Theresa May, «Lügnerin, du Lügnerin!»
Ein Anti-Theresa-May-Song sorgt in Grossbritannien derzeit für Aufruhr. Doch es gibt auch andere unbequeme politische Songs, die in der Vergangenheit für Empörung sorgten.

«Sie ist eine Lügnerin, Lügnerin. Sie ist eine Lügnerin, Lügnerin. Du kannst ihr nicht vertrauen, nein, nein, nein, nein», schallt es derzeit durch britische Musikanlagen. Die Rede ist vom Song «Liar, Liar» der Gruppe Captain SKA. Die als Lügnerin angeprangerte Person: Die britische Premierministerin Theresa May.
Am letzten Freitag – am klassischen «New Music Friday» – veröffentlicht, fand sich der Song mit dem süffigen Refrain bereits am Montag auf Platz 2 der britischen Charts. Auf iTunes schnellte der Song gar auf den ersten Platz hoch und wurde bis am Nachmittag des 31. Mai über eine Million Mal auf Youtube angesehen.
Der Song nimmt Bezug auf mehrere Versprechen Theresa Mays, die sie der Ansicht der Musiker nach nicht eingehalten hat. Zuvorderst steht der Vorwurf an May, vorgezogene Wahlen durchführen zu lassen – obwohl sie erst gerade das Gegenteil geschworen hatte.
Trotz hoher Chartplatzierung wird das Lied auf britischen Radiostationen nicht gespielt. Der Grund: Die Medien dürfen insbesondere vor Wahlen nur unparteiische Inhalte veröffentlichen – ein Anti-Theresa-May-Song geht demnach nicht. Das gefällt nicht allen.
«God save the queen, the fascist regime!»
Doch es ist nicht das erste Mal, dass ein politischer Song auf den Britischen Inseln für Wirbel sorgt. Den wohl historisch signifikantesten Song dürften mit «God Save the Queen» – der also denselben Namen wie die britischen Nationalhymne trägt – die Sex Pistols geschrieben haben.
Eine breite Öffentlichkeit empfand den Punk-Song als direkten Angriff auf die britische Monarchie und auf Queen Elizabeth persönlich. Kein Wunder: «God save the queen, the fascist regime» («Gott schütze die Königin, das faschistische Regime»), krächzte Sex-Pistols-Fronter Johnny Rotten. Oder auch: «God save the queen, she ain't no human being» («Gott schütze die Königin, sie ist kein menschliches Wesen»).
Gegen den urbanen Zerfall
Rotten und seine Bandgenossen versuchten gar, den Song auf der Themse nahe dem Westminster-Palast auf einem Schiff zu spielen, das «Queen Elizabeth» hiess, nur um nach dem Docken verhaftet zu werden. Noch heute ranken sich Verschwörungstheorien um den Song, der es in den Single-Charts «nur» auf den zweiten Rang geschafft hatte. Viele glauben, die BBC habe absichtlich dafür gesorgt, dass der Song nicht auf Rang 1 platziert worden sei.
Ein weiterer Song, der es in Grossbritannien zu infamem Ruf gebracht hatte, war «Ghost Town» der Punk- und Ska-Band The Specials. Das Lied besang den urbanen Zerfall in den englischen Innenstädten. Es galt als inoffizieller Soundtrack zu den Krawallen von 1981, die vornehmlich in London, Birmingham, Leeds und Liverpool stattgefunden hatten. Dass der Song aber während der Ausschreitungen populär wurde, bezeichnete Sänger Terry Hall als reinen Zufall.
The Specials sangen damals: «Why must the youth fight against themselves? Government leacing the youth on the shelf.» («Warum muss die Jugend gegen sich selber kämpfen? Die Regierung lässt die Jugend auf dem Regal liegen.») Ihr Song wurde von diversen grossen Musikmagazinen als «Single des Jahres» geehrt.
Ding, dong
Ein eigentlich überhaupt nicht politisches Lied ist «Ding dong the Witch is dead» («Ding dong, die Hexe ist tot»). Der Song stammt aus dem legendären Kultfim «The Wizard of Oz» aus dem Jahr 1939 mit der später berühmten Judy Garland. Lange kannte man den Film in der Populärkultur für den Satz «Toto, I've a feeling we're not in Kansas anymore», der mittlerweile zum geflügelten Wort geworden ist – wer sich nicht mehr wohl und zu Hause fühlt, verwendet diesen Satz.
