Baselbieter Regierungsrat vor GerichtStaatsanwalt fordert 12 Monate bedingt für Thomas Weber
Thomas Weber und sein Kiga-Spitzenbeamter sollen den Kanton Baselland um 200'000 Franken geschädigt haben. Wir berichten live aus dem Strafgericht.
Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück. Das Urteil wird nach einem Tag am Freitag verkündet.
Jetzt spricht der Verteidiger von Kiga-Chef Thomas Keller. Er beginnt emotional. «Dass sich das der verdiente Staatsdiener nach seiner langjährigen und bewährten Amtszeit, kurz vor seiner Pension noch gefallen lassen muss.»
Unter welchen politischen Bedingungen das Kiga damals operierte, habe Staatsanwalt Fábián völlig verkannt. Das Gesetz sei völlig auf die ZAK zugeschnitten gewesen. Da habe es null Spielraum für Keller gegeben.
Die Staatsanwaltschaft hätte das Verfahren einstellen müssen, als sie erkannte, dass das Kiga sich gegen die Monopolstellung der ZAK gewehrt habe.
Auch Verteidiger Nicola Moser greift János Fábián mit denselben Worten wie Kollege Livschitz persönlich an: Fábián sei «perfide» vorgegangen, indem die Staatsanwaltschaft vorgegaukelt habe, gegen die ZAK zu ermitteln, ihm aber verschwiegen habe, ihn als Sündenbock für die ZAK-Verfehlungen im Visier gehabt zu haben.
Keller geht persönlich von einem vollständigen Freispruch aus.
Livschitz spricht vom einem teuren «Sturm im Wassergas», den die Staatsanwaltschaft verursacht habe. Er verlangt einen vollumfänglichen Freispruch von Regierungsrat Thomas Weber von Schuld und Strafe und eine vollumfängliche Kostentragung für das Verfahren durch den Staat. Schliesslich sei Thomas Weber nach Ermessen des Gerichts eine Prozessentschädigung zu entrichten.
Die Verteidigung hält in einem weiteren Zwischenfazit fest: Die Staatsanwaltschaft kreidet den Angeklagten zu Unrecht Kostenpositionen für Prävention und externe Experten als vermeintlichen Schaden an. Es sei erwiesen, dass diese Kostenarten in der Gesetzesvorlage 2013/2014 vorgesehen waren.
Nach den Erfüllungsproblemen der ZAK habe vielmehr Thomas Weber alles daran gesetzt, Schaden vom Kanton abzuwenden und die Reissleine zu ziehen. Weber sei darum nicht der Schädiger, sondern jener, der Geld schiedsgerichtlich zurückgefordert hat.
Lange Ausführungen zur Prüfungspflicht von Thomas Weber. Fazit des Verteidigers: Er durfte sich auf die Urkunden, die Revisionsberichte abstützen und sich darauf verlassen. Er hatte keine Chance, das Konstrukt der ZAK und der Wirtschaftskammer zu durchschauen. Der Zeuge Michel Rohrer von heute Morgen habe selber mehrere Jahre gebraucht, um es zu durchschauen.
Livschitz führt auch einen Kostenvergleich an: Eine Betriebsprüfung bei der der BDO Visura koste zwischen 6000 und 10'000 Franken. «Warum soll die ZAK mit 3250 Franken zuviel verlangt haben, wenn die BDO für eine vergleichbare Leistung auf dem freien Markt weit mehr als das Doppelte verlangen darf?» Der Verteidiger will damit sagen, dass die Staatsanwaltschaft aufgrund falscher Ausgangslagen zur falschen Erkenntnissen komme und zu unrecht glaube, der Kanton habe zuviel für die Kontrollleistungen bezahlt.
Die Staatsanwaltschaft hätte den hypothetischen Vermögensstand mit jenem nach den Zahlungen an die ZAK vergleichen müssen. Das nenne sich in der Justizlandschaft «Differenzhypothese», wie die Verteidigung nun ausführt. Den Nachweis eines Schaden im strafrechtlichen Sinn erbringe die Staatsanwaltschaft aber nicht. Sie habe auch keine schädigende Handlung identifiziert.
Weiter führt die Verteidigung an, dass die ZAK in einer Monopol-Stellung war und den Preis diktieren konnte. Man kam gar nicht um sie herum. Zudem liege ein nicht überprüfbarer Ermessensspielraum von Regierungsrat Thomas Weber vor.
