Tödliches Larifari
In Biel hat ein Hassprediger jahrzehntelang Sozialhilfe bezogen. Einzelfall oder Ausdruck eines zerrütteten Systems?

Am Mittwoch wurde bekannt, dass in Biel ein islamistischer Prediger seit Jahren von der Sozialhilfe gelebt hatte. Präzis hat er von 2004 bis 2017 insgesamt rund 600'000 Franken erhalten, gearbeitet hat er nie, gepredigt dafür umso mehr: Hass gegen Christen, Juden, Atheisten und so weiter – was immer ihm nicht ausreichend muslimisch schien, erregte den Zorn des Frommen. Vor Jahren kam er als Asylbewerber aus Libyen in die Schweiz, um sich von uns gegen den damaligen Diktator Muammar al-Gaddafi schützen zu lassen, weil er ein Muslimbruder war und vermutlich verfolgt wurde. Zum Dank überzieht er uns, hier im Westen, mit Predigten dieser Art: «Oh, Allah, ich bitte dich, die Feinde unserer Religion zu vernichten, vernichte die Juden, die Christen und die Hindus und die Russen und die Schiiten. Gott, ich bitte dich, sie alle zu vernichten und dem Islam seinen alten Ruhm zurückzugeben.»
Abu Ramadan heisst der Mensch, der sich auch Scheich nennen lässt, also Geistlicher, obwohl er nie eine theologische Ausbildung durchlaufen hat – und diese Geschichte erschien zeitgleich im Tages-Anzeiger und in der «Rundschau» des Schweizer Fernsehens, die für diese Recherche kooperierten; seither rotieren die Behörden im Raum Biel, sie rechtfertigen sich, erklären, jammern und versprechen Besserung. Abu Ramadan selber will von nichts Bösem wissen, er liebe die Schweiz und halte den «Schweizer Staat» für eine «grosse Errungenschaft», lässt er sich vernehmen, eigentlich fühle er sich als Schweizer. Heute ist er 64 Jahre alt und lebt von der vorbezogenen AHV, verbunden mit Ergänzungsleistungen. So gesehen, kann seine Liebe zum «Schweizer Staat» nicht ganz überraschen.
Perfektes Versagen
Gewiss, man kann diesen Bieler Fall als Einzelfall darstellen – und manche werden sich damit über düsterere Einsichten hinwegtrösten. Und ja, jedes System, es mag noch so gut sein, kann ausgespielt werden, Betrüger gibt es überall, unter Islamisten genauso wie unter anderen Nazis. Wenn wir aber die Details dieses konkreten Falles in Betracht ziehen, kommen Zweifel auf. Das System hat perfekt versagt, Kurt Pelda, der Journalist des Tages-Anzeigers, der Abu Ramadan auf die Spur gekommen war, hat diese Chronik des administrativen Larifaris in allen Einzelheiten zutage gefördert:
1998 kam Abu Ramadan aus Libyen in die Schweiz und wurde 2001 als politischer Flüchtling anerkannt. Seither reiste er mehrere Male in seine Heimat zurück, was gemäss Gesetz zum sofortigen Entzug des Asylstatus hätte führen müssen. Die Behörden haben nichts getan oder nichts gewusst. Erst vor wenigen Tagen sind sie eingeschritten und haben ihm den Asylstatus aberkannt – ob infolge der Recherche der beiden Journalisten Pelda und Franziska Ramser vom Schweizer Fernsehen, ist offen, scheint aber wahrscheinlich. Für Ramadan hat das ohnehin keinerlei Konsequenzen, denn er hat längst eine C-Niederlassungsbewilligung erhalten und kann deshalb in der Schweiz bleiben. Zwar hätte man ihm dieses Privileg entziehen können, solange er Sozialhilfe bezog, weil eigentlich verleihen wir dieses Privileg an Leute, die hier arbeiten, sich gut integriert haben, die wir mit anderen Worten gerne hier behalten: Doch die Behörden haben nichts getan oder nichts gewusst.
