Ticker zum Ukraine-KriegSelenski: Kämpfen weiter um Bachmut Norwegen will Ukraine langfristig mit Milliarden unterstützen
Seit elf Monaten führt Wladimir Putins Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Wir berichten laufend.
Das Wichtigste in Kürze
Oleksi Resnikow soll vorerst doch ukrainischer Verteidigungsminister bleiben. Zuvor war von seiner bevorstehenden Ablösung berichtet worden.
Die USA haben die erste Überweisung von beschlagnahmtem Geld eines russischen Oligarchen an die Ukraine bekanntgegeben.
Deutschland hat eine Genehmigung für die Ausfuhr älterer Kampfpanzer des Typs Leopard 1 an Kiew erteilt. Es gibt jedoch Probleme, ausreichend Munition zu beschaffen.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg reist am Dienstag zu Gesprächen in die USA.
Ukraine-Blog: Fotos, Fakes und Fragen
Visuelle Übersicht: Der Krieg in Grafiken und Karten
News und Hintergründe: Alles zum Krieg in der Ukraine
Die ukrainischen Streitkräfte in der Stadt Bachmut im Osten des Landes setzen ihren Widerstand gegen die ständigen russischen Angriffe fort. «Wir stellen uns ihnen entgegen», sagte Präsident Wolodimir Selenski am Montagabend in seiner täglichen Videoansprache. Zuvor sei bei einer Sitzung der Stawka, des Oberkommandos der Ukraine, über die Versuche der Besatzer gesprochen worden, die Stadt zu umzingeln und die ukrainischen Verteidigungslinien zu durchbrechen. «Und ich bin jedem Soldaten dankbar, der sich mit seiner Entschlossenheit für den Widerstand einsetzt.»
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Selenski berichtete zudem über Neubesetzungen an den Fronten der Ukraine. «In einer Reihe von Regionen, insbesondere in den Grenz- und Frontgebieten, stellen wir Führungskräfte mit militärischer Erfahrung ein», sagte Selenski. Und zwar seien dies Leute, «die sich am wirksamsten gegen die aktuellen Bedrohungen zur Wehr setzen können». Generell sollten militärische Erfahrung aus dem bisherigen Kriegsverlauf mit der Führungsarbeit in der lokalen und zentralen Verwaltung verbunden werden.
Daneben gehe die Bildung neuer Brigaden der Nationalgarde, der Polizei und des Grenzschutzes voran. «Der Anfang ist stark», sagte Selenski. «Und es wird weitergehen.» Angesichts der verstärkten russischen Angriffe ist die ukrainische Armee gezwungen, Truppen an die Front zu verlegen, die eigentlich für spätere eigene Offensivaktionen gedacht waren.
Die Ukraine kann mit langfristiger finanzieller Hilfe aus Norwegen rechnen. Die Regierung des skandinavischen Landes will das von Russland angegriffene Land in den kommenden fünf Jahren mit jährlich 15 Milliarden norwegischen Kronen (rund 1,36 Milliarden Euro) unterstützen, wie Ministerpräsident Jonas Gahr Støre am Montag in Oslo ankündigte. Insgesamt macht das 75 Milliarden Kronen (6,8 Milliarden Euro). Man wolle zum einen den Ukrainern zeigen, dass man sie langfristig unterstütze, sagte Støre. Zum anderen solle Russland Bescheid wissen, dass freie demokratische Länder der Ukraine in ihrem Kampf beistünden.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski dankte Oslo für die finanzielle Unterstützung. «Dies ist ein sehr, sehr wichtiger Beitrag zu unserem Sieg, den wir vorbereiten», sagte er am Montagabend in seiner täglichen Videoansprache. «Ein gemeinsamer Sieg für alle, die die Freiheit und das Leben wirklich schätzen.»
Die Summe für das laufende Jahr soll laut Støre je zur Hälfte in militärische beziehungsweise zivile, humanitäre Hilfe fliessen. Diese Verteilung könne sich in den nächsten Jahren aber verändern. Darüber hinaus schlägt die Regierung ein eigenes Hilfsprogramm für Länder in südlichen Teilen der Erde vor, die besonders stark von den Folgen des Ukraine-Kriegs betroffen sind. Im Rahmen dieses Programms sollen weitere fünf Milliarden Kronen (450 Millionen Euro) für Humanitäres und Nahrungsmittel jährlich fliessen.