Thomas Weber war gar nicht frei, allein zu entscheiden. Er musste alles dem Gesamtregierungsrat vorlegen, der in voller Kenntnis aller Umständen, einschliesslich des Vertragstextes und der Höhe der vereinbarten jährlichen Pauschalbeiträge, die Leistungsvereinbarung beschlossen hat, wie die Verteidigung nun argumentiert.
«Die Theorie, dass Weber gewissermassen privat seinen Entscheid, 650'000 Franken zu zahlen, einfach durchgedrückt hat, ist abenteuerlich und von der Hand zu weisen», sagt Livschitz. Es sei eine dreiste Lüge.
Der Anwalt vervollständigt die Aussage von Regula Meschberger, die von Staatsanwalt Fábián offenbar selektiv zitiert worden ist. Die Frage an sie lautete: Kann man aus ihrer Sicht sagten, dass im Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes jährliche Beiträge von 650'000 Franken an die ZAK für die Schwarzarbeitskontrolle im öffentlichen Interesse des Kantons standen? Meschberger: «Ja, ganz klar.»
Der Verteidiger bestreitet vehement, dass Regierungsrat Thomas Weber für eine (höhere) Leistungsvereinbarung interveniert habe. «Das ist eine freie Erfindung», sagt er; «das ist perfide».
Baustellenkontrolle ist nicht Baustellenkontrolle, sagt jetzt der Verteidiger. Es hätte Observationen gegeben. In Tat und Wahrheit seien abgeschlossene Kontrollen in der Periode 2010 bis 2013 wesentlich geringer ausgefallen. Was der Verteidiger damit sagen will: Der Kanton hat danach für 650'000 Franken wesentlich mehr und vor allem verbindliche Leistungen eingekauft. Damit ist der Kanton nicht geschädigt worden.
Eine rudimentäre Abklärung hat es auch für die Periode 2010 bis 2013 durch den damals verantwortlichen Landrat nicht gegeben, argumentiert die Verteidigung. Was man dem Landrat nicht vorwirft, könne man jetzt auch dem Regierungsrat nicht vorwerfen. «Äpfel mit Birnen vergleichen» wiederholt Livschitz immer wieder.
Die Staatsanwaltschaft vergleiche Äpfel mit Birnen und führe die Staatsanwaltschaft mit ihrer Argumentation in die Irre. Bis vor Abschluss der Leistungsvereinbarung, in der Periode 2010 bis 2013, zahlte der Kanton à-Fonds-Perdu-Beiträge. Danach erkaufte er sich mit 650'000 Franken konkrete Dienstleistungen. Das sei nicht zu vergleichen. Der Verteidiger spricht von nun von einem «Marktpreis». Für wieviel Geld könne man sich Schwarzarbeitskontrollen erkaufen.
Jetzt spricht der Verteidiger: «Die Staatsanwaltschaft hat zu keinem einzigen Knopfloch den passenden Knopf gefunden», eröffnet Mark Livschitz. «Vor uns sitzen zwei Unschuldige.»
Thomas Weber sei zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten bedingt, bei einer Probezeit von zwei Jahren zu verurteilen.
Kiga-Chef Thomas Keller sei zu einer bedingten Geldstrafe von zehn Tagessätzen, bei einer Probezeit von zwei Jahren zu verurteilen. Dies wegen Gehilfenschaft zur ungetreuen Amtsführung.
Pause.
Fábián äussert sich zur Strafzumessung: Der Strafrahmen beträgt Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.
Das Delikt wiege aber nicht allzu schwer, trotz hoher Deliktsumme von letztlich 200'000 Franken. Weber habe wenig kriminelle Energie, er hat sich am Handeln nicht selber bereichert. Thomas Keller Beteiligung ist «mariginal», die kriminelle Energie «marginal klein».
Fábián versucht juristisch links und rechts die Schotten dicht zu machen. Er sagt, dass die Pauschalvergütung nicht deshalb zu hoch angesetzt war, weil die ZAK die Aufträge nicht zur Zufriedenheit und nicht im nötigen Umfang erledigt hatte. So argumentiert die Verteidigung.
Diese Überlegungen hätten aber bei der Betriebskontrolle keine Rolle gespielt, meint Fábián in seinem Plädoyer. Bei der Berechnungen und Festlegung der Höhe der Kosten hätte der Kanton nach allen damals bekannten Faktoren zur Erkenntnis kommen müssen, dass der Preis um 580'000 Franken hätte betragen müssen und nicht 650'000 Franken.
