und ohne Öffentlichkeit. Nach den jüngsten Drohgebärden sieht es aber derzeit nicht gut aus für eine diplomatische Annäherung.
Muss man nicht akzeptieren, dass der Atomwaffenstaat Nordkorea eine Realität ist?
Es ist kaum möglich, Nordkorea dazu zu bringen, sein Raketen- und Atomwaffenprogramm aufzugeben. Mit diesem Regime ist es nicht realistisch. Man kann nur auf einen politischen Wandel in Nordkorea hoffen. Bis dahin besteht eine Art Gleichgewicht des Schreckens zwischen Nordkorea und den USA.
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