Baselbieter Regierungsrat vor GerichtStaatsanwalt fordert 12 Monate bedingt für Thomas Weber
Thomas Weber und sein Kiga-Spitzenbeamter sollen den Kanton Baselland um 200'000 Franken geschädigt haben. Wir berichten live aus dem Strafgericht.
Fábián spricht von Indizien, die zum Schluss der ungetreuen Amtsführung führen und bemängelt das Aussageverhalten der Beschuldigten. Es sein ein harziges Untersuchungsverfahren gewesen.
Fábián wirft ihnen vor, die grundlegendsten und rudimentärsten Kontrollen unterlassen zu haben, ob die vereinbarte Pauschalvergütung von 650'000 Franken für die Schwarzarbeitskontrollen berechtigt waren. Dies sei übrigens der Grund, dass ein Betrugsverfahren gegen die ZAK fallen gelassen werden musste. Die Kehrseite davon: das heutige Verfahren wegen ungetreuer Amtsführung gegen Weber und Keller.
Fábián referiert ausführlich darüber, wie ihn das Kiga mit der Beantwortung von Fragen hingehalten hat und ihn mit Zirkelschluss-Begründungen ins Leere laufen lassen wollte.
Fábián kommt zum Schluss: Man hat mit einer Pauschalentschädigung einfach gezahlt, was vorgelegt und gewünscht worden ist. Das sei ihm «bizarr» erschienen.
«Wir habe es nicht mit einem gewöhnlichen Fall zu tun», sagt der Staatsanwalt. Er hält es für «nicht unbedenklich», dass er als dem Gesamtregierungsrat Unterstellter ein Strafverfahren gegen ein Regierungsratsmitglied führen muss. Er sei in diesem Verfahren einer der wichtigster Player, der darüber hinaus im Herbst zur Wiederwahl steht.
Anträge für Beweisverfahren gibt es keine. Das Beweisverfahren wird geschlossen. Nach der Mittagspause, um 13:15 Uhr, startet der Prozess mit den Plädoyers. Staatsanwalt Fábián kündigt eine anderthalbstündige Rede an. Webers Anwalt auch. Insgesamt sind Monologe von 4,5 Stunden angesagt.
Es geht weiter. Die Anwälte wollen jetzt auch Fragen stellen. Etwa, mit wem Zeuge Rohrer über seinen Auftritt am Gericht gesprochen und wen er informiert habe? Rohrer erklärt sich, er habe sich mit seinem Anwalt besprochen und diesen orientiert.
Jetzt will Webers Anwalt es genau wissen: Wie Rohrer sich erinnert und vorbereitet habe, warum er überhaupt für seine Zeugenaussage einen Anwalt aufgesucht habe. Und er forderte Rohrers «Erinnerungsstütze», seine Notizen heraus.
Rohrer reicht darauf seine Chronologie ein und sagt auch, dass er einen Anwalt aufgesucht habe, um sich zu schützen und sich nicht selbst belasten zu müssen.
Der Staatsanwalt will präzisiert haben: «Hat die ZAK aufgrund der Leistungsvereinbarung für die Jahre 2014 und 2015 mehr Kontrollen durchgeführt?» Rohrer antwortet: «Es wurde am Anfang gar keine Zahl vereinbart. Deshalb können Mehrkontrollen nicht ausgewiesen werden.»
Staatsanwalt Fábián will wissen: «Als es um die Erhöhung der Leistungsvereinbarung von 600'000 Franken auf 650'000 Franken für den Beizug von Experten ging – hatte die ZAK Bedarf an Experten?» Rohrer: «Nein.»
Bringen diese Aussagen die Beschuldigten in Bedrängnis? Die Anwälte von Keller und Weber beantragen einen Unterbruch von einer halben Stunde, um sich mit den Angeklagten besprechen zu können. Sie wollen klären, ob es sinnvoll sei, nun dem Zeugen Zusatzfragen zu stellen.
Richterin Monika Roth, Spezialistin im Wirtschaftsrecht, erkundigt sich zum genannten Spielraum der Arbeitsmarktkontrolle – wie man die ausländischen Unternehmen etwa härter an die Kandare genommen habe. Diese Frage ist nicht wirklich beantwortet worden. Aber brisant: Wichtige Dossiers zu den Kontrollen von Baustellen von guten Steuerzahlern im Kanton Baselland (Ikea und Rofra AG) seien ihm, Michel Rohrer, von den Vorgesetzten entzogen worden (Christoph Buser oder vorher Hans-Rudolf Gysin).
Wurden Gegenleistungen von den Sozialpartner und dem Kanton erwartet? «Das ist sehr subtil formuliert worden. Es hiess nie: Weil ich dir den Wahlkampf bezahlt habe, behandle uns gut», sagt Rohrer. Aber es sei unterschwellig formuliert worden und ein Grundtenor gewesen. Man sagte, dass man Entgegenkommen und Kooperation erwarte – in vielen politischen Bereichen.