Støre setzt nun darauf, eine breite Parlamentsmehrheit für diese Vorschläge zu gewinnen. Die frühere Regierungschefin Erna Solberg, die Vorsitzende der grössten Oppositionspartei Høyre, signalisierte am Montag bereits Rückendeckung für die langfristige Ukraine-Hilfe.
Der Chef der russischen Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, ist eigenen Angaben zufolge in einem Kampfflugzeug gewesen, das die ukrainische Stadt Bachmut angegriffen hat. «Wir sind gelandet, wir haben Bachmut bombardiert», sagte Prigoschin am Montag in einem im Onlinedienst Telegram veröffentlichten Video. Darin ist er mit einem Helm und einer Pilotenmaske zu sehen. Bachmut ist das Epizentrum der Kämpfe in der Ostukraine.
Prigoschin forderte den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski zu einem Kampf am Himmel über Bachmut auf. Der Wagner-Chef sagte, er werde am Dienstag erneut an Bord eines Kampfjets gehen. «Wenn Sie den Willen haben, treffen wir uns am Himmel. Wenn Sie gewinnen, bekommen Sie Artemowsk zurück, wenn nicht, gehen wir bis zum (Fluss) Dnipro», sagte Prigoschin. Artemowsk ist der russische Name für Bachmut.
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Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski erwägt offenbar eine Reise nach Brüssel. Mehrere Mitarbeiter des Europäischen Parlaments bestätigten am Montag der Deutschen Presse-Agentur, dass es am Donnerstag die «Wahrscheinlichkeit einer ausserordentlichen Plenartagung in Anwesenheit des ukrainischen Präsidenten» gebe. Am selben Tag treffen sich auch die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten in Brüssel zu einem Gipfel. Wie es hiess, würde Selenski dann auch als Gast an dem Gipfel teilnehmen.
Aus Kiew gab es zunächst keine Bestätigung für eine mögliche Reise von Selenski nach Brüssel. Eine abschliessende Bestätigung dürfte es aus Sicherheitsgründen erst kurz zuvor geben.
Die erste und bislang einzige öffentlich bekannte Auslandsreise Selenskis nach Beginn des russischen Angriffskriegs hatte den Präsidenten kurz vor Weihnachten nach Washington D.C. geführt. Seitdem wird auch über einen Besuch in Brüssel spekuliert.

Für Unruhe sorgten in der Ukraine weiter Berichte, wonach Verteidigungsminister Oleksi Resnikow wegen Korruptionsvorwürfen gegen Mitarbeiter seines Ministeriums entlassen werden solle. Ein ukrainischer Parlamentsabgeordneter und Selenski-Vertrauter erklärte aber am Montag, dass die Ablösung von Resnikow nicht mehr in dieser Woche erfolgen werde. «Die personellen Veränderungen im Verteidigungsbereich werden diese Woche nicht stattfinden», erklärte David Arachamia in Onlinemedien.
Am Sonntag hatte Arachamia verkündet, dass der bisherige Ressortchef durch den Leiter des ukrainischen Militär-Geheimdienstes, Kirilo Budanow, abgelöst werde. Der 56-jährige Resnikow werde Minister für strategische Industriezweige, hiess es. Weder Resnikow noch Budanow oder Selenski haben die Pläne zur Kabinettsumbildung bislang bestätigt.
Resnikow war infolge eines mutmasslichen Korruptionsskandals in die Kritik geraten. Am Sonntag kündigte er eine «interne Überprüfung» in seinem Ministerium an. So sollen Lebensmittel für Soldaten zu deutlich überhöhten Preisen eingekauft worden sein. Infolge des mutmasslichen Korruptionsskandals waren bereits mehrere hochrangige Mitarbeiter des Ministeriums zurückgetreten oder entlassen worden.
Unser Kommentar zur Korruption in der Ukraine: Halbherziger Kampf gegen korrupte Staatsdiener.
Angeblich will die russische Regierung durch Wahlen in den besetzten Gebieten ihren Anspruch auf diese untermauern - indem sie sie wie alle Teile der Russischen Föderation behandelt. Das behauptet das britische Verteidigungsministerium unter Berufung auf Geheimdienstinformationen. Demnach habe die Vorsitzende des russischen Föderationsrats, Valentina Matwijenko, vergangene Woche angekündigt, dass die Vorbereitungen für die Wahlen bereits liefen und dass diese am 10. September stattfinden sollen. (sz.de)
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg reist am Dienstag zu Gesprächen in die USA. In Washington trifft Stoltenberg unter anderem mit US-Aussenminister Antony Blinken und Pentagonchef Lloyd Austin zusammen, wie die Nato am Montag in Brüssel mitteilte. Mit beiden Ministern ist am Mittwochnachmittag (Ortszeit) jeweils ein Gang vor die Presse geplant.