Inzwischen ist es wohl zu spät, der Mann ist zum unantastbaren AHV-Rentner aufgestiegen. 13 Jahre lang haben die Behörden nichts getan oder nichts gewusst. Warum diesem bärtigen Hilfsarbeiter des Hasses überhaupt je eine C-Niederlassungsbewilligung gewährt worden ist, steht ebenfalls in den Sternen. Obschon der Libyer seit gut 20 Jahren hier lebt, spricht er kein Deutsch und kein Französisch, was ebenfalls Grund genug wäre, ihm eine C-Niederlassung vorzuenthalten. Ebenso reichte laut Gesetz die Tatsache, dass er «dauerhaft und in erheblichem Masse» Sozialhilfe beanspruchte, um ihm die C-Bewilligung wieder abzunehmen. 13 Jahre lang hatten die Behörden Zeit, das zu merken und danach zu handeln. Sie haben nichts getan und nichts gewusst. Nur einmal versuchte die Gemeinde Nidau, ihrem arbeitslosen, aber nicht untätigen Prediger diesen privilegierten Status zu entziehen – immerhin hatte sie sein frommes Leben zu finanzieren –, doch der Kanton Bern, ein Staat, der seit dem 18. Jahrhundert ebenfalls als «grosse Errungenschaft» zu bezeichnen ist, lehnte das ab. Warum, bleibt Geheimnis irgendeines Beamten. 13 Jahre lang lebte Abu Ramadan so auf Kosten der Bürger, zu deren Ermordung er jeweils am Freitag in einer Bieler Moschee aufrief.
Wer sich zutraut, diesen Wahnsinn seinen Wählern erklären zu können, sollte sich eine Kandidatur in den Bundesrat überlegen. Seine Wahlchancen sind intakt.
Fortwährender Gesetzesbruch
Gewiss, wir reden von einem Einzelfall und einzelnen Beamten, die an einzelnen Tagen in ihrem Einzelbüro versagt haben. Was aber beunruhigt, ist die Tatsache, dass diese einzelnen Tage 13 Jahre lang vorfielen und immer wieder vorfielen – sodass sich selbst beim wohlwollenden Beobachter der Eindruck einstellt: Etwas ist faul in diesem Staat, den Abu Ramadan so schätzt.
Es ist Zeit, dass wir ehrlicher werden. Es ist Zeit, dass die Behörden und ihre Politiker die Dinge erkennen, wie sie sind: Unsere Migrationspolitik, nicht nur die schweizerische, sondern die europäische insgesamt, ist weder nachhaltig noch klug. Sie ist gefährlich und verantwortungslos. Was wir hier ermöglichen – in vielen, vielen Einzelfällen –, schadet uns, untergräbt unsere Sicherheit und zerstört das Vertrauen der Bürger in ihren Staat. Wer zulässt, dass ein Mann wie Abu Ramadan gut 20 Jahre lang ohne erkennbaren Grund hier lebt, hier nie richtig arbeitet, unsere Sprachen und unsere Kultur ignoriert, hier nie etwas tut, was andern nützt, stattdessen von uns lebt und den Hass auf alle schürt, die seine Miete, seine Kleidung und seine Lebensmittel bezahlen – wer solches zulässt, ja selbst als Einzelfall, betreibt keine Migrationspolitik, sondern deren Abschaffung.
Nach jedem islamistischen Terroranschlag, ob in Barcelona oder Berlin oder Manchester, lesen wir ähnliche Geschichten, wie wir sie hier geschildert haben. Von Flüchtlingen, die hierher kommen, ob zu Unrecht oder zu Recht, die sich nicht so aufführen, wie sie sollten und trotzdem vom schlechten Gewissen eines dekadenten Westen ganz gut leben, von Arbeitslosen, Untätigen, Fanatikern, Sozialhilfeempfängern, auch Kriminellen, die längst hätten weggewiesen werden müssen, wenn die Behörden und Politiker jene Gesetze, die sie zum Teil selber geschaffen haben, nur richtig und streng angewendet hätten. Haben Einzelne versagt oder das System? Im Grunde ist die Frage überflüssig, solange jedes System, ganz gleich, was wir beschliessen, durch Nichtstun untergraben wird.
Es ist ein System des Larifari, des fortwährenden Gesetzesbruchs, den unsere Politiker dulden, weil sie sich zu schwach fühlen, jene Migrationspolitik durchzusetzen, die sie selber beschlossen haben.
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