Tessiner Einheitskassen-Slogan verärgert Italiener
«Nein zu einem Gesundheitswesen à la Italien»: Eine Tessiner Kampagne gegen die Einheitskrankenkasse kommt bei den südlichen Nachbarn gar nicht gut an.

Rund einen Monat vor der Volksabstimmung zur Einheitskrankenkasse geht die Tessiner Interessenvereinigung «No alla cassa unica» mit einem italienkritischen Slogan auf Stimmenfang. Im Nachbarland sorgt die Kampagne für Unmut.
«Nein zu einem Gesundheitswesen à la Italien» - dieser Satz findet sich aktuell in vielen Tessiner Medien. Geschaltet hat die Anzeigen die Gruppierung «No alla cassa unica», dem Tessiner Ableger der Lobbyvereinigung «alliance santé», die sich schweizweit entschieden gegen die Einführung einer öffentlichen Krankenkasse ausspricht.
Erinnerungen an SVP-Plakate
Im grenznahen Italien ist man über diesen rhetorischen Angriff wenig erfreut. Die Tageszeitung «Il Giornale» fühlte sich in ihrer Wochenendausgabe an die SVP-Plakate von 2010 erinnert, die Grenzgänger als Ratten darstellten.
In der Samstagsausgabe des «Corriere della Sera» wagt Stefano Modenini, Direktor des Tessiner Industrieverbands, einen Erklärungsversuch für die Italien-Kritik: «Wenn man einen einfachen Konsens erreichen will, dann reicht es in der Regel, schlecht über die Italiener zu sprechen.»
Luca Gaffuri, Regionalrat der Demokratischen Partei in der Lombardei, formulierte seine Kritik in der Mailänder Tageszeitung «Il Giorno» nüchterner: «Die Situation in Italien scheint mir nicht derart angespannt zu sein. Missstände im Gesundheitswesen gibt es in Italien genauso wie in der Schweiz.»
Korruption im italienischen Gesundheitssystem
Jenseits der medialen Selbstverteidigung gegen die Tessiner Wahlkampfpolemik gibt es in Italien auch Kritik am eigenen Gesundheitssystem: Zu behäbig und kostspielig sei die grosse nationale Behörde SSN, die dem britischen National Health Service (NHS) nachempfunden ist, kritisieren Ärzte, Gesundheitspolitiker und Medien.
Zudem begünstige das Zentralsystem die Korruption. 2011 wurde nach Recherchen der italienischen Tageszeitung «La Stampa» bekannt, dass etwa in der Mailänder Klinik «San Raffaele» über Jahre Millionenbeträge veruntreut wurden.
Die Einrichtung musste in der Folge Konkurs anmelden. Bis dahin hatte die Region Lombardei jährlich 450 Millionen an öffentlichen Geldern aus der Einheitskasse an das Spital überwiesen.
Im Jahr 2012 stellte die italienische Finanzaufsicht fest, dass auch der lombardische Klinikverband «Fondazione Salvatore Maugeri» Gelder in Höhe von 56 Millionen unterschlagen hatte. In diesen Skandal waren zahlreiche lombardische Politiker verwickelt.
Tessiner Allianzen
Ähnlich wie bei der SVP-Zuwanderungsinitiative im Februar 2014, paktieren auch beim Volksbegehren «für eine öffentliche Krankenkasse» Parteien miteinander, die sonst nur wenig Berührungspunkte haben.
SP, Lega und Grüne unterstützen die Initiative, allerdings mit unterschiedlicher Vehemenz. Während SP und Grüne schon Debatten zum Thema angestossen haben, gibt sich die Lega noch bedeckt.
SDA/fko
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