Daneben kommt Stoltenberg auch mit dem Nationalen Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, zusammen. Zudem will der Bündnis-Generalsekretär bei der bis Donnerstag dauernden Reise Gespräche mit leitenden Kongress-Mitgliedern führen.
Im Mittelpunkt dürfte die militärische und zivile Hilfe für die Ukraine im russischen Angriffskrieg stehen. Am Freitag hatte die US-Regierung ein neues Rüstungspakt mit einem Wert von knapp 2,2 Milliarden Dollar (rund zwei Milliarden Euro) angekündigt. Es umfasst Präzisionsraketen mit einer Reichweite von 150 Kilometern.
Die Reise dient zudem der Vorbereitung des Nato-Verteidigungsministertreffens in Brüssel am 14. und 15. Februar. Daneben könnte auch der Abschuss des mutmasslichen chinesischen Spionageballons über den USA zur Sprache kommen.
Ukraines zuletzt umstrittener Verteidigungsminister Olexi Resnikow dürfte noch in dieser Woche in ein anderes Ressort wechseln. Das verlautete am Sonntagabend aus den Reihen der ukrainischen Präsidentenpartei Diener des Volkes. Wie deren Fraktionschef David Arachamija mitteilte, soll Resnikow auf den Posten des Ministers für strategische Industrie versetzt werden. Neuer Verteidigungsminister soll der bisherige Chef des Militärgeheimdienstes, Kirilo Budanow, werden. Eine offizielle Bestätigung zu dem Wechsel gab es zunächst nicht.
Am späten Nachmittag hatte Resnikow noch erklärt, er wolle seinen Platz erst räumen, wenn ihm dies von Präsident Wolodimir Selenski angetragen werde. «Die Entscheidung, ob jemand Verteidigungsminister wird oder nicht, wird laut Verfassung von einer Person getroffen – dem Oberbefehlshaber und Präsidenten der Ukraine, Wolodimir Selenski», sagte er. Dieser hat sich bisher nicht geäussert.

Resnikow war nach einer Reihe von Skandalen um Korruption und Geldverschwendung in seinem Ministerium in die Kritik geraten.
Selenski warnt vor «symbolhafter Aktion» russischer Militärs
Angesichts des näher rückenden Jahrestags des russischen Einmarschs in die Ukraine am 24. Februar hat deren Präsident vor einer «symbolhaften Aktion» der Besatzer gewarnt. Dazu gebe es bereits zahlreiche Berichte und Hinweise, sagte Selenski am Sonntag in seiner allabendlichen Videoansprache. Russland wolle sich für die Niederlagen des vergangenen Jahres rächen. «Wir stellen fest, dass der Druck auf verschiedene Frontbereiche und auch im Informationsbereich zugenommen hat.»
Besonders schwierig sei aktuell die Lage in der Region Donezk. «Aber egal, wie schwer es ist und wie gross der Druck ist, wir müssen überleben», sagte Selenski. Die Ukraine müsse jeden Tag und jede Woche nutzen, um die Verteidigungspositionen an der Front sowie die internationale Position des Landes zu stärken.
Mehrere zivile Opfer bei russischen Angriffen auf Cherson und Charkiw
In der südukrainischen Stadt Cherson sind bei russischen Angriffen am Sonntag nach Angaben aus Kiew mehrere Zivilisten getötet und verwundet worden. Genauere Angaben zu den Opfern machte der ukrainische Generalstab in seinem Lagebericht am Abend nicht. Die Stadt sei mindestens 40 Mal aus Raketenwerfern beschossen worden, dabei seien zahlreiche Wohngebäude beschädigt worden. Auch die ostukrainische Stadt Charkiw war demnach Ziel russischer Angriffe aus Mehrfachraketenwerfern. Bei Treffern in einem Wohnhaus seien mindestens fünf Menschen verletzt worden.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat angesichts des näher rückenden Jahrestags des russischen Einmarsches in die Ukraine am 24. Februar vor «symbolhaften Taten» russischer Besatzer gewarnt. Viele Berichte deuteten bereits jetzt darauf hin, «dass die Besatzer im Februar etwas Symbolisches tun werden, um sich für ihre Niederlagen im vergangenen Jahr zu rächen», sagte Selenski am Sonntagabend in seiner täglichen Videoansprache.
