«Syrien wird noch im Sommer zerstört sein»
700'000 Menschen sind vor den Kämpfen in Syrien geflüchtet. Seit Monaten leben sie in Zelten. Die Hoffnung auf die Rückkehr in die Heimat haben sie aufgegeben. Nun suchen sie einen Weg in eine bessere Zukunft.
«Ich war mir sicher, dass wir spätestens im Frühling zurückkehren können», sagt Abu Mohammed Al-Darawi. Seit drei Monaten ist ein Zelt sein Zuhause. Der 35 Jahre alte Ingenieur lebt in dem überfüllten Al-Saatari-Lager in Jordanien. Wie er geben nach fast zweijährigem Konflikt in Syrien viele Flüchtlinge ihre Hoffnung auf eine Rückkehr in ihre alte Heimat auf.
«Jetzt - wo die Bombardierungen weitergehen und die Welt den Rebellen den Rücken zukehrt - glaube ich aber, dass Syrien noch vor dem Sommer zerstört sein wird», sagt der 35-Jährige. Wo er künftig leben wird, weiss er nicht. Vielleicht in Jordanien, vielleicht in Europa oder in den USA.
Bauernhof in Syrien verkauft
Allein seit dem 1. Januar sind 40'000 neue Flüchtlinge in Jordanien angekommen. Ihre Zahl steigt, denn inzwischen holen Männer ihre Familien nach. Viele richten sich auf einen Aufenthalt auf unbestimmte Zeit ein.
Sie verkaufen ihr Hab und Gut, um woanders Fuss fassen zu können. So wie Um Samer, die «ein neues Leben» beginnen will. «Monatelang hat der Gedanke an die Rückkehr in unsere Heimat uns am Leben erhalten», sagt die 45 Jahre alte Mutter von fünf Kindern. Jetzt habe ihr Mann den Bauernhof im Umland von Damaskus für etwa 10'000 Euro verkauft. «Wir müssen unsere Zukunftspläne aufgeben, um die Gegenwart zu überstehen.»
Während in Syriens Nachbarländern die Lage der 700'000 Flüchtlinge immer verheerender wird, trifft sich in Kuwait die Internationale Gemeinschaft zu einer Geberkonferenz. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon fordert 1,5 Milliarden Dollar zur Unterstützung der syrischen Bevölkerung. Denn vier Millionen Menschen sind inzwischen innerhalb Syriens auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Arbeit statt Schule
In Libanon arbeitet der zehnjährige Mohammed inzwischen als Gärtner in einem Luxusanwesen, damit seine Familie Unterkunft und Essen bezahlen kann. Vor fünf Monaten flüchtete sie aus der syrischen Provinz Hama.
Mohammed dachte, in Beirut könne er zur Schule gehen und ein normales Leben fern von dem Grauen in der Heimat führen. Doch stattdessen muss er täglich zehn Stunden arbeiten. Genauso geht es seinen acht Geschwistern - die jüngsten sind gerade einmal sechs Jahre alt. So wie Mohammeds elfköpfiger Familie ergeht es derzeit vielen Syrern, denn Libanon ist deutlich teurer.
Mitarbeiter des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge sprechen auch von einer «Kinderkrise», weil die Kinder tatkräftig mit anpacken müssen, anstatt zur Schule zu gehen.
Putzen in der Nachbarschaft
Mohammeds achtjährige Schwester Haja putzt in der Nachbarschaft, sein Bruder Abdel Nasser liefert für einen kleinen Gemischtwarenladen aus. Er ist sechs Jahre alt. Mohammed sagt, er verdiene manchmal mehr als seine älteren Geschwister, da er viel Trinkgeld bekomme.
Mohammeds Mutter kämpft mit den Tränen, wenn sie über das Leben ihrer Kinder spricht. «Ich sage ihnen immer, dass es nur vorübergehend ist.» Und auch, «dass wir eigentlich zu den Glücklichen gehören, die in einer Wohnung leben, nicht im Zelt». Etwa die Hälfte der gut 160'000 Flüchtlinge aus Syrien wurde in Libanon in Mietwohnungen untergebracht.
Lange auf Hilfe verzichtet
Abdullah Rifai hat derweil in Jordanien eine Entscheidung getroffen. «Monatelang wollten wir gar keine Hilfe, weil wir dachten, dass wir schnell zurückkehren könnten», sagt er. Doch jetzt hat er sich von der UNO als Flüchtling registrieren lassen.
Er will in Europa oder den USA Asyl beantragen. Mohammed al-Scheich lernt zu diesem Zweck nun Englisch. «Wir haben von Libanesen, Palästinensern und Irakern gelernt, die jetzt in den USA, Schweden und Kanada leben.» Er betont: «Wenn die Internationale Gemeinschaft uns schon in Syrien nicht helfen will, dann soll sie uns wenigstens aufnehmen.»
SDA/wid
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