«Totale Selbstüberschätzung»
Der Gründer der deutschen Loveparade kritisiert die Veranstalter hart. Die Katastrophe sei vorhersehbar gewesen. Auch die Polizeigewerkschaft will gewarnt haben. Und nun belastet ein Dokument die Macher.
Der Gründer der Loveperade geht mit den Veranstaltern hart ins Gericht. In seinem Internet-Blog wirft Dr. Motte den Machern schwere organisatorische Versäumnisse vor. «Das Gelände abzusperren war ein Fehler», schreibt er. Im „Berliner Kurier“ sprach er von «reiner Profitgier» der Organisatoren. «Die Veranstalter sind schuld!» Es sei damit zu rechnen gewesen, dass es voll werde. «Was also haben Zäune und Security da zu suchen? Bei nur einem Zugang», so Dr. Motte, alias Matthias Roeingh. Er hatte die Liebesparade 1989 gegründet. 2006 war er aus dem Organisationskomitee ausgestiegen, weil er fand, die Veranstaltung sei zur «Dauerwerbesendung» verkommen.
Der 50-jährige DJ zieht jetzt besonders über seine Ex-Kollegen her: «Das ist fast schon fahrlässige Tötung, was die da gemacht haben. Eine Veranstaltung so sehr einzuzäunen und Millionen Menschen durch einen Tunnel zu schicken, ist verantwortungslos und ekelhaft», sagt er der «Berliner Zeitung». Man habe aus Profitgier bei den Sicherheitsvorkehrungen gespart. Für ihn sei es ein Skandal, dass die Veranstaltung nach dem Drama nicht sofort abgebrochen wurde. «Den Veranstaltern geht es nur noch ums Geld, Menschlichkeit bleibt da klar auf der Strecke», so Dr. Motte. Er wirft den Machern «totale Selbstüberschätzung» vor.
Auch die Polizisten üben Kritik
Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, hat nach der Katastrophe die Veranstalter ebenfalls kritisiert. «Ich habe schon vor einem Jahr gesagt, dass die Stadt zu eng ist für eine derartige Grossveranstaltung», sagte Wendt der «Hannoverschen Allgemeinen Zeitung». «So was kann man in Berlin machen, wo es breite Strassen und grosse Plätze gibt, aber nicht bei der engen Bebauung in Duisburg.» Er glaube, dass die westdeutsche Stadt sich übernommen habe. Wendt: «Das war einfach eine Nummer zu gross.»
Die Zugangswege zu dem Gelände seien «offensichtlich für diese Menschenmassen ungeeignet» gewesen, kritisierte der gebürtige Duisburger weiter. «Wenn der Tunnel für die grosse Zahl von Menschen auch theoretisch ausreichend war, so hätte man doch bedenken müssen, dass sich die Leute in so einer Situation nicht rational verhalten, sondern aufgeheizt sind und unkalkulierbar werden.» Einiges deute darauf hin, dass die Veranstalter sich über Bedenken hinweggesetzt hätten.
Von Vorschriften befreit
Derweil berichtet «Spiegel Online» auch von offensichtlicher Fehlplanung oder Schlamperei – je nach Gesichtspunkt. Gemäss einem Bericht des Nachrichtenportals war das Festgelände in Duisburg aber für maximal 250'000 Menschen freigegeben. Die Veranstalter hätten jedoch mit mehr als einer Million besucher gerechnet. Das Schriftstück vom 21. Juli 2010 mit dem Aktenzeichen 62-34-WL-2010-0026 trage den Titel «Genehmigung einer vorübergehenden Nutzungsänderung» und richte sich an die Berliner Lopavent GmbH, die Veranstalter der Love Parade. Der Sachbearbeiter der Unteren Bauaufsicht im Duisburger Amt für Baurecht und Bauberatung habe darin die Organisatoren von der Vorschrift befreit, die vorgeschriebenen Breiten der Fluchtwege einhalten zu müssen. Gleichzeitig hätten die Beamten auf Feuerwehrpläne verzichtet.
Dafür gaben sie laut «Spiegel Online» den Ausrichtern der Party vor: «Die maximale Personenzahl, die sich gleichzeitig auf dem Veranstaltungsgelände aufhalten darf, wird (...) auf 250'000 Personen begrenzt.» Die Veranstalter des Festes hatten wenige Stunden vor dem Unglück indes von etwa 1,4 Millionen erwarteten Teilnehmern gesprochen.
dapd/afp/Newsnetz/se
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