«Wir beobachten bereits erhöhten Druck in verschiedenen Bereichen an der Frontlinie», fügte Selenski hinzu. Sehr schwierig sei die Lage aktuell in der östlichen Region Donezk, «wo heftige Kämpfe stattfinden», betonte der Präsident.

Zuvor hatte Selenski mit Blick auf die erbittert umkämpften Städte Bachmut, Wuhledar, Lyman und andere Regionen bereits von einer «immer schwieriger» werdenden Situation gesprochen.
Das britische Verteidigungsministerium bestätigte die Schwierigkeiten der ukrainischen Armee. «In der vergangenen Woche hat Russland bei seinem Versuch, die Donbass-Stadt Bachmut einzukesseln, weitere kleine Fortschritte gemacht», teilte das Ministerium in London am Sonntag mit. Die Stadt sei «zunehmend isoliert».
Der ukrainische Verteidigungsminister Oleksi Resnikow hat nach einem Korruptionsskandal bei der Versorgung der Armee eine «interne Überprüfung» in seinem Ministerium verkündet. Resnikow räumte am Sonntag bei einer Pressekonferenz ein, dass die Antikorruptionsstellen seines Ministeriums versagt hätten. Eine «interne Überprüfung» aller Beschaffungsverträge sei eingeleitet worden. Er versprach auch eine «Überprüfung der internationalen technischen Hilfe». Zu Medienberichten über einen erzwungenen Rücktritt seiner selbst äusserte sich Resnikow ausweichend.
«Es ist eine Person – der Oberbefehlshaber, der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski – die entscheidet, ob ich Verteidigungsminister sein werde oder nicht», sagte er. «Meine Spezialisierung als Anwalt lässt mich optimistisch denken, dass ich auf jeden Fall ein interessantes Projekt für mich finden werde, dass es uns nicht nur ermöglicht, den Krieg zu gewinnen, sondern auch das Militär und die politische Führung der russischen Föderation später zu bestrafen.»
Infolge eines mutmasslichen Korruptionsskandals in der ukrainischen Armee waren seit Bekanntwerden der Affäre im Januar mehrere Vize-Minister, Gouverneure und hochrangige Beamte zurückgetreten oder entlassen worden. Den Ausschlag für die Entlassungswelle gab unter anderem der in Medienberichten vorgebrachte Vorwurf, das ukrainische Verteidigungsministerium habe für die Soldaten Lebensmittel zu deutlich überhöhten Preisen eingekauft. Resnikow hatte die Berichte zunächst zurückgewiesen.
Die Nachrichten-Website «Ukrainska Prawda» hatte unter Berufung auf anonyme Quellen berichtet, dass Resnikow in der kommenden Woche durch den Leiter des Militär-Geheimdienstes Kirilo Budanow ersetzt werden könnte. Demnach könnte Resnikow zum Justizminister ernannt werden.
Kremlchef Wladimir Putin hat dem ehemaligen israelischen Ministerpräsident Naftali Bennett nach dessen Angaben zu Beginn des Ukraine-Kriegs versprochen, den ukrainischen Präsident Wolodimir Selenski nicht zu töten. Bennett erzählte bei einem Gespräch mit einem israelischen Journalisten, Putin habe dieses Versprechen bei einem Vermittlungsgespräch in Moskau im März vergangenen Jahres gemacht.
Der damalige israelische Ministerpräsident Bennett war der erste westliche Spitzenpolitiker, der Putin nach Kriegsbeginn in Moskau besuchte. Anschliessend reiste er nach Berlin weiter und beriet sich dort mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über den Ukraine-Konflikt. Es folgten noch weitere Vermittlungsbemühungen zwischen Russland und der Ukraine, die letztlich aber erfolglos blieben.

Bennett veröffentlichte das Gespräch am Samstagabend auf seiner Facebook-Seite. Das Leben eines Anführers sei im Konflikt am wertvollsten, sagte Bennett. «Ich wusste, dass Selenski in Gefahr ist, er war in einem Bunker, dessen Standort unbekannt war.» Nach etwa drei bis vier Stunden des Gesprächs habe er den russischen Präsidenten deshalb gefragt, ob er Selenski töten wolle. Putin habe dies verneint. Bennett sagte, er habe Putin gebeten, ihm sein Wort zu geben. «Er sagte: «Ich werde Selenski nicht töten».»
