Sm’Aesch-Trainer vor Playoff-StartTimo Lippuner: «Ich schlafe nach keinem Spiel»
Timo Lippuner trainierte die Volleyballerinnen von Sm’Aesch-Pfeffingen bereits von 2013 bis 2017. Seit dieser Saison ist er zurück im Birstal und spricht vor Playoff-Start über die holprige Qualifikation.

Timo Lippuner, Hand aufs Herz: Wie viele Nerven hat Sie diese Saison bislang gekostet?
Sehr viele. Es ist eine der schwierigsten Saisons, die ich in meiner Karriere erlebt habe. Ich hätte mir nur eine einzige Woche gewünscht, in der wir mal ungestört hätten arbeiten können.
Warum gabs diese nicht?
Verletzungen kleinerer und grösserer Natur hier, wochenlange Krankheitsausfälle da, dazu ein Todesfall auf der Geschäftsstelle kurz vor Weihnachten. Kleinere Zwischenfälle gehören dazu, aber dieses Jahr war es extrem. Man bereitet sich die ganze Woche auf ein Spiel vor, und am Samstag kann man die ganze Planung über den Haufen werfen.
War dies der Grund, weshalb Sm’Aesch keinen guten Saisonstart erwischte?
Es gab viele Gründe. Viele junge Spielerinnen waren noch nicht bereit, dazu fielen solche mit mehr Erfahrung früh aus, die wir eingeplant hatten. Oft war aber auch der Spielverlauf das Problem.
Viele Sätze gingen zu Saisonbeginn knapp verloren, die auch zu Ihren Gunsten hätten kippen können…
Genau. Wenn man so die ersten Spiele verliert, weckt das auch Unsicherheiten, da viele Spielerinnen sich dies nicht gewohnt waren. Oft hatten wir Phasen, wo wir super trainiert haben, dies am Wochenende aber nicht aufs Feld bringen konnten.
Wie geht man damit um?
Wenn es läuft, überschattet das alle Probleme. Weil es eben nicht lief, mussten wir uns automatisch mit den eigenen Fehlern beschäftigen, Selbstkritik üben. Wir haben viel an der Kommunikation gearbeitet.
Inwiefern?
Sobald man nicht gewinnt, weckt das Selbstzweifel bei den einen, sogar Angst bei anderen Spielerinnen. Damit muss man sich beschäftigen, versuchen, das Selbstvertrauen wiederherzustellen.
Hat sich Sm’Aesch-Pfeffingen auch überschätzt?
Nein. Uns ist bewusst, dass die Erwartungshaltung herrscht, dass wir Erster oder Zweiter werden. Intern peilten wir die Top vier an. Ich wusste, dass wir Zeit brauchen. Zeit, um Nachwuchsspielerinnen aufzubauen oder um Ersatz für zwei verletzt ausgefallene Stammkräfte zu finden.
So wie Karla Klaric. Mit ihr fand das Team ab Mitte Januar wieder in die Spur, feierte sechs Siege in Folge.
Die Verpflichtung von Karla Klaric hat uns klar mehr Stabilität gebracht. Und manchmal braucht man einfach einen Wendepunkt, dieser kam im Cup gegen Schaffhausen. Wir haben hart gearbeitet, und das hat sich dann irgendwann ausgezahlt.
Sogar Meister Viteos NUC konnte mit 3:0 geschlagen werden. Ist man also doch nicht so weit von der Spitze entfernt, wie die Tabelle aussagt?
Wir können jeden schlagen. Aber mit Ausnahme von ein bis zwei Teams kann auch jeder uns schlagen.
Ist denn die NLA so viel stärker geworden?
Sie ist sicher ausgeglichener geworden. Spannender, aber auch herausfordernder. Die Clubs stehen kräftemässig näher beieinander. Ich weiss nicht, ob die Spitze besser geworden ist, aber sicherlich breiter.
Ist es auch ein Vorteil, wenn man nicht immer Favorit ist?
Favorit zu sein, gibt Sicherheit. Es nimmt aber auch die Spannung raus. Jetzt habe ich das Gefühl, das Team trainiert fokussierter als sonst. Das wird bei den anderen Clubs aber genauso der Fall sein. So einen attraktiven Viertelfinal gab es noch nie.
Sie sprechen die Playoffs an. Wie stehen die Chancen in der anstehenden Viertelfinalserie gegen Kanti Schaffhausen?
Fifty-fifty. Unsere bisherigen drei Duelle in dieser Saison hätten alle in beide Richtungen kippen können. Es gibt also effektiv keinen Favoriten.
Kann Sm’Aesch Meister werden?