Das Jahr 2013 katapultierte den Hexensong plötzlich wieder ans Licht der Popularität – nämlich als die britische Premierministerin Margaret Thatcher, bekannt als die «Eiserne Lady», starb.
Im Lied feiern die Bewohner von Oz den Tod der bösen Hexe, die das Land mit Schrecken und Terror erfüllt hatte. Verantwortlich für die schlagartige Popularisierung des Songs war eine linke Social-Media-Kampagne, die es bewerkstelligte, das Lied tatsächlich wieder auf Platz 1 der Charts zu spülen. Sofort entbrannte eine Kontroverse, in deren Mitte sich BBC befand, sich dann aber dagegen entschied, den Song in der offiziellen Chartsendung zu spielen. Aus «Pietätsgründen».
«Fuck you, I won't do what you tell me»
Obwohl Rage Against the Machine keine Band aus Grossbritannien ist, hat es die stark linke Band geschafft, dort für einen Skandal zu sorgen. Aus Versehen spielte die BBC die unzensierte – und stark vulgäre – Version ihres Songs «Killing in the Name» am Radio.
Das Lied insinuierte unter anderem, amerikanische Polizisten seien zum Teil Mitglieder beim rassistischen Ku-Klux-Klan. Sie dürften konsequenzlos töten, weil sie als Polizeimarkenträger die «auserwählten Weissen» seien. 2012 machte Gitarrist Tom Morello wieder auf sich aufmerksam, als er den britischen Rechtsaussen-Politiker Nigel Farage und dessen Partei Ukip dafür angegriffen hatte, den Song für Wahlveranstaltungen zu verwenden.
«Zwischen Störkraft und den Onkelz»
Während es in Grossbritannien und den USA primär linke und bürgerrechtliche Anliegen waren, die für musikalische Politskandale sorgten, ist das im deutschsprachigen Raum genau umgekehrt. Dort sind es vor allem Bands aus dem rechten Spektrum, die regelmässig öffentliche Empörung provozieren. «Böhse Onkelz» haben es von der Indizierung und Beschlagnahmung bis auf Platz 1 der deutschen Charts geschafft – und das trotz zusätzlicher Kontroversen, die Band sei eigentlich eine rechtsextreme Rockband. Begründet wurden die Vorwürfe wegen frühen Songs wie «Türken raus» oder «Deutschland den Deutschen».
Während der 1990er-Jahre wurden die Onkelz immer wieder mit rassistischen Übergriffen in Verbindung gebracht. Die Onkelz selber hatten sich in der Folge öfters von rassistischem Gedankengut distanziert (auch musikalisch), nach dem Geschmack einiger Kritiker aber zu wenig. So wurden die Onkelz im Anti-Nazi-Song «Schrei nach Liebe» der deutschen Punkband «Die Ärzte» neben die Rechtsrockband «Störkraft» gestellt.
Zwei jüngere Beispiele für deutschsprachige Musik vom rechten Rand mit grossem Erfolg sind Xavier Naidoo und Frei.Wild. Ersterer trat seit 2014 immer wieder als Musiker mit Nähe zu Verschwörungstheorien und rechtem Gedankengut auf den Plan. Zuletzt sorgte er mit dem Song «Marionetten» für Aufruhr. So sahen beispielsweise Kritiker der FAZ in der im Liedtext verwendeten Puppenspieler-Metapher ein klassisch antisemitisches Bild. Dankbar griffen diverse rechtsextreme Blogs und Webseiten Naidoos Song auf.
Die Rockband Frei.Wild aus dem Südtirol musiziert schon länger in der Grauzone. Dass Sänger Philipp Burger einst bei der Rechtsrockband «Kaiserjäger» musiziert hatte, half den immer wieder auftretenden Rechtsvorwürfen überhaupt nicht. Die «Süddeutsche» identifizierte Frei.Wild als die Nachfolgerband der Böhsen Onkelz und beruft sich vor allem auf stark identitäre Texte der Band. Dennoch gelang Frei.Wild eine mehrfache Echo-Nominierung – Shitstorms waren programmiert, sodass die Echo-Akademie die Band 2013 wieder auslud. Andere Deutschrockbands, zum Beispiel «Jennifer Rostock», sprachen sich ebenfalls gegen Frei.Wild aus. Dennoch gewann die Band 2016 einen Echo für das Album «Opposition».
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