Nach dem Treffen habe er Selenski noch auf der Fahrt vom Kreml zum Flughafen direkt angerufen. «Hör zu, ich komme aus dem Gespräch, er wird dich nicht töten», habe er Selenski damals gesagt. Selenski habe gefragt, ob er sicher sei, und Bennett habe geantwortet: «Hundert Prozent.» Etwa zwei Stunden später habe der ukrainische Präsident dann von seinem Büro aus ein Video aufgenommen, in dem er versichert habe, er habe keine Angst um sein Leben.
Bei dem jüngsten Gefangenaustausch mit Russland hat die Ukraine auch die Leichen von zwei bei einem Hilfseinsatz getöteten Briten zurückerhalten. «Wir haben es geschafft, die Leichen von toten ausländischen Freiwilligen zurückzuerhalten», teilte der Leiter des Präsidentenbüros in Kiew, Andri Jermak, am Sonntag im Nachrichtenkanal Telegram mit. Die beiden dort namentlich genannten Briten im Alter von 28 und 48 Jahren hatten im Osten der Ukraine geholfen, Zivilisten aus Kampfgebieten herauszuholen. Jermak veröffentlichte auch ein Video und Fotos von den zuvor freigelassenen 116 ukrainischen Gefangenen.
Im Januar hatte der Chef der russischen Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, mitgeteilt, die Leiche eines vermissten Briten samt Ausweis sowie die Dokumente eines zweiten britischen Staatsbürgers gefunden zu haben. Später teilte das britische Aussenministerium in London unter Berufung auf die Familienangehörigen mit, dass die vermissten Männer tot seien. Der Mitteilung zufolge starben sie beim Versuch einer Evakuierung aus der Stadt Soledar. Die Stadt ist nun unter russischer Kontrolle.
«Wir machen weiter. Wir bringen jeden zurück», sagte Jermak nach dem grössten Gefangenenaustausch seit Jahresbeginn. Nach Russland durften im Gegenzug 63 Gefangene zurückkehren. In dem seit fast einem Jahr dauernden Krieg, der am 24. Februar begonnen hat, haben die Ukraine und Russland immer wieder Gefangene ausgetauscht. Allein die Ukraine konnte nach Angaben von Präsident Wolodimir Selenski bisher 1762 ukrainische Bürger aus der Gefangenschaft befreien.
Die umkämpfte ukrainische Stadt Bachmut ist nach Einschätzung britischer Militärexperten immer mehr von russischen Truppen eingekreist worden. Das ging aus dem täglichen Geheimdienst-Update zum Ukraine-Krieg des Verteidigungsministeriums in London am Sonntag hervor.
Demnach sind inzwischen die beiden wichtigsten Zufahrtsstrassen zu der Stadt im Oblast Donezk direkt von russischem Beschuss bedroht, und eine weitere Strasse wird von Wagner-Söldnern kontrolliert. «Obwohl den ukrainischen Truppen mehrere alternative Überland-Routen für den Nachschub zur Verfügung stehen, ist Bachmut zunehmend isoliert», so die Mitteilung.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat den Beginn der Ausbildung ukrainischer Besatzungen am britischem Kampfpanzer Challenger 2 begrüsst. «Das ist ein gutes Gefährt und wird eine ernsthafte Verstärkung auf dem Schlachtfeld sein», sagte Selenski in seiner Videoansprache am Samstagabend. Er bedankte sich bei Grossbritannien für die militärische Hilfe. Die Lage an der Front bezeichnete er als schwierig, gab sich aber siegesbewusst.
«Der Feind wirft immer neue Kräfte hinein, um unsere Verteidigung zu durchbrechen. Jetzt ist es sehr hart in Bachmut, in Wuhledar und in Richtung Liman», sagte Selenski. Dennoch zeigte er sich zuversichtlich, dass die «Standhaftigkeit» der Ukrainer am Ende den Sieg davontragen und Russlands Eroberungspläne durchkreuzen werde.
London: Ausbildung von Ukrainern an Challenger-2-Panzern hat begonnen
Zuvor hatte der britische Premierminister Rishi Sunak in einem Telefonat mit Selenski am Samstag mitgeteilt, dass die ukrainischen Besatzungen bereits an den britischen Kampfpanzern vom Typ Challenger 2 trainiert werden. Die Ausbildung habe in dieser Woche begonnen. Das Verteidigungsministerium in London hatte Bilder von der Ausbildung auf einem Truppenübungsplatz veröffentlicht.