Das Gesetz zur Kontrolle der Leistungsvereinbarung mit dem Kanton sei bewusst so ausgestaltet gewesen, dass die Prüfung einzig von der Volkswirtschaftsdirektion wahrgenommen werden konnte (früher durch Regierungsrat Peter Zwick und dann Thomas Weber) und nicht vom Gesamtregierungsrat oder etwa vom Landrat. «Das Gesetz haben wir geschrieben, um es einfach zu haben, um nur einen Ansprechpartner zu haben», sagt Rohrer.
Die verankerten 650'000 Franken für die ZAK- Kontrollen seien von Thomas Weber und Thomas Keller durchgewunken worden. Die Fragen hätten sich mehrheitlich darum gedreht, wie man die neuen Mehraufwendungen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit begründen könne. Dem Landrat habe man vorgegaukelt, dass sich die höheren Aufwendungen refinanzieren liessen – etwa durch gebüsste Unternehmen und Kontrollgebühren. Die andere Hälfte der Aufwendungen würde ohnehin vom Bund subventioniert. Einzig der Gesamtregierung sei klar gewesen, dass sich das nicht so umsetzen liesse. Aber an Bord waren auch die Gewerkschaften, die von diesem System mit höheren Beträgen entgolten wurden.
«Je mehr öffentliches Geld für die Bekämpfung der Schwarzarbeit zur Verfügung gestellt wurde, desto weniger kam am Ziel im operativen Bereich an», sagt Rohrer. Es sei ihm zunehmend unwohl geworden. Deshalb habe er sich von der ZAK getrennt.
Ein Beispiel wie abgerechnet worden sei: Für 300 Stellenprozente seien am Standort Grammet in Liestal Jahresmieten von 14'200 Franken angefallen. Im Budget wurden aber 60'000 Franken abgerechnet, sagt Michel Rohrer. Das Geld sei intransparent hin- und hergeschoben worden. Thomas Keller vom Kiga habe davon gewusst – etwa davon, dass Kontrollen doppelt gezählt worden. Die Stichproben, ob die Kontrolltätigkeit korrekt wahrgenommen worden sei, seien termingerecht manipuliert gewesen.
Wirtschaftskammerdirektor Christoph Buser habe die Geldmaschine ZAK nach der Übernahme der Geschäftstätigkeit von alt-Nationalrat Hans-Rudolf Gysin zu optimieren versucht, führt Rohrer aus.
Er habe die Budgets für die ZAK erstellen müssen, um zu dokumentieren, was eine Kontrolle der Baustellen jährlich kosten würde. Er habe 580'000 Franken budgetiert. Während der Ausgestaltung der Gesetze, als sich abzeichnete, dass das neue Schwarzarbeitsmarktgesetz auf- und angenommen wird, habe er den Auftrag erhalten, die Aufwände hochzuschrauben und sie auf 650'000 Franken verankert. Man buchte beispielsweise Zusatzgelder unter der Position «Prävention» herauf. Diese Posten seien aber nie umgesetzt worden. Die Mehrbudgets seien nie bei der ZAK angekommen, es habe nie mehr Personal gegeben.
Zu Beginn sei ihm nicht bewusst gewesen, sagt Rohrer, dass er für eine leere Hülle gearbeitet habe. Im Grunde genommen hätte man den Auftrag zur Kontrolle der Schwarzarbeit für 300'000 Franken jährlich abwickeln können. Eigentlich hätte man diesen Auftrag, der letztlich über 380'000 Franken entgolten wurde, auch öffentlich ausschreiben müssen. Das habe man intern als «Schwachstelle» erkannt. Daher habe man versucht, ein neues Gesetz ins Parlament zu bringen.
Um die Wirtschaftskammer für diesen Auftrag in Poleposition zu bringen, habe man das Kiga in Misskredit bringen müssen, um zu dokumentieren, dass die ZAK dies besser könne. Die Ironie in der Geschichte: Man habe diese Misskredits-Kampagne beim Bau des Strafjustizzentrums gestartet, wo man sich vor Gericht wieder begegnet. Das ging so: Kiga-Leiter Thomas Keller habe der Wirtschaftskammer heimlich mitgeteilt, wann seine Untergebenen beim Strafjustizzentrum eine Baustellenkontrolle durchführe würden – auf Kontroll-Territorium der ZAK. So konnte Rohrer selber die Fotos schiessen und dokumentieren, wie das Kiga dilettantisch, ohne Verdachtsgründe und zu Bürozeiten eine Baustelle kontrollierte. «Das haben wir ausgeschlachtet und die Medien mit den Fotos beliefert, wo sie als Leserfotos publiziert wurden », sagt Rohrer. So habe Thomas Keller der Wirtschaftskammer geholfen, die Leistungsvereinbarung für die Baustellenkontrolle zu erhalten.
