Tatort Tankstelle
Der Täter von Flums wurde an einer Tankstelle gestellt. Die leuchtenden Zapfsäulen sind seit jeher Anziehungspunkt für Kriminalität – obwohl die Sicherheit laufend erhöht wird.
Womöglich hatte sie mit ihrem beherzten Einschreiten noch Schlimmeres verhindert: Die 21-jährige Heidi B.*, die zur Tatzeit an der Agrola-Tankstelle in Flums SG ihre Abendschicht leistete. Als der Täter, ein 17-jähriger Lette, mit dem Beil ein weiteres Auto kapern wollte, ging die Mitarbeiterin dazwischen und holte sich dabei eine tiefe Schnittwunde an der Hand.
«Gesundheitlich ist Heidi B. auf dem Weg zur Besserung», sagt Niklaus Hobi, Geschäftsführer der Landi Sarganserland, zu der auch die Agrola-Tankstelle gehört. «Sie steht unter Schock und wird psychologisch betreut.» Mit einem Amoktäter habe man nicht gerechnet. Es sei gut möglich, dass nun das Sicherheitsdispositiv nach diesem Vorfall angepasst werde. «Ein solches Szenario bildet für uns glücklicherweise die Ausnahme», sagt Hobi. Raubüberfälle oder Diebstahl seien Delikte, auf die das Personal in der Regel geschult werde.
Kameras und Alarmknöpfe
In den vergangenen Jahren ergriff die Landi zahlreiche Sicherheitsmassnahmen. Die Shop-Mitarbeiter arbeiten niemals alleine, sondern immer mindestens zu zweit. Der Laden wie auch das Tankstellengelände werden kameraüberwacht. Die Angestellten haben zudem Zugriff auf einen Alarmknopf, der direkt mit der Polizei verbunden ist. Dies sei allerdings nicht der Grund gewesen, weshalb die Polizisten nach kurzer Zeit vor Ort eintrafen, sagt Hobi. Die Beamten wurden selbst auf den Tatort aufmerksam – durch die Hilferufe und Schreie der attackierten Frauen.
Verbrecher, die Tankstellen aufsuchen, kennt man nicht nur aus Fernsehkrimis, sondern sie sind Realität. «Das liegt in der Natur der Sache», sagt Carmen Surber, Sprecherin der Kantonspolizei Zürich. Aufgrund der Tatsache, dass Tankstellenshops meist an leicht zugänglichen Orten lägen. Es bestehen entsprechend viele Fluchtmöglichkeiten, sagt Surber. Das sei mit ein Grund, weshalb es bei Tankstellen immer wieder zu Delikten komme.
Auch der Täter von Flums war auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit. Nachdem er zuvor mit seinem ersten Fluchtauto verunfallt war, flüchtete er zu Fuss weiter. 1,5 Kilometer weiter stiess er auf die Tankstelle, die sonntags bis 21 Uhr geöffnet hat. Kurz vor Ladenschluss wollte der Täter die Gelegenheit nutzen, um gewaltsam an ein Auto zu kommen. Sein Plan misslang, er attackierte weitere Personen, ehe ihn die Polizei gewaltsam stoppte. Fotos von Augenzeugen, die kurz darauf im Netz kursierten, zeigen ein verstörendes Szenario: Blutlachen im Scheinwerferlicht der neonbelichteten Zapfsäulen.
Sieben Raubüberfälle in einem Jahr
Wie gefährlich Tankstellen sind, zeigen etwa die Zahlen im Kanton Zürich: Fürs laufende Jahr wurden bisher zwölf Überfälle registriert. 2016 waren es 13. Das entspricht einer leichten Abnahme gegenüber den Vorjahren. Im Jahr 2012 waren es 20 Überfälle. Anfang der Nullerjahre wurde eine Tankstelle in Fahrweid ZH innerhalb eines Jahres gleich siebenmal ausgeraubt.
Ein möglicher Grund für den Rückgang liegt in den erhöhten Sicherheitsmassnahmen, nicht nur bei der Agrola. Die Coop Mineralöl AG etwa rüstete ihre Tankstellenshops Coop Pronto ebenfalls mit einem direkten Polizeialarm und Überwachungskameras aus. Einen Schritt weiter ging Shell, indem die Zutrittskontrollen zu den Shops verschärft wurden. Dabei werden die Türen am Abend und in der Nacht nicht mehr automatisch, sondern von einem Mitarbeiter geöffnet – per Knopfdruck von der Kasse aus. «So kann überprüft werden, wer ein- und ausgehen will», sagt eine Shell-Sprecherin.
Der Verband der Tankstellenshop-Betreiber der Ostschweiz, dem auch die Filiale in Flums angehört, hat zudem vor wenigen Jahren ein Merkblatt mit Tipps für die Angestellten veröffentlicht. Darin steht unter anderem: «Zeigen Sie sich unbedingt kooperativ mit den Tätern. So schützen Sie Ihr Leben!» Ein Tipp, der der Mitarbeiterin Heidi B. nichts gebracht hätte. Der Täter von Flums war unzurechnungsfähig.
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