Selenski bestätigte den Start der Ausbildung per Kurznachrichtendienst Telegram und teilte mit, er habe sich in dem Gespräch mit Sunak dafür bedankt. «Wir haben auch über die Erweiterung der Möglichkeiten der ukrainischen Armee und über verschiedene Hilfen für die Ukraine auf kurze und lange Sicht gesprochen», schrieb der 45-Jährige.
Gespräche über Panzerlieferung für Ukraine – erste Zusagen
Die deutsche Regierung wartet nach ihrer Entscheidung zur Lieferung von Leopard-Kampfpanzern noch auf konkrete Beteiligungen von Partnerstaaten. Während es für das ältere Leopard-Modell 2A4 schon Ankündigungen gibt, war die Angebotslage bei dem neueren Typ 2A6 zunächst dünn, wie es am Samstag aus Regierungskreisen hiess. Portugals Regierungschef António Costa sagte eine Lieferung fest zu, liess die genaue Zahl aber offen. Derzeit stehe sein Land mit Deutschland wegen der Überholung von Leopard-Panzern in Kontakt, meldete die staatliche portugiesische Nachrichtenagentur Lusa.
Kanada hat derweil bereits mit der Verladung und Verschickung der Leopard-2-Panzer für die Ukraine begonnen, wie Verteidigungsministerin Anita Anand am Samstag per Twitter mitteilte. Ottawa hat Kiew vier Kampfpanzer des Typs zugesagt.
Scholz: Gemeinsames Vorgehen verhindert Eskalation
Mit Blick auf die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine ist der deutsche Kanzler Olaf Scholz Befürchtungen entgegengetreten, Deutschland könnte damit in den Krieg hineingezogen werden. Er sagte der «Bild am Sonntag»: «Jede Waffenlieferung haben wir sorgfältig abgewogen, eng mit unseren Verbündeten koordiniert, allen voran mit Amerika. Dieses gemeinsame Vorgehen verhindert eine Eskalation des Krieges.» In Telefonaten mache er dem russischen Präsidenten Wladimir Putin «sehr deutlich», dass Russland die alleinige Verantwortung für den Krieg habe. Putin habe dabei weder ihm – Scholz – noch Deutschland gedroht.
Moskau meldet Vertreibung Kiewer Militärs aus Ort im Gebiet Charkiw
Die Lage an der Front bleibt für die Ukraine schwierig. Das russische Militär hat nach eigenen Angaben ukrainische Kräfte aus der Ortschaft Dworitschne im Gebiet Charkiw im Nordosten der Ukraine vertrieben. «In Richtung Kupjansk wurde der Gegner durch Angriffe von Einheiten der Heeresgruppe «West» vom Westrand der Ortschaft Dworitschne im Gebiet Charkiw verdrängt», sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Samstag in Moskau. Unabhängig können die Angaben nicht überprüft werden. Das Gebiet Charkiw hatten die ukrainischen Streitkräfte im Zuge ihrer Herbstoffensive fast vollständig wieder zurückerobert.
Dworitschne liegt auf der Ostseite des Flusses Oskil. Zunächst hatten die russischen Streitkräfte nach ihrem Rückzug aus dem Raum Isjum versucht, sich hinter dem Fluss neue Verteidigungslinien aufzubauen. Allerdings konnte das ukrainische Militär den Fluss schnell überqueren und den Vormarsch gen Osten zunächst fortsetzen. Die Offensive der Ukrainer Richtung Gebiet Luhansk ist aber mittlerweile gestoppt – auch durch die eilige Verlegung von russischen Mobilisierten in die Region. Nun kämpfen beide Seiten um die Initiative in dem Frontabschnitt.
Russland und Ukraine vollziehen neuen Gefangenenaustausch
Russland und die Ukraine haben nach Angaben aus Moskau den zahlenmässig grössten Gefangenenaustausch seit Jahresbeginn vollzogen. «Im Laufe eines schwierigen Verhandlungsprozesses wurden 63 russische Soldaten vom Territorium zurückgeholt, welches das Kiewer Regime kontrolliert», teilte das russische Verteidigungsministerium am Samstag auf seinem Telegram-Kanal mit. Die Ukraine bestätigte später den Austausch und die Rückkehr von 116 Gefangenen.
Selenski bestätigte den Austausch am Abend. Seit Kriegsbeginn seien bereits 1762 Ukrainer aus russischer Gefangenschaft zurückgeholt worden, erklärte er. Ziel sei es, alle Ukrainer zu befreien.
