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Klassik-Musiker sind stets brav? Die Sammlung mit Anekdoten zeigt: Von wegen.
Wenn sie so konzentriert auf dem Podium stehen oder sitzen und grosse Kunst interpretieren, dann könnte man schon den Eindruck bekommen, Musikerinnen und Musiker seien eine besonders ernsthafte Spezies. Doch der Schein trügt, wie die zweite Sammlung von Musikeranekdoten zeigt, die Hans Martin Ulbrich gesammelt hat. Der langjährige Oboist im Zürcher Tonhalle-Orchester kombiniert Pointen aus vergangenen Jahrhunderten und Jahrzehnten mit solchen, die er selbst erlebt oder von Kolleginnen und Kollegen gehört hat.
Da liest man zum Beispiel von Beethoven, der 1823 eine Neujahrskarte von seinem Bruder erhielt, unterzeichnet mit «Johann van Beethoven, Gutsbesitzer»; er replizierte mit «Ludwig van Beethoven, Hirnbesitzer». Oder von zwei namenlosen Lisplern – Dirigent und Oboist –, die sich an der Wiener Staatsoper nicht wirklich verstanden: «Spielen Sie bitte ef, nicht ef.» «Ich habe doch ef gespielt.» «Das höre ich, aber Sie sollten ef spielen.»
Dass Zürcher Persönlichkeiten besonders viel Raum einnehmen, liegt in der Natur der Sache – und ja, die Geschichte, wie der Dirigent David Zinman als Bub in der Bronx das Fenster eines Eigenbrötlers namens Béla Bartók eingeschlagen hat, gehört zu den Highlights des Bändchens.
Hans Martin Ulbrich: Dirigieren verdirbt den Charakter – Musikeranekdoten. Reclam, Stuttgart 2017, 136 S., ca. 15 Fr.
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