Eine 18 Prozent höhere Entschädigungen ohne Prüfung gehöre nicht mehr zum Ermessenspielraum.
Es muss Weber gewesen sein, der sich gegen die Bedenken von Thomas Keller den zu hohen Betrag durchgesetzt hat, sagt Fábián. «Wer sonst?», fragt der Staatsanwalt rethorisch und wirft dem Regierungsrat vor, «vorsätzlich gehandelt» zu haben. Mit direktem Vorsatz «zweiten Grades», ergänzt Fábián. Thomas Keller, ein kostenbewusster Kiga-Chef, habe das Diktat zähneknirschend mitgetragen. Er habe bei diesem Deal «Mehrleistungen» herauszuschlagen versucht. Das sei ihm aber nicht gelungen. Keller sei Gehilfenschaft vorzuwerfen.
Der Betrag von 650'000 Franken wurde von Wirtschaftskammerdirektor Christoph Buser und Unia-Vertreter Daniel Münger in die Kommission des Landrats getragen. Dass der Betrag nicht validiert worden sei und seriös abgeklärt wurde, sei dort niemandem bekannt gewesen. Dies gab die frühere Landrätin Regula Meschberger in einer Einvernahme zu Protokoll.
Fábián folgert, dass Regierungsrat Thomas Weber einen Ermessenspielraum bei der Festsetzung des Betrags gehabt habe. Seine Verantwortung dort habe er aber nicht wahrgenommen.
Unbeirrt hält Fábián an den Anklagepunkten fest. Die Pauschalvergütung sei jährlich um 85'000 bis 95'000 Franken zu hoch gewesen. In den Pauschalentschädigungen wurde der Posten «aussenstehende Experten» einberechnet, die nie aufgeboten wurden und die nie notwendig waren. Das hätte man aus der Buchhaltung lesen können, so Fábián. Es seien Leistungen ohne gesetzliche Grundlagen abgegolten worden.
Heute werde von der Verteidigung eine höhere Qualität der Kontrolle zur Begründung der höheren Entschädigungen ins Feld geführt. Davon sei aber nie die Rede gewesen.
Erst zwei Wochen vor Verhandlungsbeginn ist ein E-Mail nachgereicht worden, das wesentlich weniger Betriebskontrollen dokumentiert als tatsächlich 2012 erfolgten – 124 statt 252. Dies lässt die Leistungssteigerung in den Folgejahren 2014 und 2015 in einem anderen Licht erscheinen. Und in der Folge wohl auch die Berechnungsgrundlagen für die Pauschalentschädigungen über jährlich 650'000 Franken.
Fábián spricht von einem Zahlensalat, der neue Fragen ausgelöst hat und die Beschuldigten entlasten könnte. Vor Anklageerhebung hätte er auch in andere Richtungen ermittelt. Er verstehe es nicht, dass dieses Mail erst jetzt ins Recht gegeben wurde.
Der bisherige Wirkungsgrad der Schwarzarbeitskontrollen hätte erhöht werden sollen. Das sei Sinn und Geist der Gesetzesänderung gewesen. Dennoch sei keine Erhöhung der Kontrollen jemals erwähnt worden. Die Fragen, wie dieser Wirkungsgrad hätte erhöht werden könnten, habe die Volkswirtschaftsdirektion von Thomas Weber nur «sehr vage» beantworten könnten.
Jetzt wird es rechtstechnisch: Es handle sich um ein verwaltungsrechtliches Rechtsgeschäft. Aber darauf komme es nicht an. Tatbestandsmässig seien nicht nur privatrechtliche Rechtsgeschäfte erfasst. Ungetreue Amtsführung bedeute: Private Interessen werden auf Kosten öffentlicher Interessen durchgesetzt.
Die Pauschalvergütung wurde von 380'000 auf 650'000 Franken erhöht, ohne das die Verantwortlichen Weber und Keller nur rudimentär überprüft hätten, dass dieser Betrag gerechtfertigt gewesen wäre.
Sie haben ihren Entscheid dem Gesamtregierungsrat zukommen lassen, ohne darin anzudeuten, dass diese Leistungsvereinbarung, bzw. der Preis dafür, nicht überprüft worden ist. Das sei nicht ein Unterlassungsdelikt. «Es ist ein Handlungsdelikt», sagt Fábián.
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