Im Zeugen und Juristen – in der Person Michel Rohrer schlechthin – kommt die enge Verbandelung der Wirtschaftskammer und der Zentralen Arbeitsmarktkontrolle (ZAK) zum Ausdruck. Er bezeichnet die ZAK als leere Hülle. Alles – vom Bleistift bis zum Personal – sei an die ZAK vermietet worden. Die Wirtschaftskammer habe das Interesse gehabt, die Schwarzarbeitskontrolle selber durchzuführen. Man könne Geld damit verdienen. Es habe Margen auf alles gegeben. Das Konstrukt gebe Spielräume in der Gestaltung der Kontrolle im Arbeitsmarkt – man habe etwa das einheimische Gewerbe besser fördern und die ausländischen Unternehmen stärker kontrollieren können.
Die Verhandlung wird wieder aufgenommen. Ein skurriler Zufall: Wie Regierungsrat Thomas Weber tritt auch Zeuge Michel Rohrer mit Krücken, Gips und schwerer Beinschiene vor Gericht auf. Beide haben Nachwehen von Sport- und Freizeitunfällen.

Es geht weiter: «Es ist ständige Praxis, dass an Baselbieter Gerichten die Anträge im Rahmen der Plädoyers bekannt gegeben werden», sagt Gerichtspräsident Schröder. Dennoch hat das Gericht das Gesetz unter die Lupe genommen und den Antrag geprüft. Die Erkenntnis: Das Gericht sei verpflichtet, die Anträge bekannt zu geben. Das könne das Gericht aber nur, wenn die Anträge bekannt sind – also im Anschluss des Plädoyers. Der Antrag wird abgelehnt.
Es kommt nicht zur Personenbefragung, weil die Angeklagten das Recht wahrnehmen, die Aussagen zu verweigern. So kann die Verhandlung wieder unterbrochen werden, weil es nichts mehr zu fragen gibt - bis der um 10:15 Uhr geladene Zeuge erscheint. Es ist der frühere ZAK-Geschäftsführer Michel Rohrer.
Die Gerichtsverhandlung ist nun für über eine Stunde unterbrochen.
Die Anwälte von Weber und Keller fordern Staatsanwalt János Fábián dazu auf, bereits jetzt, vor dem Plädoyer, die Strafanträge bekannt zu geben. Der Ankläger will dies aber erst im Rahmen seiner Ausführungen machen.
Das Gericht unterbricht die Verhandlung und zieht sich kurz zur Beratung zurück.
Mit leichter Verspätung nehmen Regierungsrat Thomas Weber und Kiga-Chef Thomas Keller im Gerichtssaal Platz. Gerichtspräsident Andreas Schröder begrüsst die beiden Beschuldigten und weist sie darauf hin, keine Aussagen machen zu müssen.
Auf Anraten ihrer Anwälte und mit Hinweis, dass sie die bei den Einvernahmen ausgesagt haben, wollen beide vor Gericht keine weiteren Aussagen machen. Schröder führt das hohe öffentliche Interesse ins Feld und wünscht Fragen stellen zu können.
Die Vorwürfe der Baselbieter Staatsanwaltschaft gegen Regierungsrat Thomas Weber (SVP) und einen seiner Mitarbeiter, dem Leiter des Kiga Baselland, Thomas Keller, sind massiv: «Ihnen wird ungetreue Amtsführung, respektive Gehilfenschaft dazu, zum Nachteil des Kantons Basel-Landschaft vorgeworfen.» Weber muss sich für sein Verhalten im Umgang mit dem Verein ZAK, der im Baselbiet Arbeitsmarktkontrollen durchführte und die Schwarzarbeit bekämpfte, vor dem Richter verantworten.
Die ZAK wurde von der Wirtschaftskammer Baselland und den Gewerkschaften getragen. Lesen Sie dazu: Die drängendsten Fragen und Antworten zur Anklage gegen Thomas Weber.

Bei der Vereinbarung über kantonale Pauschalentschädigungen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit hätten der Regierungsrat und sein Spitzenbeamter den Kanton Baselland in den beiden Jahren 2014 und 2015 jährlich um 100’000 Franken geschädigt und damit der ZAK einen unrechtmässigen Vorteil verschafft.
Weber, der der Entourage um die ZAK nahe steht, habe weder deren Businessplan hinterfragt noch ein detailliertes Budget verlangt. Aus den Jahresrechnungen hätte er auch sehen müssen, dass die ZAK jährliche Beträge für «Beratung und Öffentlichkeitsarbeit» von rund 85’000 Franken aufgelistet hat – Leistungen, die vom Kanton nicht zu finanzieren gewesen wären.
In der Endabrechnung kommt der anklagende Staatsanwalt János Fábián, Leiter der Hauptabteilung Wirtschaftskriminalität, zum Schluss, dass Weber und Keller «bewusst» 200'000 Franken zu viel bezahlt hätten.
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