Ja, absolut. Wir glauben das nicht nur, sondern wir leben das. Wir haben die Voraussetzungen, müssen aber halt mal zeigen, was wir können. Wenn wir abgeklärt und konstant genug sind, können wir es schaffen. Aber auch mentale Stärke ist gefragt.
Oder der oft genannte «Flow», der bislang zumeist fehlte.
Der Flow ist immer schwierig. Man kann auf ihn hoffen, doch wenn er da ist, kann er auch genauso schnell wieder weg sein. Zufall und Glück sind keine guten Freunde, die muss man ablehnen, wenn sie einen auf Facebook anfragen.
Sollte es nicht für den grossen Wurf reichen – ab wann würden Sie von einer erfolgreichen Saison sprechen?
Ein Ausscheiden im Viertelfinal wäre eine herbe Enttäuschung. Wir hatten zwei Saisonziele, die wir gerne erfüllen würden.
Die da wären?
Die Entwicklung von jungen Spielerinnen zum einen, das Mitspielen um den Titel zum anderen. Wir können beide erreichen. Bei dem Konkurrenzfeld wäre allerdings die Qualifikation für den Halbfinal schon eine grosse Leistung.
Mit dem Ausscheiden im Cup-Halbfinal gegen Lugano hat man die erste Chance auf einen grossen Titel bereits verpasst…
Im Halbfinal auszuscheiden, ist immer bitter. Und schade. Es war ein klassisches Cupspiel, hin und her. Wir hätten das Spiel wohl zehn Sätze lang spielen können, und es hätte keinen eindeutigen Sieger gegeben. Auch das spricht für die Ausgeglichenheit der Liga in diesem Jahr.
«Zufall und Glück sind keine guten Freunde. Die muss man ablehnen, wenn sie einen auf Facebook anfragen.»
Von den im Sommer verpflichteten Ausländerinnen haben bislang nur Karla Klaric und Maria Zernovic überzeugt. Wird man sie halten können?
Bei beiden sind die Chancen da, und wir wollen sie unbedingt halten. Aber natürlich gibt es auch andere Faktoren.
Zum Beispiel?
Die private Situation einer Spielerin spielt immer eine Rolle, oder sie bekommt ein Angebot, das unsere Möglichkeiten überschreitet. Wenn wir sie halten können, werden wir gut aufgestellt sein.
Wie wichtig ist denn Konstanz in der Kaderplanung, wenn es um Titelambitionen geht?
Wenn du den Kern behalten kannst, lässt sich ein Team besser formen. NUC ist auch deswegen Meister geworden, weil ihnen dies gelungen ist. Doch auch sie waren nicht übermächtig.
Sie wurden auch zurückgeholt, um die Dominanz aus Neuenburg zu stoppen. Ist das für Sie Ansporn oder Belastung?
Natürlich ist es ein Ansporn. Zur Belastung wird es erst, wenn man seine Ziele auch nach längerer Zeit nicht erreicht. Doch das Projekt Sm’Aesch ist ja langfristig ausgelegt.
Dieses Projekt schliesst die Förderung von jungen Schweizer Talenten mit ein. Aber kann der Spagat zwischen starkem Nachwuchs und Titelträumen denn gelingen?
Ja, davon bin ich überzeugt. Aber es muss viel stimmen, mit der richtigen Mischung aus ausländischen Verstärkungen und nationalen Talenten, wie wir sie zurzeit mit Tabea Eichler oder Livia Saladin haben. Beide sind in dieser Saison bereits Stammkräfte.
Was macht den Trainer Timo Lippuner aus?
Ich bin einer, der sich immer extrem hinterfragt. Nach jedem Training, nach jedem Spiel. Ich schlafe nach keinem Spiel. Wenn wir verlieren, auch mal zwei oder drei Nächte nicht. Der Volleyball ist meine Lebensaufgabe.
Sie gelten in der Schweiz als Erfolgstrainer. Würde Ihre Reputation als Trainer leiden, sollte Sm’Aesch bereits im Viertelfinal scheitern?
Nein, daran messe ich mich auch nicht. Höhen und Tiefen sind Teil des Sports. Ein guter Ruf ist nicht mein Antrieb, es geht um das Team, die Spielerinnen und den Club. Wenn wir Meister werden sollten, erwarte ich umgekehrt auch nicht, dass man sagt: «Timo war der grosse Guru.»
Müssten Sie beim frühen Playoff-Out gar um Ihren Job zittern?
Das weiss ich nicht, da müssen Sie den Geschäftsführer oder den Präsidenten fragen. Wir haben eine gemeinsame Vision, und solange das so ist, werden wir unseren Weg weitergehen. Alles andere steht nicht unter meinem Einfluss.
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