Was am Sonntag wichtig wird
Auf dem Schlachtfeld spielt sich das Geschehen weiterhin vor allem im Osten der Ukraine ab. Speziell um die Stadt Bachmut wird mit aller Härte gekämpft. Wirtschaftlich eröffnet der Westen eine neue Front gegen Russland: Ab Sonntag treten die neuen Ölsanktionen in Kraft. Die Europäische Union nimmt dann keine russischen Ölprodukte mehr ab. Ausserdem gilt ab diesem Zeitpunkt ein Preisdeckel auf Ölprodukte wie Diesel oder Heizöl. Damit sollen die Einnahmen des Kremls zur weiteren Kriegsführung verringert werden.
Der von der Europäischen Union, den G7-Staaten und Australien beschlossene Preisdeckel für russische Ölprodukte gilt ab Sonntag. Die Preisobergrenzen liegen bei 100 US-Dollar pro Barrel (159 Liter) für Kraftstoffe wie Diesel, Kerosin und Benzin und 45 Dollar pro Barrel für Produkte wie Heizöl. Die Höhe war zuvor innerhalb der EU umstritten gewesen, am Freitagabend kam es jedoch zu einer Einigung.
«Dieser Beschluss wird die Einnahmen Russlands noch stärker beschneiden und seine Fähigkeit zur Kriegführung in der Ukraine einschränken», erklärte die EU-Kommission am Samstag. Bereits Anfang Dezember hatten die EU, die G7 und Australien einen Deckel für russisches Rohöl von 60 Dollar pro Barrel verhängt.
Mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski gibt es laut dem deutschen Kanzler Olaf Scholz die Vereinbarung, dass die aus dem Westen gelieferten Waffen nur auf ukrainischem Territorium, nicht aber auf russischem Gebiet eingesetzt werden dürfen. «Darüber besteht Konsens», antwortete Scholz auf eine Frage der «Bild am Sonntag».
Die Aussage des russischen Präsidenten Wladimir Putin, wonach mit der Lieferung von Leopard-2-Panzern wieder deutsche Panzer Russland bedrohen würden, wies Scholz zurück: Putins Worte «stehen in einer Reihe abstruser historischer Vergleiche, die er nutzt, um seinen Angriff auf die Ukraine zu rechtfertigen», sagte der Kanzler der Zeitung.
Putin habe bislang keine Drohungen gegen Deutschland ausgesprochen, sagte Scholz weiter. Er habe «weder mir gedroht noch Deutschland. In unseren Telefonaten werden unsere sehr unterschiedlichen Standpunkte (...) sehr klar. Ich mache Putin sehr deutlich, dass Russland die alleinige Verantwortung für den Krieg hat», sagte Scholz. Grossbritanniens Ex-Premierminister Boris Johnson hatte zuvor erklärt, Putin habe ihm am Telefon mit einem Raketenangriff gedroht.
Portugal hat sich bereit erklärt, der Ukraine in den kommenden Monaten Leopard-2-Kampfpanzer zu liefern. Wie Ministerpräsident Antonio Costa nach Angaben der Nachrichtenagentur Lusa vom Samstag sagte, ist seine Regierung in engen Gesprächen mit Deutschland, um die teils nicht funktionsfähigen Panzer instand zu setzen. Eine Zahl für die Lieferung an die Ukraine bestimmter Leopard 2 nannte Costa zunächst nicht.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte nach langem Zögern am 25. Januar die Lieferung von 14 Leopard-2-Kampfpanzern aus Bundeswehr-Beständen an die Ukraine angekündigt. Die Bundesregierung nannte dabei das Ziel, zusammen mit europäischen Partnern «rasch zwei Panzer-Bataillone mit Leopard-2-Panzern für die Ukraine zusammenzustellen». Dies wären nach deutschen Standards fast 90 Panzer.
Wie der «Spiegel» in seiner neuen Ausgabe berichtet, gestaltet sich die Aufstellung der Panzer-Allianz aber schwieriger als erwartet. Demnach gab es bis zum Freitag von den europäischen Partnern, die zuvor öffentlich die Lieferungen von modernen Kampfpanzern an die Ukraine eingefordert hatten, keine festen Zusagen. «Die Zusammenstellung der Bataillone entpuppt sich als mühsamer Kraftakt», zitierte der «Spiegel» aus Regierungskreisen.
