Tausende protestieren vor dem Kreml
In Moskau haben Tausende gegen Ministerpräsident Wladimir Putin und die Partei Einiges Russland protestiert. Es war die grösste Demonstration der Opposition seit Jahren. Mehrere Aktivisten wurden festgenommen.

Mehrere hundert Demonstranten zogen nach Verkündung des Wahlergebnisses zum Büro der Wahlkommission in der Nähe des Kremls. Sie wurden von der Polizei gestoppt und in Bussen weggefahren. Schätzungen zufolge beteiligten sich zwischen 5000 und 10'000 Menschen an der Protestaktion. Sie riefen «Russland ohne Putin». Einiges Russland hatte bei der Parlamentswahl am Sonntag rund 50 Prozent der Stimmen gewonnen.
Auch mehr als 400 Anhänger der Kommunisten versammelten sich, um ihre Empörung über das Wahlergebnis auszudrücken. Die Kommunisten kamen mit rund 20 Prozent der Stimmen bei der Wahl auf Platz zwei. Sogar im Vergleich mit der Wahl 2007 seien die Manipulationen offensichtlich und dreist gewesen, sagte Jewgeni Doronin, ein Mitglied des Zentralkomitees der Partei.
Der liberale Oppositionspolitiker Boris Nemtsow sagte, mit der Wahl endeten Putins Flitterwochen mit dem Volk. Seine Herrschaft werde bald wie ein Kartenhaus zusammenbrechen. Er müsse nun für eine ehrliche Präsidentschaftswahl im März sorgen und auch Oppositionskandidaten zulassen, wenn er nicht im ganzen Land ausgepfiffen werden wolle.
Offensichtliche Manipulation
Auch die europäische Wahlbeobachter haben die Parlamentswahlen in Russland kritisiert. Die Abstimmung sei zugunsten der Regierungspartei Einiges Russland beeinflusst worden, teilte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) heute in einer gemeinsamen Erklärung mit anderen europäischen Organisationen mit. Bei der Abstimmung habe es häufige Verfahrensverstösse und Fälle offensichtlicher Manipulationen gegeben, darunter auch deutliche Hinweise auf die Existenz zusätzlicher Stimmzettel.
Die Partei Einiges Russland von Ministerpräsident Wladimir Putin erlitt bei der Wahl am Sonntag eine Schlappe - zumindest für ihre Verhältnisse. Die Regierungspartei kam trotz der bemängelten offenbaren Manipulation nur auf knapp 50 Prozent der Stimmen. Bislang verfügte die Kreml-Partei über eine für Verfassungsänderungen notwendige Zweidrittelmehrheit im Parlament.
Die Regierungspartei dürfte ihre Mehrheit in der Duma dennoch behalten und Putins Sieg bei der Präsidentschaftswahl im März scheint ausser Frage. Doch die Abstimmung am Sonntag hat Putins sorgsam aufgebautem Image des starken Mannes beschädigt. Das russische Volk ist zunehmend frustriert angesichts fehlender politischer Alternativen, der allgegenwärtigen Korruption und der Kluft zwischen Arm und Reich.
Bedenken auf beiden Seiten des Atlantiks
US-Aussenministerin Hillary Clinton äusserte am Rande der Afghanistan-Konferenz in Bonn «ernste Bedenken» über den Ablauf der Wahl. Die russischen Wähler hätten das Recht zu wissen, dass die Abgabe und die Zählung ihrer Stimmen fair abgelaufen sei, sagte sie.
Auch die Bundesregierung gab sich über mögliche Manipulationen bei der Wahl «sehr besorgt». Der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter sagte am Montag in Berlin, die Bundesregierung gehe davon aus, dass diese Fragen in befriedigender Weise aufgeklärt würden.
Die Union im Bundestag sorgt sich über die innere Entwicklung Russlands. «Die politische Führung hat eine wichtige Chance verspielt, eine Modernisierungspartnerschaft mit der eigenen Gesellschaft aufzubauen», sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andreas Schockenhoff am Montag in Berlin. Damit drohe eine noch tiefere Entfremdung zwischen Staat und Einwohnern.
Aufbruch in die Moderne nur mit Respekt für Bürgerrechte
Ein gesellschaftlicher Aufbruch in die Moderne sei in Russland nur möglich, wenn die Regierung die politischen und bürgerlichen Rechte respektiere, sagte die menschenrechtspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Bundestag, Marina Schuster. Die Wahl am Sonntag habe gezeigt, dass Ministerpräsident Wladimir Putin und sein Modell der «gelenkten Demokratie» trotz massiver Manipulationen stark an Zustimmung verloren habe, sagt Schuster.
Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth prangert offensichtliche Manipulationen bei der Parlamentswahl an. «Die Wahl in Russland kann man als viel bezeichnen, aber sicher nicht als fair und demokratisch», sagte Roth in Berlin. Es könne nicht sein, dass die demokratische Opposition behindert werde, in das Parlament einzuziehen.
dapd/wid
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch