Thiam geht – was bleibt?
Tidjane Thiam trat mit grossen Versprechen bei der Credit Suisse an. Er hat die Bank umgebaut, Tausende Stellen gestrichen und den Gewinn gesteigert.

Der scheidende Credit-Suisse-Chef Tidjane Thiam tritt am Donnerstag zu seiner Ehrenrunde an. Dabei dürfte sich der Manager mit einem satten Gewinnplus von der Spitze der Bank verabschieden. Experten erwarten für die zweitgrösste Schweizer Bank einen Nettogewinn von 3,5 Milliarden Franken. Das sind 1,5 Milliarden Franken mehr als im Jahr davor.
Doch dahinter stecken Sondererlöse – unter anderem Einnahmen aus dem Verkauf von Immobilien und eine höhere Bewertung der Beteiligung an der Schweizer Börse SIX. Die Analysten von Vontobel schätzen die positiven Einmaleffekte für das vergangene Jahr auf insgesamt über eine Milliarde Franken. «Diese Entwicklung ist nicht nachhaltig», sagt Vontobel-Analyst Andreas Venditti – es sei denn, die Credit Suisse wolle auch in den kommenden Jahren weitere Immobilien oder Vermögenswerte verkaufen.
Neue Wachstumsquellen dringend gesucht
Der neue Bankchef Thomas Gottstein hat also eine Menge Arbeit vor sich. Seine wichtigste Aufgabe ist es, neue Wachstumsquellen für die Bank zu finden. Thiam hatte die Credit Suisse auf das vergleichsweise stabile Vermögensverwaltungsgeschäft ausgerichtet und den risikoanfälligen Handel deutlich zurückgefahren. Doch das neue Kerngeschäft ist nicht immun gegen Krisen: «Die Börsen sind auf Rekordstand, und trotzdem ist die Ertragssituation, wenn man von den Einmaleffekten absieht, unspektakulär», sagte Venditti.
Hinter den Kulissen kämpfen die Banken mit sinkenden Margen im Geschäft mit Millionären und Milliardären. Grund dafür ist die Zurückhaltung vieler reicher Kunden, die verunsichert sind und daher weniger Geschäfte abschliessen. Zudem wächst die Konkurrenz durch neue digitale Anbieter, die die Preise drücken. Darüber hinaus schmälern die rekordtiefen Zinsen die Erträge der Kredithäuser.
Das zeigt sich an den operativen Einnahmen der Banken, die seit Jahren nicht vom Fleck kommen – die Credit Suisse ebenso wenig wie die Konkurrentin UBS.
All das spiegelt sich auch im Aktienkurs. Dieser ist seit der Ernennung von Thiam zum neuen Bankchef im März 2015 um gut 40 Prozent abgestürzt. Damit befindet sich die Credit Suisse in guter Gesellschaft zu anderen europäischen Bankhäusern.
Ganz anders sieht das bei amerikanischen Grossbanken aus, deren Aktienkurse im selben Zeitraum zugelegt haben. Sie sind damit auch an der Börse deutlich mehr wert als europäische Banken – kein Wunder, denn die US-Häuser verdienen auch deutlich mehr. Die grösste US-Bank J. P. Morgan etwa verbuchte im Vorjahr einen Gewinn von 36,4 Milliarden Dollar. Bei der grössten Schweizer Bank UBS waren es im Vorjahr 4,3 Milliarden Dollar.
Die Liste von Thiams Minuspunkten ist mit diesen harten Zahlen und Fakten aber nicht zu Ende. Kritikern zufolge hat der Spionageskandal rund um den Abgang des ehemaligen Vermögensverwaltungschefs Iqbal Khan dem Ansehen der Bank geschadet. Bei der Belegschaft sorgt die Affäre weiterhin für Aufregung. Thiam habe ein Klima der Angst geschaffen. «Viele haben das Gefühl, dass sie immer kontrolliert werden und dass kein Fehler geduldet wird», heisst es aus Mitarbeiterkreisen. «Das ist wie in einem Korsett.» Thiam habe bestehende Kontrollmechanismen vielerorts noch verstärkt. Kritik sei nicht erwünscht gewesen. Nun liegt es an der neuen Führung, hier gegenzusteuern.
Kosten gesenkt, teure Rechtsfälle gelöst
Doch die Bilanz von Thiams Schaffen fällt nicht nur negativ aus. In vielen Bereichen hat er die Bank vorangebracht. Deutlich vorwärtsgemacht hat er beispielsweise bei der Senkung der Kosten. Diese sind in den vergangenen drei Jahren im Zuge der Restrukturierung um rund 4,5 Milliarden Franken zurückgegangen. Thiam hatte im Zuge seines Umbaus Tausende Stellen gestrichen.
Zudem steht die Bank bei noch offenen Rechtsfällen aktuell deutlich besser da als die Konkurrentin UBS. Den unangenehmen Streit mit dem US-Justizministerium wegen Tricksereien am US-Immobilienmarkt hat die Credit Suisse bereits vor Jahren beigelegt – musste dafür allerdings 2,5 Milliarden Dollar zahlen. Weitere 2,8 Milliarden Dollar versprach das Institut Geschädigten. Bei der UBS steht ein Abschluss dieses langwierigen Falls noch aus. Sie hofft, mit einer vergleichsweise geringen Summe davonzukommen.
Geldspritzen der Aktionäre stärken dünne Kapitaldecke
Zudem ist die UBS in einen milliardenschweren Rechtsstreit über Beihilfe zur Steuerhinterziehung in Frankreich verwickelt. Die Credit Suisse ist von Ähnlichem bislang verschont geblieben. Wobei die Credit Suisse in einen Kreditskandal in Moçambique verwickelt ist. Experten gehen derzeit aber nicht davon aus, dass die Bank hier mit grossen Summen geradestehen muss.
Unter Thiam hat die Credit Suisse zudem ihre ehemals dünne Eigenkapitaldecke aufgepolstert. Gelungen war das durch zwei milliardenschwere Kapitalerhöhungen. Thiams Leistungsausweis zeigt, dass er die Bank keinesfalls wegen schlechter Ergebnisse oder mangelnder Erfolge verlassen muss. Vielmehr ist er über die Spionageaffären gestolpert.
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