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US-Justizminister Merrick Garland hat die erste Überweisung von beschlagnahmtem Geld eines russischen Oligarchen an die Ukraine bekanntgegeben. Das vom einflussreichen russischen Milliardär Konstantin Malofejew beschlagnahmte Geld werde ans US-Aussenministerium «zur Unterstützung des ukrainischen Volks» gehen, sagte Garland dem TV-Netzwerk CNN. Bei der Ankündigung in Washington war auch der ukrainische Generalstaatsanwalt Andrij Kostin anwesend. Ihm zufolge umfasst die Überweisung 5,4 Millionen Dollar (umgerechnet rund 5 Millionen Franken), die für den «Wiederaufbau der Ukraine» verwendet würden.
Garland zufolge waren die Vermögenswerte Malofejews im April 2022 beschlagnahmt worden, nachdem er wegen des Umgehens bestehender Sanktionen gegen ihn angeklagt worden war. Damals hatte Garlands Ministerium – das auch die oberste Bundesstrafverfolgungsbehörde der USA ist – erklärt, der Milliardär habe versucht, diese Sanktionen zu umgehen, um «heimlich» Medien in Europa zu kaufen. Malofejew gilt als einer der wichtigsten Finanziers pro-russischer Separatisten in der Ostukraine.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski macht nach dem Gipfel mit der EU in Kiew weiter Druck für einen raschen Beitritt seines Landes zur Europäischen Union. «Wir sprechen bereits als Mitglieder der EU», sagte Selenski in einer am Freitagabend in Kiew verbreiteten Videobotschaft. Der Status müsse nur noch rechtlich verankert werden. Die EU-Kommission mit Präsidentin Ursula von der Leyen an der Spitze hatte indes in Kiew betont, dass die Ukraine noch einen langen Weg bis zu einer EU-Mitgliedschaft vor sich habe.
Dagegen meinte Selenski, dass die EU-Vertreter bei dem Gipfel in Kiew am Freitag Beitrittsverhandlungen in Aussicht gestellt hätten. «Es gibt ein Verständnis, dass es möglich ist, die Verhandlungen über eine Mitgliedschaft der Ukraine in der Europäischen Union dieses Jahr zu beginnen», meinte Selenski. Von EU-Seite gab es keine solchen konkreten Aussagen.

Selenski setzt grosse Hoffnung auf eine schnelle EU-Mitgliedschaft. «Wir bereiten die Ukraine auf eine grössere Integration in den internen Markt der EU vor – das bedeutet mehr Einkommen für ukrainische Unternehmen, mehr Produktion und Jobs in unserem Land. Und mehr Einkommen für unseren Staat und die lokalen Haushalte», sagte er. «Das ist das, was die Ukraine wirklich stärker macht.»
Die Ukraine werde alles dafür tun, dass die russische Aggression zu einem «Selbstmord» für Moskau werde. So habe auch die EU nun seinen Plan für einen Frieden in der Ukraine begrüsst. Kern von Selenskis Plan ist der Rückzug russischer Truppen, bevor Verhandlungen beginnen. Russland, das fast 20 Prozent des Gebiets der Ukraine kontrolliert, lehnt dieses Ansinnen als absurd ab.
Was am Samstag wichtig wird
Besonders hart umkämpft ist derzeit Bachmut im ostukrainischen Gebiet Donezk. Selenski betonte, dass die strategisch für die Ukraine wichtige «Festung» nicht aufgegeben werde. Die Schlacht um die Stadt gilt als besonders blut- und verlustreich. Bachmut könnte von russischen Truppen eingekesselt werden. Der Chef der russischen Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, kritisierte bei Telegram, Selenski widersetze sich Aufforderungen, die ukrainischen Truppen abzuziehen. Bachmut sei derzeit das «Hauptereignis dieses Krieges».
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Nach den EU-Mitgliedsstaaten haben sich auch die G7-Staaten und Australien auf Preisobergrenzen für russische Ölprodukte geeinigt. Wie aus einer gemeinsamen Erklärung hervorging, legten die Gruppe grosser Industriestaaten und Australien am Freitag Preisdeckel von 100 US-Dollar pro Barrel (159 Liter) für Kraftstoffe wie Diesel und 45 Dollar pro Barrel für Produkte wie Heizöl fest.
Dieses Vorgehen zielt demnach darauf ab, «Russland daran zu hindern, von seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine zu profitieren» und die Stabilität der Energiemärkte zu fördern. Zuvor hatten sich die EU-Mitgliedsstaaten am Freitag auf ähnliche Preisobergenzen geeinigt.
SDA/AFP/Redaktion Tamedia
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