«Transphobisches Stück Scheisse!»
Statt durch Gesetze Menschen zu zwingen, ihre moralischen Werte anzupassen, muss mehr über kontroverse Themen diskutiert werden.

Meine wohl couragierteste Revolte gegen Lehrer während der Schulzeit war das Vollkritzeln meines Pultes mit Graffiti. Ein Aufstand, der mich in meinen Augen auf die Ebene einer Jeanne d'Arc hievte. Gemessen an den heutigen Auswüchsen an Schulen, zugegeben, eine etwas mickrige Aktion. Aber damals trauten wir uns nicht mehr Respektlosigkeit zu … und begriffen unbewusst, dass es zum Erwachsenwerden gehört, Lehrern einen gewissen Anstand entgegenzubringen.
Heute sind Lehrpersonen die Fussabtreter einer jungen Gesellschaft, die, privilegientrunken, wie sie ist, nicht mehr weiss, wie daneben sie sich benehmen soll. Das wohl krasseste Beispiel liefert derzeit Professor Jordan Peterson. Seine Vorlesungen werden gegenwärtig fast durchgehend gestört von Studenten: «Transphobisches Stück Scheisse!», riefen sie ihm unter Trötenlärm während einer seiner letzten Auftritte im Chor entgegen – ein vorläufiger Tiefpunkt spätpubertärer akademischer Dekadenz.
Der 55-jährige Peterson ist Psychologieprofessor an der Universität Toronto, gilt als Koryphäe. Vergangenes Jahr sprach er sich öffentlich gegen ein neues Gesetz in Kanada aus, was ihn im Handumdrehen zum Hassobjekt der «Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender»(LGBT)-Aktivisten machte. Das Gesetz schützt Transgender vor Benachteiligungen, es stützt sich auf die Meinung, dass das biologische Geschlecht unabhängig ist von Gender und Identität, was bedeutet, dass man schon nur für den Nichtgebrauch von Gender-gerechten Pronomen («zhe», «zir») rechtlich belangt werden kann.
Kanada ist symptomatisch
Peterson lehnt Transmenschen nicht ab, er stemmt sich gegen das Gesetz, weil es Menschen dazu zwinge, an eine fremde politische Ideologie zu glauben und eine fremde Sprache zu benützen. Er sagt: «Diese Wörter sind ein Konstrukt von Leuten, die ich als gefährlich empfinde. Für mich ist es ein Versuch, Sprache zu kontrollieren in eine Richtung, die nicht natürlich ist.» Seine Weigerung, die neuen Pronomen zu benützen, handelte ihm zwei Warnbriefe seiner Universität ein, er möge aufhören, über das Thema zu sprechen. Man kann nun dagegenhalten, bis zu einem gewissen Punkt hat er sich der Mehrheit zu beugen, weil er ja sonst den Fortschritt aufhalte. Nur: Eine Gesellschaft, wo jeder seine eigene Gender-Wahrheit konstruieren und eine von mittlerweile über achtzig Identitäten in seinen Pass eintragen lassen kann, ist für manche eben kein Fortschritt.
Kanada ist weit weg. Was dort aber derzeit geschieht, ist symptomatisch für die westliche Welt. Immer mehr werden Menschen per Gesetz gezwungen, ihre moralischen Werte aufzugeben, ihr Denken und ihre Kommunikation anzupassen an ein von oben diktiertes Gedankenkonzept, sei es durch Internetzensur oder durch Universitäten.
Die Frage, wie man Probleme lösen kann, die Minderheiten betreffen, ist wichtig. Aber die grosse Mehrheit der westlichen Bevölkerung steht Transgendern wohlgesinnt gegenüber. Das Problem sind jene LGBT-Aktivisten, denen alltägliches aneinander vorbei- oder zusammenleben nicht genügt, die nach universaler Umarmung verlangen und mit einem abstrusen Forderungskatalog das aktive Mittun der ganzen Gesellschaft erzwingen wollen.
Die Universität ist offenbar keine Umgebung mehr, wo solche kontroversen Themen auf intellektueller Basis debattiert werden können. Sie scheint zur Hochburg moralischer Überlegenheit mutiert, wo sich die Administration hinter der Political Correctness verschanzt und das Kuschen vor zwanzigjährigen Flegeln zum Alltag gehört.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch