Tagebuch einer Entführung
Die ehemaligen Schweizer Geiseln Daniela W. und David O. führten Buch über ihre Gefangenschaft in Pakistan. Der «Spiegel» veröffentlichte heute Ausschnitte davon.

«Wir wissen, am Ende kommt das zweite Leben», schreibt Daniela W. am 30. Oktober des letzten Jahres, dem 122. Tag ihrer Gefangenschaft, in ihr Tagebuch. Es sollte nochmals knapp 5 Monate dauern, bis sie mit ihrem Lebensgefährten David O. tatsächlich ihr zweites Leben antreten konnte: Am 15. März 2012 gelingt den beiden Bernern die Flucht. Der «Spiegel» veröffentlichte heute Tagebucheinträge der beiden Ex-Geiseln (Artikel online nicht verfügbar).
Die schriftlichen Notizen erzählen eindrücklich von der monatelangen Leidensgeschichte des Schweizer Paars. Die ersten Einträge sind dramatisch: «Sie pressen uns auf den Kofferraumboden des Jeeps. [...] Ich sehe David nicht, ich höre ihn keuchen. Ich sage: ‹Sie erschiessen uns!› [...] Wir sagen, dass es schnell geht, wenn sie uns erschiessen.»
«Schokolade, Kuchen und Freiheit»
Die Lebensbedingungen sind schlecht: «Der Aufenthaltsraum ist feucht, stickig und dunkel. [...] Ich schlafe an der Wand. Alle beobachten uns.» Nach acht Tagen Gefangenschaft notiert Daniela W.: «Wir essen fast nichts. Hunger gibt es nicht mehr. Nur Angst.» Nach sieben Wochen in den Händen der Taliban schreibt sie: «An die Explosionen und Schüsse haben wir uns gewöhnt. Auch das Surren der Drohnen gehört dazu, 24 Stunden. Es ist Krieg hier.»
Immer wieder schimmert auch Hoffnung durch die Zeilen: «Um 9.30 Uhr bin ich wach. Wieder einmal von Süssigkeiten geträumt. Von Schokolade, Kuchen und der Freiheit. Von einer Waschmaschine und dass sie uns sagen, ihr könnt jetzt gehen.»
Aber auch eine gewisse Normalität scheint im Leben von Daniela W. und David O. Einzug zu halten. Am 8. und 9. März feiern die beiden ihre Geburtstage: «David singt für mich, als ich noch auf dem Bett liege. In seiner Hand eine Banane, darin ein brennendes Streichholz. Meine Geburtstagstorte.»
Ein Tagebuch gegen die Langeweile
Das Tagebuch erfüllt neben dem Aufzeichnen und Verarbeiten des Erlebten auch weitere Funktionen. Um die Langeweile zu vertreiben, spielt das Paar immer wieder Stadt-Land-Fluss, schreibt Wörterliste um Wörterliste. Mittels Zeichnungen versuchen sie mit den Geiselnehmern zu kommunizieren. Diese waren fast ausnahmslos Analphabeten. Eine skizzierte reich gedeckte Tafel soll Dankbarkeit ausdrücken für ein unüblich üppiges Mahl. Das entführte Paar brachte sich über die Monate auch selber rudimentäre Kenntnisse der Sprache der Paschtunen bei, auch dies kann man anhand der Tagebucheinträge nachvollziehen.
«Ich habe mich nie gefragt: ‹Warum ausgerechnet wir?› Denn niemand anderem hätte ich das je gewünscht», schreibt Daniela W. einmal in ihr Tagebuch. Mehr als acht Monate werden die zwei Geiseln von den Taliban an verschiedenen Orten gefangen gehalten. Am 15. März 2012 gelingt den beiden die Flucht.
Zu Fuss verlassen sie das Lager der Taliban und erreichen schliesslich in der Dunkelheit ein Militärfort der pakistanischen Armee. Nach zwei Stunden werden sie endlich eingelassen und mit Helikoptern ausgeflogen. Am 17. März kehren die beiden in die Schweiz zurück – nach 259 Tagen Gefangenschaft.
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